
Knut: Rätselhafter Eisbärtod
Berühmter Zoo-Eisbär Knut litt an einer Autoimmunkrankheit
Riesige Knopfaugen, kuschelig weißes Fell - und dann wurde er auch noch von der Mutter verstoßen: Eisbär Knut eroberte nach seiner Geburt im Dezember 2006 im Sturm die Herzen vieler Menschen und wurde zur eigenen Marke. Umso größer war die Trauer, als der Eisbär gut vier Jahre später bei einem epileptischen Anfall in den Wassergraben seines Geheges stürzte und ertrank.
Nach der Autopsie war schnell klar: Der Bär hatte eine Hirnentzündung. Allerdings fanden die Forscher weder Viren oder Bakterien im Gewebe. Daher blieb unklar, was die Entzündung ausgelöst hatte. Nun haben Forscher das Rätsel gelöst: Demnach hat Knuts Immunsystem die Zellen in seinem Gehirn angegriffen, berichten sie im Fachmagazin "Scientific Reports" .
Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis heißt die Krankheit, bei der das Immunsystem Antikörper gegen den Rezeptor NMDA in den Zellmembranen der Nervenzellen bildet. "Das Abwehrsystem des Körpers schießt gewissermaßen über das eigene Ziel hinaus", erklärt Harald Prüß vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Berlin.
Lern- und Gedächtnisstörungen sind die Folge, außerdem epileptische Anfälle, wie auch Knut sie hatte, sowie Halluzinationen und Demenz. Bislang war die Krankheit allerdings nur beim Menschen bekannt - und auch das erst seit dem Jahr 2007.
Antikörper im Hirn entdeckt
Prüß ist einer der Forscher, die sich seither mit ihr beschäftigen. Knuts Autopsiebericht mit der Diagnose Hirnentzündung ohne Erregernachweis, ließ ihn hellhörig werden. An der Charité in Berlin, wo er ebenfalls arbeitet, hatte zuvor eine Studie am Menschen gezeigt, dass zahlreiche ungeklärte Fälle von Hirnentzündungen auf die neu entdeckte Krankheit zurückgehen. "86 Prozent der Fälle aus fünf Jahren konnten wir so aufklären", sagt Prüß.
Diese Ergebnisse hätten sich ihm als jungem Wissenschaftler so eingebrannt, dass ihm bei der Lektüre von Knuts Autopsiebericht schon fast klar gewesen sei: "Das muss eine autoimmune Hirnentzündung sein", sagt der Forscher.
Im Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) lagern bis heute Gewebeproben aus dem Gehirn des Eisbären. Gemeinsam mit Alex Greenwood vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, der Knuts erste Autopsie vorgenommen hatte, entdeckte Prüß in dem Gewebe Antikörper gegen den NMDA-Rezeptor der Hirnzellen.
Fortschritt für Mensch und Tier
Die Forscher hoffen nun, die Erkenntnisse und Aufmerksamkeit nutzen zu können, um die Behandlung und Diagnose von Menschen und Tieren mit Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis zu verbessern. Weil die Krankheit zum Teil noch immer unbekannt sei, würden viele Patienten in die Psychiatrie eingewiesen, erläuterte Prüß. Dabei seien sie gut mit einer Blutwäsche oder Medikamenten behandelbar.
"Durch Knut ist jetzt ein gewisser Bekanntheitsgrad zu erwarten, der für solche Patienten hoffen lässt", so Prüß. Auch einige Tiere können nun möglicherweise gezielter behandelt werden: In Zoos leiden immer wieder Tiere an einer Hirnentzündung. "Ein Drittel der Fälle sind unaufgeklärt", sagt Greenwood. "Knut hat Pech gehabt, weil er ins Wasser gefallen ist. Aber es gibt Medikamente, mit denen man Tiere behandeln kann."