Kreidezeit Meeresspiegel war 170 Meter höher als heute
Es war eine andere Welt: Im Treibhausklima der späten Kreidezeit lag der Meeresspiegel etwa 170 Meter höher als heute. Das geht aus einem ersten umfassenden Modell der Ozeanentwicklung hervor, das ein australisch-norwegisches Wissenschaftlerteam im US-Fachjournal "Science" (Bd. 319, S. 1357) vorgestellt hat.
Übertragen auf die heutige Landkarte wären bei einem derart hohen Wasserstand weite Teile Südamerikas und Europas überflutet. Große Teile Großbritanniens sowie die Nordhälften Deutschlands und Frankreichs gäbe es nicht mehr, eine Verbindung von der Ostsee bis zum Kaspischen Meer wäre schiffbar. Allerdings sah die Weltkarte wegen der Bewegung der Erdplatten vor 80 Millionen Jahren ganz anders aus. Heute haben die Meeresbecken durch die Wanderung der Kontinente ein größeres Fassungsvermögen, berichtet Forschungsleiter Dietmar Müller von der Universität Sydney.
Die Schätzungen der Meeresspiegelhöhe während der Kreidezeit lagen bislang weit auseinander: Die Forscher gingen von 40 bis 250 Metern über dem heutigen Wert aus. Die neue Arbeit soll nun diese alte geologische Kontroverse beenden und könnte auch helfen, mögliche großräumige Veränderungen des Meeresspiegels durch die globale Erwärmung besser abzuschätzen.
Meeresspiegel werden stark fallen - in ferner Zukunft
Hauptgrund für das Absinken des Meeresspiegels seit der Kreidezeit ist jedoch nicht die Bildung von Gletschern und Eiskappen, sondern ein gestiegenes Fassungsvermögen der Ozeanbecken. So war das Weltmeer in der Kreidezeit im Schnitt viel flacher. Große Meeresrücken umspannten den Planeten, die Erhebungen unter Wasser machten die Meere seicht. Neuer Meeresboden, der dort entstand, kühlte ab und sank, als er sich von den Rücken entfernte. Heute existierten viele dieser Meeresrücken nicht mehr, die Weltmeere seien im Mittel tiefer als früher, berichteten die Forscher (siehe Video).
Die Wissenschaftler hatten in mehr als zehnjähriger Arbeit ein globales Modell der Ozeanentwicklung entwickelt. Dafür kombinierten sie die Daten zum Gesteinsschichten-Aufbau, zur Erdkruste und zur Erdplatten-Tektonik in den Weltmeeren.
"Wenn wir unser Modell 80 Millionen Jahre in die Zukunft hochrechnen, können wir voraussagen, dass der Meeresspiegel auf lange Sicht weiter um etwa 120 Meter fallen wird", erläuterte Müller. Die britischen Inseln wären dann wegen einer ausgetrockneten Nordsee europäisches Festland. Auch im Kaspischen Meer gäbe es kein Wasser mehr.
"Selbst wenn alles vorhandene Eis schmilzt, was einen Meeresspiegelanstieg um rund 50 Meter bewirkt, wäre das Ergebnis in 80 Millionen Jahren unter dem Strich eine Absenkung des Meeresspiegels um 70 Meter durch die unaufhaltbare Vertiefung des Ozeanbassins. Anders als Treibhausgasemissionen können wir die Geodynamik des Planeten nicht kontrollieren."
Dass dieses langfristige Sinken des Meeresspiegels die Menschheit vor den kurz- und mittelfristigen Folgen des Klimawandels bewahren kann, bestreiten die Forscher. Müller: "Schon ein globaler Meeresspiegelanstieg um einen Meter durch langsam schmelzende Eisdecken wäre desaströs für mindestens 60 Millionen Menschen in Küstengebieten weltweit." In der fernen Vergangenheit habe es zu Treibhausklimazeiten allerdings viel größere Schwankungen des Meeresspiegels gegeben.
lub/dpa