»Es läuft aus, es fällt, es stürzt« Lake Mead trocknet aus – und lockt zur Schatzsuche

Verlorenes Naherholungsgebiet: Ein Mann blickt auf die Lake Mead Marina – Bootsausflüge sind kaum noch möglich
Foto: Mario Tama / Getty ImagesEs ist eine makabre Attraktion. »Wo Leichen sind, da sind auch Schätze«, zitiert die »Washington Post« den Sonderschullehrer und Nationalgardisten Shawn Rosen. Der Reporter traf Rosen bei einer Bootstour mit dessen Freund Matt Blanchard auf dem Lake Mead im US-Staat Nevada – auf dem, was von diesem größten Stausee Nordamerikas noch übrig ist. Der Wasserstand ist laut dem Bericht auf das Rekordtief von 28 Prozent der Kapazität gefallen und legt frei, was jahrzehntelang unter Wasser war: versunkene Boote, alte Pfeilspitzen, jede Menge Müll, aber auch menschliche Überreste. Mindestens eine im Mai in einem Fass gefundene Leiche wird für das Opfer eines Mafiamords in den Siebziger- oder Achtzigerjahren gehalten.

Schatzsuche im Schlamm nahe Boulder City, Nevada
Foto: Roger Kisby / The Washington Post / Getty Images»Jeder will jetzt Fässer finden«, so sagte Rosen der »Post«, und zwar wegen der Aussicht auf Juwelen. Die Legende besage, dass der Las-Vegas-Pate Bugsy Siegel seine Schätze in Fässern auf dem Seegrund versteckt habe. Solche Gerüchte haben der Zeitung zufolge eine Art Goldrausch ausgelöst. Immer wieder müssten Schatzsuchende befreit werden, die mit ihren Geländewagen im Schlamm stecken bleiben. Die Behörden verwarnten regelmäßig Leute, die illegalerweise mit Metalldetektoren oder starken Magneten auf Jagd gehen.
»Wer immer die Person in dem Fass tötete und dann versenkte, konnte kein Experte für Klimawandel sein«, sagte Geoff Schumacher vom Mob Museum aus dem nahen Las Vegas. Nach 23 Dürrejahren in Folge im Südwesten der USA gebe der See die Geheimnisse der Unterwelt frei. Doch die Sorge der Mafiosi dürfte noch die geringste sein. Am Lake Mead hängt die Versorgung der ganzen Region mit Strom und Wasser für 25 Millionen Menschen. Die Betontürme, in denen das Trinkwasser aus dem See gezapft wird, ragen bereits hoch über das Ufer, statt teils unter Wasser zu stehen. Die Wasserrohre und Zufahrten müssen immer wieder auf dem Seegrund verlängert werden, um die weiter zurückgezogene Uferlinie zu erreichen.

Arbeiter Miguel Arroyo zieht einen neuen Graben für Wasserrohre, um die neue Uferlinie des Lake Mead zu erreichen
Foto: Roger Kisby / The Washington Post / Getty ImagesAllein in diesem Jahr ist der Wasserspiegel um mehr als sechs Meter gefallen, was das Ufer an flacheren Stellen um mehr als hundert Meter zurücksetzt. Ein Behördenvertreter sagte, in diesem Jahr gehe das Wasser nicht mehr allmählich zurück wie in den bereits trockenen Vorjahren. »Es läuft aus, es fällt, es stürzt.«

An steileren Stellen bleibt die Oberfläche des Sees fast gleich – aber Ringe zeigen, wie hoch das Wasser früher stand
Foto: Mario Tama / Getty ImagesEin Grund für den beschleunigten Rückgang: Flussaufwärts am Colorado River wird mehr Wasser zurückgehalten, um wenigstens den dortigen Stausee Lake Powell zu retten. Doch Ursache ist das veränderte Klima in der Wüstenregion, die noch trockener und wärmer wird, mit weniger Schnee in den Bergen, die den Colorado speisen. Den Lake Mead trifft es jetzt besonders. Das Wasserkraftwerk am Hoover-Damm, der den See absperrt, musste seine Leistung bereits um 13 Prozent drosseln. Die Stadt Las Vegas macht mit Videopatrouillen Jagd auf Wasserverschwender, die noch verbotenen Naturrasen anpflanzen.
Die US-Regierung warnt aber, das gesamte Flussbecken stehe vor einer beispiellosen Krise. In einer Senatsanhörung im Juni wurde mitgeteilt, die Wasserentnahme aus den Seen Mead und Powell müsse im kommenden Jahr wohl um 2,5 bis 5 Billionen Liter gekürzt werden. Der gesamte Verbrauch der Staaten Kalifornien, Arizona und Nevada aus dem Colorado belief sich im vergangenen Jahr auf rund 8,5 Billionen Liter. Vor allem in der flussabwärts gelegenen Agrarregion, die etwa für ein Viertel des Obst- und Gemüseanbaus der USA sorgt, würde das Wasser fehlen.