Langzeit-Studie Hurrikans werden heftiger und halten sich länger an Land

Blick auf Hurrikan "Zeta" aus dem All: Der Sturm richtete Anfang November große Schäden in den Südstaaten der USA an
Foto: NASAForscher hatten es kommen sehen: Tropische Wirbelstürme würden stärker werden, dabei aber an Geschwindigkeit verlieren. Wissenschaftler wie Michael E. Mann von der Pennsylvania State University prognostizierten solche Trends schon vor Jahrzehnten.
Was damals manchen noch als düsteres Zukunftsszenario galt, wird immer häufiger gemessen. Die beiden Klimaforscher Lin Li und Pinaki Chakraborty vom Okinawa Institute of Science and Technology legen nun eine Studie vor, in der sie Hurrikans aus den Jahren 1967 bis 2018 im Golf von Mexiko oder an der Ostküste der USA untersuchten - insgesamt 71 Stürme, die alle das Festland erreicht hatten.
Die im Fachblatt "Nature" veröffentlichte Studie kommt zu dem Ergebnis: Wenn tropische Wirbelstürme in Nordamerika auf Land treffen, schwächen sie sich heute deutlich langsamer ab als vor 50 Jahren. Hatten Hurrikans Ende der Sechzigerjahre nach einem Tag an Land durchschnittlich nur noch 50 Prozent ihrer Intensität, so sind es heute 75 Prozent. Den Trend erklären die Wissenschaftler mit der größeren Menge an Feuchtigkeit, die ein Wirbelsturm bei höheren Oberflächentemperaturen der Meere aufnehmen kann.
"Feuchtigkeit aus warmen tropischen Ozeanen treibt die intensiven Winde einer Hurrikan-Wärmekraftmaschine an", schreiben die Wissenschaftler. Sobald ein tropischer Wirbelsturm auf Land trifft, wird er von dem Feuchtigkeitsnachschub des Ozeans abgeschnitten und verliert rasch an Kraft. Während inzwischen gut erforscht sei, wie steigende Temperaturen im Zuge des Klimawandels Hurrikans stärker werden lassen, gebe es bisher wenig Erkenntnisse über den Zerfall der Wirbelstürme an Land, stellen Li und Chakraborty fest.
Ende der Sechzigerjahre zerfielen tropische Wirbelstürme nach durchschnittlich 17 Stunden an Land, knapp 50 Jahre später waren es 33 Stunden – eine Steigerung um 94 Prozent. Analysen ergaben, dass die Dauer bis zum Zerfall weitgehend mit der jeweiligen Wassertemperatur an der Oberfläche des Ozeans zusammenhing: Je höher die Temperatur, desto länger hielt sich ein Wirbelsturm an Land. "Bei Hurrikans ist die von der Meeresoberfläche aufgenommene Feuchtigkeit der Treibstoff, der die zerstörerische Kraft eines Hurrikans verstärkt und aufrechterhält, wobei Wärmeenergie aus der Feuchtigkeit in starke Winde umgewandelt wird", erläutert Li in einer Mitteilung seiner Universität.
Simulation für Hurrikan-Entstehung
Um zu untersuchen, wie die Dauer des Zerfalls mit der Wassertemperatur zusammenhängt, simulierten die Forscher vier Hurrikane. Während die anderen Einflussfaktoren gleich blieben, änderten sie nur die Temperatur der Meeresoberfläche – zwischen 27 und 30 Grad Celsius. Sobald der Sturm in der Simulation eine Windgeschwindigkeit von 216 Kilometern pro Stunde erreicht hatte – das entspricht auf der Hurrikan-Skala der zweithöchsten Kategorie 4 –, stoppten Li und Chakraborty die Feuchtigkeitszufuhr und simulierten so das Auftreffen auf Land.
Das Ergebnis war eindeutig: Je höher die eingestellte Meerestemperatur war, desto länger hielten sich die Stürme an Land. Entfernten die Forscher in den Simulationen sämtliche Feuchtigkeit, sobald ein Sturm auf Land traf, nahm die Intensität sehr schnell ab.
Wenn sich Hurrikans langsamer abschwächen, können sie an Land weitere Entfernungen zurücklegen. "Wir wissen, dass Küstengebiete sich auf intensivere Hurrikans vorbereiten müssen, aber auch Binnengemeinden, die möglicherweise nicht über das Know-how oder die Infrastruktur verfügen, um mit solch starken Winden oder starken Regenfällen fertig zu werden, müssen ebenfalls vorbereitet werden", betont Chakraborty. Dies sei eine wichtige Maßnahme zur Bewältigung der globalen Erwärmung.
"Die Arbeit von Li und Chakraborty hebt eine Schlüsselkomponente von Risikomodellen hervor, die bisher weitgehend übersehen wurde", schreiben Dan Chavas und Jie Chen von der Purdue University in West Lafayette im US-Bundesstaat Indiana in einem "Nature"-Kommentar. Bestehende Modelle berücksichtigen bisher nicht, ob und wie die Abschwächung eines Sturms an Land vom Klima abhängt. Neben den in der Studie aufgezeigten Gefahren sehen die Kommentatoren eine weitere: Langlebigere Stürme können auch die Wahrscheinlichkeit einer Interaktion mit dem Jetstream erhöhen – einem Starkwindband in der oberen Atmosphäre. Dies könne mitunter dazu führen, dass solche Stürme viel weiter ins Landesinnere zögen.
Hate to say "we told you so".
— Prof Michael E. Mann (@MichaelEMann) July 27, 2020
This was the first Atlantic hurricane season in a decade where our pre-season (April) forecast called for as many as 20 named storms (likely range of 16 to 24): https://t.co/MNs6uv8m9r
If anything, that might be too low... https://t.co/Q6ATI9nRHS pic.twitter.com/3qKNfLC2yS
Grundsätzlich erwarten Forscher nicht unbedingt mehr Stürme aber eine Zunahme von besonders starken Hurrikans. In diesem Jahr ist die Saison besonders heftig. Die Namen für die Hurrikans, die vor einer Saison festgelegt werden, sind längst aufgebraucht. Die ersten 21 Wirbelstürme werden von der Weltwetterorganisation (WMO) jeweils mit weiblichen und männlichen Vornamen von A bis W benannt. Danach geht es mit den Buchstaben des griechischen Alphabets weiter.
Klimaforscher Michael E. Mann kommentierte diese Rekordsaison auf Twitter folgendermaßen: "Hate to say, 'We told you so.'", schrieb er: "Ich sage es nur ungern: 'Wir haben es euch gesagt."
Jüngst hat der Wirbelsturm "Eta" Verwüstungen in Mittelamerika und Kuba hinterlassen. Er ist der siebte Buchstabe im griechischen Alphabet. Auf dieses Alphabet musste die WMO nach eigenen Angaben erst einmal zurückgreifen: Im Jahr 2005 wurden die ersten sechs griechischen Buchstaben verwendet.