Lohnender Naturschutz Tropenwälder an die Börse

Der klassische Naturschutz in Tropenländern - bezahlt mit spärlichen Spenden reicher Staaten - ist nach Ansicht vieler Experten am Ende. Die Naturschützer neuen Typs glauben, dass nur noch eines den Regenwald retten kann: Er muss endlich so viel kosten, wie er wert ist.
Von Christian Schwägerl

Berlin - Selten findet Kevin Conrad die Muße, sich in die Natur seiner Heimat Papua-Neuguinea zu vertiefen. Als Sprecher der "Rainforest Coalition", der 42 Tropenwaldnationen, ist er einer der wichtigsten Naturschützer des Planeten. Sein Job als Sonderbeauftragter des Präsidenten von Papua-Neuguinea für Klima- und Naturschutz mit Sitz in New York zwingt ihn meist in klimatisierte Verhandlungsräume oder in Flugzeugkabinen.

Deshalb freut er sich über den Paradiesvogel, den er an diesem Tag am Berliner Naturkundemuseum vorgelegt bekommt. Nach schwierigen Verhandlungen mit Vertretern aller Tropenländer in einem Moabiter Hotel macht Conrad dort ein paar Stunden Pause.

Die Wissenschaftler des Museums haben für ihn wertvolle Objekte herausgeholt, Paradiesvögel, die der Jahrhundertbiologe Ernst Mayr in den zwanziger Jahren in Papua-Neuguinea gesammelt hat. Conrad traut seinen Augen nicht: Da liegt eine Vogelart, die er seit seiner Kindheit im entlegenen Hochland der Insel nicht mehr gesehen hat. "Die ist inzwischen sehr selten geworden", sagt er.

Seine Antwort darauf, wie sich das wieder ändern könnte und wie der Regenwald nicht nur in Asien, sondern weltweit erhalten werden kann, ist unorthodox: "Wir müssen den Regenwald an die Börse bringen, das Ökosystem muss einen realen ökonomischen Wert bekommen." Conrad ist einer der Erfinder der Wald-Wertscheine, die auf der Uno-Artenschutzkonferenz in Bonn als innovative Finanzierungsidee zugunsten gefährdeter Lebensräume ebenso eine Rolle spielen wie bei den internationalen Klimaschutzverhandlungen nach der Konferenz von Bali im Dezember 2007.

Ein Viertel der CO2-Emissionen stammen aus Waldrodung

Die Ursache für den Artenschwund in seinem Land sieht Conrad in der Tatsache, dass der Regenwald finanziell unterbewertet ist. "Wir haben 2003 ein Kreditangebot von der Weltbank bekommen, um mit klassischen Naturschutzprojekten den Regenwald zu retten - über 70 Millionen Dollar, über mehrere Jahre verteilt", sagt Conrad. "Da haben wir in die Bücher geschaut und festgestellt, dass uns der Holzeinschlag jährlich zwischen 100 Millionen und 500 Millionen Dollar einbringt."

Der Vergleich öffnete der Regierung von Papua-Neuguinea die Augen: "Niemand kann von uns erwarten, dass wir so teuer draufzahlen, um den Wald zu erhalten." Gescheitert sei der Naturschutz, der Zäune um den Wald ziehe. Auch immer neue Fonds, wie etwa Greenpeace sie fordert, brächten nichts. "Wir müssen in den Markt", sagt Conrad.

Wie in jedem Land verglichen auch seine Leute ständig die Preise von Holz, Tee, Kaffee, Kakao und versuchten, die beste Wertschöpfung zu erreichen. Im Moment habe nur abgeholzter Regenwald einen Wert: Von 30 Millionen Hektar Regenwald gehen in Papua-Neuguinea jährlich bis zu einer halben Million Hektar verloren. In spätestens 60 Jahren ist also rechnerisch Schluss mit einem Ökosystem, das viele Jahrtausende alt ist.

Das Nachschlagen im Uno-Klimaschutzvertrag, dem Kyoto-Protokoll, war frustrierend: Ein bisschen finanzielle Belohnung ist dafür vorgesehen, Bäume neu anzupflanzen und damit der Atmosphäre Kohlendioxid zu entziehen. Aber der Erhalt des bestehenden Waldes wird mit nichts belohnt - obwohl ein Viertel der weltweiten CO2-Emissionen aus der Waldrodung stammen.

"Da klafft ein Loch", sagt Conrad. Im Auftrag seiner Regierung trommelt er für eine revolutionäre Idee: Die Tropenwald-Länder sollten ihre CO2-Speicher als Dienstleistung anbieten. Sie sollten dafür Zugang zu einem wichtigen neuen Markt bekommen, der in Europa bereits die Entwicklung der Energiewirtschaft massiv beeinflusst. Für jede Tonne Kohlendioxid, die etwa der Energieerzeuger RWE aus einem Kohlekraftwerk in die Luft pusten will, muss er vorher einen Erlaubnisschein an einer Börse erstehen - ein sogenanntes CO2-Zertifikat.

Solche Zertifikate, auch Verschmutzungsrechte genannt, haben einen realen Geldwert. Er liegt momentan bei 25 Euro pro Tonne CO2, könnte in Zukunft auf 60 Euro steigen. Jährlich soll immer weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangen, es werden also immer weniger Zertifikate gehandelt. Verknappung treibt den Preis, sofern nicht teure neue Technologien die Nachfrage nach CO2 drücken.

Möbelindustrie vor Ort

Auf diesem Markt wollen die Tropenwald-Länder nun jenes Kohlendioxid anbieten dürfen, das sich ihre Bäume aus der Luft geholt haben, um daraus ihr Holz aufzubauen - und das wieder in die Luft gelänge, wenn Wälder abgefackelt oder abgeholzt würden. "Die Atmosphäre kann nicht zwischen CO2 aus einem deutschem Kohlekraftwerk und CO2 aus einer Rodungsfläche bei uns unterscheiden", sagt Conrad. Auch einen Namen gibt es in der abkürzungsreichen Welt der Uno-Verhandlungen für die Wald-Wertscheine schon: "Redd" (Reduced Emissions from Deforestation and Degradation). Ein Unternehmen wie RWE, mit seinen vielen Kohlekraftwerken der größte CO2-Emittent der EU, könnte künftig einen Teil seiner Klimaschutzpflichten dadurch erfüllen, dass es Wald-Wertscheine kauft und so die Abholzung von Tropenwald unterbindet.

Zehn Milliarden Euro jährlich, sagt Conrad, müssten weltweit fließen, um den Tropenwaldschutz rentabel zu machen. Das entspricht acht Euro für jeden der 1,2 Milliarden Menschen im reichen Westen.

Er hat auch einen konkreten Plan, wie das Geld investiert werden sollte: in den Aufbau einer eigenen Holz- und Möbelindustrie, um aus jedem Kubikmeter mehr Geld herauszuholen. Rohholz verlässt Papua-Neuguinea für 70 Dollar pro Kubikmeter, in Amerika zu Furnier verwandelt, ist es schon 3000 Dollar wert. "Bisher gab es keine Investoren, um die Wertschöpfung zu uns zu verlagern", sagt Conrad. Zweitens dürfe es nicht sein, dass Landbewohner keine andere Möglichkeit als die Rodung sehen, um das Schulgeld ihrer Kinder oder ihre Arztrechnungen zu finanzieren. Und drittens könnte Dünger finanziert werden, damit die Bauern nicht Rodungsfläche nach Rodungsfläche auslaugen.

Freilich müsse man höllisch aufpassen, dass das Geld nicht in den falschen Kanälen verschwinde - etwa bei korrupten Beamten oder in kriminellen Kreisen. Doch es gebe einfach keine Alternative dazu, die Regeln des Marktes so zu justieren, dass sie dem Naturschutz zugute kommen.

"Wenn es in der Welt unserer Kinder Paradiesvögel auch außerhalb von Museen geben soll", meint Conrad, "muss die Welt ihr Geschäftsmodell anpassen."


"Marktplatz der Natur": Wie viel ist uns die Schöpfung wert? Lesen Sie in der Titelgeschichte des aktuellen SPIEGEL, wie bei der Konferenz in Bonn eine Revolution im Naturschutz angezettelt werden soll und wie die Erhaltung von Wäldern, Kräutern und Riffen zum neuen Milliardengeschäft werden soll.

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