Uno-Gipfel COP25 in Madrid Warum fahren Sie nicht zur Klimakonferenz, Herr Müller?

Gerd Müller: "Die Klimakonferenz ist in ihrer jetzigen Form weder zeit- noch klimagemäß"
Foto:Rainer Jensen/ DPA
Die Weltgemeinschaft hat sich vorgenommen, die Erwärmung der Welt auf höchstens zwei Grad zu begrenzen, besser noch auf 1,5 Grad. Allerdings ist in vielen Punkte offen, wie die Uno-Staaten dieses Ziel überhaupt erreichen wollen. Bei der aktuellen Klimakonferenz in Madrid, auch bekannt als COP25 (25th Conference of the Parties), sollen weitere Aspekte des Pariser Klimaabkommens geklärt werden. (Mehr dazu lesen Sie hier.)
Dass die Konferenz überhaupt stattfindet, grenzt an ein Wunder. Die Uno hatte Schwierigkeiten, ein Gastgeberland zu finden. Brasilien zog die Kandidatur zurück, nachdem Jair Bolsonaro die Präsidentschaftswahlen gewonnen hatte. Chile wollte übernehmen, sagte aber kurzfristig wegen Unruhen im Land ab. Zwischenzeitlich hieß es, die Klimakonferenz könnte in Bonn stattfinden. Dann fiel die Entscheidung auf Madrid. Spaniens Hauptstadt blieben nur wenige Wochen, um das Megaevent mit 25.000 Teilnehmern vorzubereiten.
Ginge es nach Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, hätte man sich die Mühe wohl sparen können. In der jetzigen Form sei die Uno-Klimakonferenz ineffektiv, kritisiert der CSU-Politiker im Interview mit dem SPIEGEL und erklärt, wie sie stattdessen ablaufen könnte.
SPIEGEL: Herr Müller, Sie waren bei den vergangenen Uno-Klimakonferenzen in Marrakesch, Bonn und Katowice dabei. Nach Madrid wollen Sie nun jedoch nicht reisen. Warum?
Müller: Die Klimakonferenz ist in ihrer jetzigen Form weder zeit- noch klimagemäß. Wir wollen Emissionen sparen und dann fliegen jedes Jahr 25.000 Menschen um die halbe Welt, um über Klimaschutz zu diskutieren? Mal ganz abgesehen davon, dass eine Konferenz mit so vielen Teilnehmern ineffektiv ist. Als Chile die Klimakonferenz abgesagt hat, habe ich vorgeschlagen, dass hochrangige, politische Konferenzen nur alle zwei Jahre stattfinden. Als die Entscheidung jetzt auf Madrid fiel, habe ich mich entschieden, selbst nicht anzureisen und einen kleinen Stab aus Experten zu schicken.
SPIEGEL: Erst vor wenigen Tagen hat das Uno-Umweltprogramm Unep gemahnt, die Länder müssten ihre Anstrengungen immens verstärken, wenn das 1,5 Grad-Ziel noch eingehalten werden soll. Braucht es da nicht mehr statt weniger Klimakonferenzen?
Müller: Ich sage ja nicht, dass wir sie absagen sollen. Aber wir müssen vom Reden ins Handeln kommen. Deswegen brauchen wir deutlich effektivere Konferenzen. Was ich mir vorstelle, ist eine jährliche Konferenz der Experten in Bonn, die die vielen technischen Fragen voranbringt. Damit stärken wir auch den Uno-Standort Bonn. Das Sekretariat der Klimarahmenkonvention sitzt ja dort und viele Treffen auf Arbeitsebene finden bereits in Bonn statt. Die Staats- und Regierungschefs kommen dann alle zwei Jahre zusammen, um politisch wirklich etwas in der Substanz zu bewegen. So könnten wir viel schneller Fortschritte machen.
SPIEGEL: Bei der Klimakonferenz in Madrid wird es auch darum gehen, wie ärmeren Ländern geholfen werden kann, die schon jetzt vom Klimawandel betroffen sind. Sollten Sie nicht dabei sein?
Müller: Wir verstärken ja unsere Unterstützung bei der Anpassung an den Klimawandel, zum Beispiel über den Grünen Klimafonds der Vereinten Nationen. Für den internationalen Klimaschutz habe ich in den Haushaltsverhandlungen zusätzlich 500 Millionen Euro erhalten. Damit kann Deutschland seine internationale Zusage einhalten, 2020 insgesamt vier Milliarden Euro in den internationalen Klimaschutz zu investieren. Die Botschaft nach Madrid ist: Wir haben geliefert. Jetzt müssen wir umsetzen.

Gerd Müller bei einer aktuellen Reise in Äthiopien
Foto: Ute Grabowsky/ photothek.netSPIEGEL: Ist es nicht trotzdem ein wichtiges Signal, jedes Jahr den Fokus auf den Klimaschutz zu legen und das auf politisch allerhöchster Ebene? Lässt sich so nicht der Druck auf Politiker wie Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro erhöhen, der wiederholt gedroht hat, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen?
Müller: Der Klimagipfel in New York ist doch erst acht Wochen her. Wir sind im Übrigen im ständigen Austausch mit der brasilianischen Regierung zum Regenwaldschutz.
SPIEGEL: Erhoffen Sie sich überhaupt keine Erfolge bei der Klimakonferenz in Madrid?
Müller: Doch. In Madrid wird das sogenannte Regelbuch des Pariser Abkommens fertiggestellt, ich bin optimistisch, dass es klappt. Deswegen stehen eher technische Fragen im Vordergrund. Es geht unter anderem um den Handel mit CO2-Zertifikaten. Zum Beispiel müssen Doppelzählungen und die Nutzung alter Zertifikate ausgeschlossen sein. Daher reisen die Experten aus meinem Ministerium nach Madrid , die bei diesen Themen einen wertvollen Beitrag leisten können.
SPIEGEL: Wenn Sie sagen, 25.000 Teilnehmer bei der Klimakonferenz seien zu viel: Wer könnte Ihrer Meinung nach zu Hause bleiben?
Müller: Es steht mir nicht zu, da Vorschläge zu machen. Aber ich finde, selbst Klimakonferenzen mit Staats- und Regierungschefs alle zwei Jahre müssen nicht zu Großveranstaltungen mit Zeltstädten und 25.000 Teilnehmern ausufern.
SPIEGEL: Bei der Klimakonferenz in Glasgow 2020 sind Sie aber dabei?
Müller: Auf jeden Fall. Denn da wird es um die Neufestlegung nationaler Reduktionsziele gehen. Das sind politische Entscheidungen. Wir müssen dort einen Quantensprung machen und deutlich ambitioniertere Pläne vorlegen, um die Pariser Klimaziele noch erreichen zu können.