Mäuseplage in Australien »Ich höre sie in den Wänden und auf dem Dach«
Australiens Landwirte leiden unter der schlimmsten Mäuseplage seit Jahrzehnten. Millionen von Nagern zerstören die Ernte und bringen die Bauern um ihren Schlaf.
DER SPIEGEL
Sie wuseln und flitzen herum – und scheinen einfach überall zu sein. Australien hat sich kaum von Feuern, Trockenheit und Überschwemmungen erholt, schon wird es von der schlimmsten Mäuseplage seit Jahrzehnten heimgesucht. Besonders betroffen sind die Bundesstaaten New South Wales, Queensland und Victoria. Hier sind die Nager in Supermärkte eingedrungen und haben für Stromausfälle gesorgt.
Norman Moeris, Bauer: »Sie haben Kabel, Motorräder, Fahrzeuge, Rohre, Traktoren zerstört. Einige sind in Rauch aufgegangen nach Kurzschlüssen. Sie haben Haushaltsgeräte, Waschmaschinen ruiniert, Spülmaschinen, Wäsche, Lebensmittel.«
Noch nie hätten sich die Mäuse über so weite Flächen verbreitet wie jetzt, erzählt Moeris. Tausenden Bauern wie ihm haben die Nager die Ernte vernichtet. Ein starker Regen in den letzten Monaten hatte für eine Rekordernte gesorgt und Australien von einer jahrelangen Dürre erlöst. Doch die Millionen Nager konnten sich durch das reichliche Futter noch schneller vermehren.
Doug O’Connor, Bauer: »Ich hatte eine Weile nicht nachgesehen, war mit der Aussaat auf dem Traktor beschäftigt. Da habe ich diese Sache fallengelassen. Doch sie sind hier die ganze Zeit, und es gibt kein Entrinnen. Ich muss also noch mehr Köder auslegen. Ich hatte noch nie eine so stark zerstörte Heuernte.«
Die Mäuse haben O’Connors Heuvorrat verwüstet, mit dem er normalerweise seine 800 Merinoschafe füttert. Einen Teil des Heus wollte der Bauer für die kommende Trockenheit aufbewahren. Nun muss O'Connor es verbrennen – die Mäuse haben es angefressen und als Nest benutzt. Auch Weizen, Gerste und Raps haben die Nager unbrauchbar gemacht. Tagsüber verstecken sich die Millionen Nager, sie werden meist nachts aktiv – die Bauern machen dann kein Auge mehr zu.
Kodi Brady, Bauer: »Ich kann nicht mehr schlafen, weil ich paranoid geworden bin. Ich höre sie in den Wänden und im Dach. Mein soziales und emotionales Wohlbefinden ist hinüber, ich bin komplett im Eimer. Ich fühle mich davon heute ziemlich zermürbt.«
Kodi Brady hat sein Haus mit Gummi abgedichtet und öffnet die Fenster nicht mehr. Jede Nacht fängt er Hunderte Mäuse in Wassereimern. Morgens verbringt er mindestens eine Stunde damit, die Kadaver wegzuschaffen. Der Geruch verwesender Nager sei noch schlimmer als der von Mäuse-Urin. Die Kadaver und die Exkremente verschmutzten zudem das Trinkwasser.
Die betroffenen Bauern bekommen außer Gratisködern bisher keine Hilfe vom Staat. Nun fordern sie von der Regierung die Erlaubnis, auch das Gift »Bromadiolon« einsetzen zu können. Dieses ist in Australien aktuell verboten, da es auch Haustiere und andere heimische Tierarten töten kann. Bauer Moeris setzt dagegen auf die Nager selbst:
Norman Moeris, Bauer:»Wenn man sie lang genug lässt, fressen sie sich gegenseitig, ganz einfach. Sie nehmen sich die Schwächsten vor und arbeiten sich bis zu den Stärksten durch.«
Sollte sich die Plage nicht eindämmen lassen, befürchtet Agrarminister Adam Marshall eine ökonomische und soziale Krise in Teilen von New South Wales. Schätzungen zufolge könnten die Mäuse in diesem australischen Winter Ernten im Wert von bis zu 634 Millionen Euro vernichten. Ein Wettlauf mit der Zeit, denn: Ein Mäusepaar bekommt allein bis zu 500 Nachkommen.
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