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Seuchenbekämpfung: DDT gegen Malaria

Foto: Juda Ngwenya/ The Global Fund

Malariabekämpfung in Afrika Giftkrieger im Sprüheinsatz

DDT ist ein hochgiftiges Pestizid. Afrikanische Länder nutzen die Chemikalie zur Malaria-Bekämpfung. Zwar gibt es einige Erfolge - doch Wissenschaftler warnen: Für Mensch und Tier ist die Sprühstrategie hochriskant.

Wenn die Männer von Simon Kunene ausrücken, geht es zu wie im Krieg. Sie tragen Uniformen, blaue Overalls, weiße Handschuhe und schwarze Schuhe. Ihre Waffe hängt über der Schulter: ein silbern glänzender Tank mit Sprühpistole. Darin schwappt eine hochgiftige Chemikalie. Der Feind erfordert eben besondere Vorsichtsmaßnahmen. Es ist die Anophelesmücke. Sie überträgt die Malaria, für die es keine Impfung gibt. Pro Jahr sterben weltweit mehr als eine Million Menschen an Malaria, darunter viele Kinder unter fünf Jahren. Deshalb hat Kunenes Heimatland Swasiland der Krankheit den Krieg erklärt.

Kunene kämpft als oberster Malaria-Beauftragter gegen die Ausbreitung, und er hat den Krieg fast gewonnen. Er sitzt an seinem Schreibtisch in der Distrikthauptstadt Manzini, faltet die Hände hinter dem Kopf zusammen und listet die Daten auf: "Wir hatten schon über 200 Malaria-Opfer pro Jahr. 2009 hatten wir noch drei Malaria-Tote. 1960 hatten 65 Prozent der Kinder unter fünf Jahren schon einmal Malaria, jetzt sind es weniger als ein Prozent." Nur im Osten des Landes träten noch vereinzelt Krankheitsfälle auf. Der Mann ist zufrieden mit sich und seiner Arbeit.

Das kleine Swasiland mit seinen eine Million Einwohnern kämpft seit Dekaden gegen die Malaria. Schon 1946 gab es staatliche Programme. 1972 war die Krankheit bereits so gut wie ausgerottet. Dann kürzte die Regierung die Gelder und Programme, was sich als Fehler herausstellte. 1995 wurden wieder 10.000 Fälle gezählt - ehe sich die Regierung erneut zu einer Radikalkur entschied.

Die sieht so aus: Einerseits werden rund 100.000 Malarianetze verteilt. Vor allem aber wird nahezu jedes Haus in Swasiland einmal im Jahr zwischen August und Februar mit dem hochgiftigen Insektizid DDT besprüht.

Ist DDT das kleinere Übel?

DDT ist ein umstrittenes Pflanzenschutzgift. Jahrzehntelang war es weltweit das meistverwendete Insektizid - bis es in den siebziger Jahren wegen seiner Nebenwirkungen weitgehend aus dem Verkehr gezogen wurde. Das Stockholmer Abkommen, 2004 von 133 Staaten unterzeichnet, lässt DDT nur noch zur Bekämpfung von krankheitsübertragenden Insekten, wie etwa der Anophelesmücke, zu.

Seit einigen Jahren tobt der Streit, ob DDT zur Malaria-Bekämpfung ein sinnvolles Mittel ist. Nein, sagen zahlreiche Umweltmediziner: Das Breitbandinsektizid reichere sich im Boden und über die Nahrungskette auch im Fettgewebe von Tieren und Menschen an. Zudem stehe es im Verdacht, Krebs zu erzeugen. Nein, sagt auch das deutsche Umweltbundesamt, das die Erfolge der Kampagne in Swasiland nicht abstreitet. Längst aber hätten sich Resistenzen gebildet, und die schädliche Wirkung auf Mensch und Umwelt sei hinreichend belegbar.

Ja, sagt dagegen die Weltgesundheitsorganisation (WHO): 40 Jahre lang hatte sie von DDT abgeraten, seit 2006 aber empfahl sie wieder den begrenzten Einsatz. Ja, sagt auch die staatliche amerikanische Hilfsorganisation USAID: Unter bestimmten Umständen und wohldosiert könne das Insektizid Hunderttausende Menschen retten.

Unentschieden ist die Bundesregierung. Während das Umweltbundesamt vor dem DDT-Einsatz warnt, sponsert Berlin den Global Fund, der auch in Swasiland den Anti-Malaria-Kampf und damit den DDT-Einsatz finanziert. Seit 2002 hat Deutschland der Uno-nahen Organisation 670 Millionen Euro überwiesen; für den Zeitraum von 2008 bis 2010 sind jährlich 200 Millionen Euro geplant.

Zweifel an Wirkung von Moskitonetzen

Andere von der Malaria stark getroffene afrikanische Länder wie Uganda, Tansania und Botswana haben das Gift wieder zugelassen. Allerdings ist die Arglosigkeit für europäische Verhältnisse gewöhnungsbedürftig. "Die Menschen hatten auch schon DDT in ihrem Blut, bevor wir das Sprayen begonnen haben. Und sie waren keineswegs krank", sagte im vergangenen Jahr etwa der ugandische Arzt Myers Lugemwa.

Für den DDT-Einsatz spricht, dass sich die kostenlose Abgabe von Moskitonetzen, wie sie in vielen afrikanischen Ländern Praxis ist, nicht als besonders erfolgreich erwiesen hat. Die Netze kommen nicht an, sie werden zerstört oder die Anophelesmücke schlägt bereits am frühen Abend zu.

Auch Simon Kunene schwört deshalb auf das Gift. "Wann gehen die Leute denn ins Bett?", fragt er beschwörend. "Wenn sie abends bis 23 Uhr fernsehen, werden sie schon ein halbes Dutzend Mal gestochen. Da helfen auch Bettnetze nicht." Seit 22 Jahren arbeitet er nun gegen die Malaria an. "Wir haben so viel Geld für Netze ausgegeben - aber nichts ist so erfolgreich wie das DDT." Und weil er überzeugt ist von der Wirksamkeit des Insektizids, hat er sogar im US-Senat für die Wiederzulassung geworben.

Die Zahlen rechtfertigten den hohen Einsatz, sagt Kunene. "Schauen Sie nach Namibia, Südafrika oder Botswana - die haben Erfolg, weil sie sprayen." Und auch in Swasiland werde man weiter sprühen müssen. "Die Temperaturen verändern sich - und wenn wir nicht dagegen angehen, wird sich die Krankheit weiter ausbreiten."

"Ich weiß, dass es gefährlich ist"

Das soll sie nicht, und deshalb sind Kunenes Leute nach Siphofaneni gekommen, ein Dorf tief im Osten des Landes, unweit der Grenze zu Mosambik. Meusa Tsabdze, 27, ist einer von ihnen. Seit sechs Jahren eilt er mit der Giftspritze durchs Land, 30 bis 40 Häuser nebelt er jeden Tag ein. "Ich weiß, dass es gefährlich ist", sagt er, "aber ich weiß auch, wie man damit umgeht". Er habe ja Maske, Handschuhe, Overall, spezielle Schuhe - und er bekomme jedes Jahr vor Saisonbeginn eine besondere Schulung.

Bevor sich Tsabdze eine Hütte vornimmt, tragen Kollegen Töpfe, Geschirr und Kleider hinaus, Bett und Mobiliar werden mit einem Tuch abgedeckt. Dann tritt Tsabdze in Aktion. Sorgfältig bearbeitet er die Unterseite des Bettes, Wände und das Dach - sämtliche Stellen, an denen sich die Mücken verstecken könnten.

Von draußen verfolgt Pepsile Mamba die Aktion. Sie ist 25 Jahre alt, hat vier Kinder. Eher teilnahmslos beobachtet sie das Treiben des vermummten Trupps. Ihre jüngste Tochter, gerade sechs Wochen alt, trägt sie auf dem Arm. Ein Moskitonetz, das sie schützen könnte, besitzt sie nicht. "Ich hatte noch nie ein Netz", sagt sie. "Und als ich in der Klinik war, gab es keine mehr." Tsabdze räuchert die Hütte aus. Zwei Stunden später wird Pepsile Mamba ihr Domizil wieder betreten. Dass sie und ihr Säugling nicht mit dem Insektengift in Berührung kommen, ist eher unwahrscheinlich.

Die Malaria ausrotten

Auch sonst hat die Sorgfalt ihre Grenzen. Nach dem Sprayen soll eigentlich mehrere Stunden gründlich gelüftet werden. Doch das kontrolliert niemand. Zudem werden die kontaminierten Abdecktücher des Spraytrupps immer wieder aufs neue auf Betten und Sofas, Kissen und Decken gelegt, mal von oben, mal von unten. Am Ende des Tages sind sie Gift getränkt und eher eine DDT-Schleuder als ein Schutz vor dem Gift.

Auch sonst läuft nicht alles nach Plan. Längst nicht überall, wo die Spraykommandos anrücken, werden auch die versprochenen Netze ausgegeben. Mal kommen sie zu spät, mal gar nicht. "Stimmt", räumt Chef Kunene ein, "die Netze sollten längst da sein". Sind sie aber nicht, also wird es erst im nächsten Jahr wieder Netze geben.

Doch von solchen Kleinigkeiten lässt sich Kunene nicht beirren. Unbeirrt verfolgt er seine Mission weiter. Bis 2015, das ist sein Plan, soll die Malaria in Swasiland ausgerottet sein. Kunene: "Dann will ich in Rente gehen."

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