Malediven Blutige Hai-Metzelei im Inselparadies
Ein kleines Fischerboot treibt zwischen den palmengesäumten Inseln im Süd-Male-Atoll. Die beiden barfüßigen und braungebrannten Fischer holen ihre Fangleine ein, der abgerundete Kopf eines Schwarzspitzen-Riffhais kommt aus dem blauen Wasser. Dann folgt der graue Körper mit Brust- und Rückenflosse - er ist das eigentliche Ziel der Fischer.
Das Tier ist müde. Trotzdem schlägt es mit der Schwanzflosse panisch um sich, windet seinen Körper, verdreht sich - vergeblich. Einer der Fischer hebt eine verrostete Machete über seinen Kopf und schlägt zu: einmal, zweimal, dreimal. Die Rückenflosse ist ab. Dann die Brustflossen. Der blutende Hai wird wie Abfall über Bord geschmissen. Er sinkt taumelnd auf den Meeresgrund hinab, wo er langsam zugrunde geht.
Für viele Touristen mögen die Malediven ein Paradies sein, für Andreas Bode von der Haischutzorganisation sharkproject.org sind sie schlichtweg die Hölle: "Die Situation für die Haie rund um die Malediven ist katastrophal. Grundsätzlich sind an allen Stellen, an denen wir noch Haie beobachten können, die Populationen drastisch zurückgegangen." Und an den Orten, nahe der Touristeninseln, wo man früher noch viele Tiere sehen konnte, seien sie zum Teil gänzlich verschwunden.
Fast täglich Bilder getöteter Haie
Die Organisation hat der Regierung der Malediven bereits im Jahr 2004 den "Shark Enemy Award" verliehen, eine Trophäe, mit der die aus Sicht der Haischützer "verlogene Regierungspolitik" gebrandmarkt werden soll.
Bereits seit 1997 gibt es auf der Inselrepublik ein Gesetz, nach dem das Fischen und Finnen so nennt man die Abtrennung der Flossen innerhalb der Touristenatolle verboten sind. Für Andreas Bode eine Luftnummer: "Uns bei Sharkproject ist kein einziger Fall bekannt, in dem ein solches Vergehen durch einheimische Fischer jemals bestraft wurde." Die Realität sieht anders aus: "Uns erreichen fast täglich Bilder getöteter Haie."
Die Flossen landen meist in Suppentellern chinesischer Hochzeitsgäste oder auf asiatischen Fischmärkten, wo sie als Delikatesse gelten und mit rund 100 Dollar pro Kilo gehandelt werden. Getrocknet kostet das Kilo 1500 Dollar, weil die Flossen dabei etwa 90 Prozent ihres Gewichts verlieren. Manche Haie werden auch erst an Land gebracht und dort ihrer Flossen beraubt, ihre Gebisse enden dann als Andenken in Souvenirshops in der Hauptstadt Malé. Auch das Gesetz, was den Handel mit Flossen und Gebissen verbietet, existiert nur auf dem Papier.
Dabei ist der Verzehr von Haifleisch nicht ungefährlich: Als große Raubfische stehen sie am obersten Ende der Nahrungskette, in ihren Körpern finden sich große Mengen Methylquecksilber einer giftigen Verbindung. Der renommierte Toxikologe Hermann Kruse von der Universität Kiel bezeichnet Haifleisch als "hochgradig gefährlich" und rät deshalb dringend vor dessen Verzehr ab.
In einem intakten Riff spielt der lebende Hai dagegen eine wichtige Rolle: er jagt kranke und schwache Tiere, verhindert die übermäßige Ausbreitung kleinerer Raubfische und ist somit lebenswichtig für ein komplexes Ökosystem. Der weltweite Bestand an Haien ist in den vergangenen 15 Jahren laut Traffic, dem Überwachungsorgan des WWF, um mehr als 70 Prozent zurückgegangen. Jahr für Jahr sterben in den Weltmeeren mehr als 100 Millionen Haie meist durch Fischerei, als Beifang oder durch gezieltes Finning. Einige Haiarten, wie der Weiße Hai, gelten bereits als vom Aussterben bedroht.
"Sie haben Angst um ihr Leben"
Die Tauchschulen, Tauchführer und Reiseveranstalter auf den Malediven schweigen zumeist, wenn sie zu den Vorkommnissen befragt werden zu groß ist die Angst vor Repressalien durch die Behörden.
Wer auf den Malediven lebt, der weiß: In den Gefängnissen wird geschlagen und gefoltert, es kommt immer wieder zu ungeklärten Todesfällen. Die Inselrepublik wird seit drei Jahrzehnten von Präsident Maumoon Abdul Gayoom fast wie eine Diktatur regiert. Jede Kritik lässt er von seiner "Star Force Police" niederknüppeln.
Armin Süss, Geschäftsführer des Internet-Portals www.taucher.net , kennt die Problematik ganz genau: "Renommierte Unterwasserfotografen schicken uns immer wieder Bilder abgeschlachteter Haie. Meist möchten die Fotografen dabei namentlich nicht genannt werden, da sie weiterhin für Reisemagazine auf den Malediven tätig sind. Sie haben schlichtweg Angst um ihr Leben."
Die Regierung der Malediven scheint jeglicher Kritik gegenüber resistent zu sein, sie hat den für sie perfekten Urlauber längst woanders gefunden: Neue Luxustouristen aus China und Russland, denen Umwelt- und Haischutz gleichgültig sind.
Andreas Bode ist besorgt: "Solange der Tauchtourismus eine dominierende Rolle spielt, können wir immer mit dem Argument punkten, dass lebende Haie mehr wert sind als tote." In Ägypten beispielsweise, einem Land, in dem rund 300.000 Sporttaucher jährlich Urlaub machen, habe sich in Sachen Haischutz bereits einiges bewegt. "Von Seiten der maledivischen Regierung hören wir dagegen nur: Danke für den Hinweis, wir schauen mal, was wir tun können."
Als in England nach mehreren kritischen Medienberichten die Buchungen drastisch zurückgingen, handelte die Tourismusbehörde der Malediven: Im internationalen Nachrichtensender "BBC World" wurde vor und nach der täglichen Wettervorhersage einfach eine teure Werbung geschaltet: "Maldives - the sunny side of life".