
Gipfel-Marathon: Verhandlungen bis zur totalen Erschöpfung
Marathonsitzung Formulierungstrick rettet Klimagipfel - ein bisschen
Es ist ein formaler Trick, mehr nicht - und er soll dabei helfen, den Klimagipfel von Kopenhagen zumindest nicht ganz im Desaster zu Ende gehen zu lassen. Die Diskussionsleitung erklärte am Vormittag, das Gipfelplenum "nehme Kenntnis" von dem Mini-Kompromiss, der am Freitagabend von rund 30 Staats- und Regierungschefs vorgelegt worden war. Dem Dokument könnten sich all jene Staaten anschließen, die sich dafür entscheiden würden. Eine formale Abstimmung gab es nicht.
Damit wurde ein stundenlanger Stillstand aufgelöst. Weil die Weltklimakonferenz im Rahmen der Uno arbeitet, trifft sie ihre Beschlüsse im Konsensverfahren - oder gar nicht. Der wenig glücklich agierende dänische Premierminister Lars Løkke Rasmussen hatte in der Nacht ohne Erfolg versucht, zu einer Abstimmung zu kommen. Doch einige Entwicklungs- und Schwellenländer, angeführt vom pazifischen Inselstaat Tuvalu, wollen das Papier zu Fall bringen, das rund 30 Staats- und Regierungschefs, darunter die Führer der wichtigsten Staaten des Planeten, am Abend als Minimalkompromiss präsentiert hatten. Rasmussen hatte daraufhin die Konferenzleitung abgegeben. Noch ist unklar, wer die Leitung übernehmen wird.
Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon bemühte sich trotz des mageren Ergebnisses, möglichst ein Mindestmaß an Optimismus zu verbreiten. Auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz erklärte Ban, die Verhandlungen seien "sehr schwierig und komplex" gewesen und "ohne Vorbild in der Geschichte der Vereinten Nationen". Innerhalb von 48 Stunden habe er nur zwei Stunden geschlafen und kaum gegessen. In Kopenhagen habe nicht jeder das bekommen, worauf er gehofft habe.
Einigung auf Zwei-Grad-Ziel
Doch vier Grundforderungen an das Ergebnis von Kopenhagen seien aus seiner Sicht erfüllt, sagte der Uno-Generalsekretär: Alle Staaten hätten sich auf das Zwei-Grad-Ziel geeinigt, viele Länder hätten CO2-Reduktionen versprochen, der Waldschutz sei geregelt und Finanzhilfen für Entwicklungsländer seien auf den Weg gebracht: "Die Einigung wird gestützt durch Geld und die nötigen Mittel." Ban sagte, das Abkommen müsse in den kommenden Monaten in einen völkerrechtlichen Vertrag überführt werden.
"Obwohl ich zufrieden darüber bin, dass wir eine Einigung in Kopenhagen haben, sehe ich auch, dass es sich nur um den Beginn handelt. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung", so Ban. Man arbeite hart daran, einen völkerrechtlich bindenden Vertrag bis 2010 zu haben. Der Minimalkompromiss vom Freitagabend enthält allerdings keinen Zeitrahmen. "Ich kann nicht genau sagen, was der Zeitrahmen ist, aber wir werden unser bestes tun, es 2010 zu erreichen."
Für zweieinhalb Stunden waren die Beratungen am Samstagmorgen unterbrochen worden, in einem allerletzten Versuch, das komplette Scheitern des Gipfels noch zu verhindern. Der britische Umweltminister Ed Miliband hatte das beantragt - und darauf verwiesen, dass ohne ein Gipfeldokument auch keine Hilfen für Entwicklungsländer festgeschrieben würden.
Demütigung für die Staats- und Regierungschefs
Im Gipfelplenum hatte es zuvor massiven Widerstand gegen das Dokument mit dem vermeintlichen Mini-Kompromiss gegeben - unter anderem von Venezuela, Nicaragua, Kuba und Sudan. Zwischenzeitlich wurde darüber diskutiert, die abendliche Beschlussvorlage der Großmächte und einiger Partner zu einem reinem "Informationspapier" des Gipfels zu machen, einer besseren Fußnote. Das wäre eine Demütigung für die Staats- und Regierungschefs der einflussreichsten Länder der Erde. Die nun gefundene Sprachregelung verhindert den diplomatischen Super-GAU.
Am Samstagmorgen musste Rasmussen dann nach stundenlangen Verhandlungen eingestehen, dass das noch zuvor als Minimalkompromiss angesehene Papier der 30 auf dem Gipfel "nicht beschlussfähig" sei. Zuvor hatte Großbritannien noch versucht, durch einen Verfahrenstrick zumindest die Inhalte des Papiers zu retten. Der Präsident der Malediven, Mohamed Nasheed, hatte die Delegierten in einem letzten Redebeitrag noch einmal eindringlich aufgefordert, dem Abschluss trotz Bedenken doch zuzustimmen: "Bitte akzeptieren Sie diese Entscheidung, bitte behalten Sie dieses Dokument."
Geopolitische Machtspiele haben das verhindert. Die dänische Gipfelpräsidentschaft und die Großmächte dieser Welt haben den Widerstand der Entwicklungsländer unterschätzt. Die Verlierer sind die verwundbarsten Staaten der Erde - also diejenigen, um die sich alle Gipfelteilnehmer von Kopenhagen nach eigenem Bekunden am stärksten kümmern wollten. Zumindest ist ein komplettes Scheitern des Gipfels nun offenbar verhindert worden.