Massentod-Debatte Meteoritentreffer vor Indien soll Dinosaurier ausgelöscht haben

Ein gigantischer Meteoriteneinschlag vor Indien könnte die Dinosaurier getötet haben. US-Forscher glauben, im Meer einen riesigen Krater gefunden zu haben, der das belegen könnte. Doch einige Kollegen sind skeptisch.
Vermeintlicher Einschlagsort Shiva-Bassin: "Wenn wir richtigliegen, ist das der größte bekannte Krater unseres Planeten"

Vermeintlicher Einschlagsort Shiva-Bassin: "Wenn wir richtigliegen, ist das der größte bekannte Krater unseres Planeten"

Foto: GSA

Dinosaurier

Boulder - Die Frage, warum vor 65 Millionen Jahren die und mit ihnen drei Viertel aller Lebewesen verschwanden, bewegt Forscher seit Jahrzehnten. Mehrere Ansätze konkurrieren bei der Suche nach der Erklärung für das große Sterben, allen voran die Hypothesen von gigantischen Meteoriteneinschlägen und Vulkanausbrüchen mit dramatischen Folgen fürs Weltklima. Forscher um Sankar Chatterjee von der Texas Tech University in Lubbock werden am Sonntag auf dem Jahrestreffen der Geological Society of America  eine neue Theorie darüber vorstellen, was sich am Ende der Kreidezeit ereignet haben könnte.

Meteorit

Lange Zeit galt ein Einschlagspunkt nahe der mexikanischen Halbinsel Yucatán, der Chicxulub-Krater, als Beleg für einen katastrophalen Einschlag. Doch in den vergangenen Jahren waren immer mehr Zweifel daran aufgekommen, ob dieser tatsächlich für das Ende der Saurier verantwortlich war - oder ob er dafür schlicht zu früh auf die Erde krachte. Die Frage hat einen veritablen Forscherstreit ausgelöst, der bis heute nicht entschieden ist.

Chatterjee und seine Kollegen präsentieren nun mit dem Shiva-Bassin vor der Westküste Indiens ein mutmaßliches Zeugnis eines weiteren riesigen Einschlags. "Wenn wir richtigliegen, ist das der größte bekannte Krater unseres Planeten", sagt Chatterjee. Er glaubt, dass im Meer vor dem Subkontinent ein Meteorit mit bis zu 40 Kilometern Durchmesser eingeschlagen sein könnte. Damit wäre der Brocken mindestens viermal so groß wie der Chicxulub-Meteorit gewesen.

Die Folgen eines solchen Einschlags wären gigantisch gewesen. Die Erdkruste wäre beim Aufprall großräumig verdampft, extrem heißes Material aus dem Mantel wäre an die Erdoberfläche gelangt. Der Treffer könnte die Intensität vulkanischer Eruptionen des Dekkan-Trapp erhöht haben, glauben die Forscher. Dabei waren in weiten Teilen Westindiens große Mengen Flussbasalt entstanden. Noch heute zeugen zum Teil mehr als drei Kilometer dicke Basaltschichten von den Ereignissen, die ebenfalls mit dem Aussterben der Dinosaurier in Verbindung gebracht werden.

Seychellen

Durch den Einschlag, erklären Chatterjee und seine Kollegen, könnten auch die von der Indischen Platte abgebrochen sein. Das Problem: Der Mega-Impakt vor Indien ist nicht einfach nachzuweisen. Die Forscher glauben aber, Belege für ihre Theorie zu haben. Der äußere Ring des Kraters habe einen Durchmesser von 500 Kilometern. In der Mitte des Einschlagsgebiets gebe es eine kilometerhohe Erhebung am Ozeanboden. Das unterseeische Bergmassiv trägt den Namen Bombay High. Ein kleiner Teil des Impaktgebiets liegt den Wissenschaftlern zufolge nicht unter Wasser. An Land zeigten steile Klippen, aktive Störungszonen und heiße Quellen an, wo der Einschlag die dicke Granitschicht des Subkontinents vollkommen durcheinandergebracht habe.

"Das ist alles Unsinn"

Meteoriten

Die Forscher um Chatterjee wollen nun mit Gesteinsproben den endgültigen Beweis erbringen, dass es sich beim Shiva-Bassin um einen Impaktkrater handelt. Hinweise wären zum Beispiel auffällig große Mengen des Metalls Iridium, die mit einem auf die Erde gekommen sein könnten. Auch sogenannte Impaktbrekzien - Formationen, in denen Gesteinstrümmer in einer feinkörnigen Grundmasse liegen - wären wichtige Indizien.

Andere Fachleute äußern sich jedoch skeptisch. Gerta Keller von der Princeton University und Thierry Adatte Université de Neuchâtel - beide sind prominente Gegner der These vom Chicxulub-Einschlag - haben auf SPIEGEL-ONLINE-Anfrage eine gemeinsamen Stellungnahme verfasst. Darin lassen die Forscher, die den Dekkan-Vulkanismus als Erklärung für das Aussterben der Saurier favorisieren, an Chatterjees Arbeit kaum ein gutes Haar. "Das ist alles Unsinn", schreiben Keller und Adatte. "Wir haben einige Zeit in Indien verbracht, um diese Behauptungen zu überprüfen. Es ist uns in keinem Fall gelungen."

Chatterjees vermeintliche Belege seien in Wirklichkeit gar keine. So fehlten in den angeblich durch den Einschlag deformierten Quarzmineralien charakteristische Lamellen, die sich durch die Schockwellen einstellen müssten. Die Gesteine könnten deswegen auch vulkanischen Ursprungs sein. Und winzige Kügelchen aus verdampftem Felsmaterial, sogenannte Spherulen, die Chatterjee als Beleg anführe, stünden in keiner Beziehung zu irgendeinem Meteoriteneinschlag. Außerdem sei nicht klar, wie alt diese Kügelchen eigentlich seien. Der emotional geführte Streit um das Ende der Dinosaurier wird also weitergehen.

chs
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