
Mikroben-Zählung: Faszinierende Winzlinge der Weltmeere
Mikroben der Ozeane Forscher zählen die Winzlinge der Weltmeere
Sie sind winzig, aber sie sind viele. Mikroben machen 50 bis 90 Prozent der Biomasse in den Ozeanen aus. Bei diesem Volumen bringen sie in etwa so viel auf die Waage wie 240 Milliarden afrikanische Elefanten, rechnen die Forscher des International Census of Marine Microbes (ICoMM) vor.
Das Beispiel mag seltsam anmuten, aber es illustriert, wie wichtig die Winzlinge der Weltmeere für den Planeten sind - und wie wenig über sie bekannt ist. Mit traditionellen Forschungsmethoden wurden bisher rund 20.000 Arten von marinen Arten entdeckt. Doch neue Daten legen nahe, dass es viele, viele mehr gibt.
"Die Gesamtzahl der Arten, Bakterien und Einzeller eingeschlossen, liegt wahrscheinlich eher bei einer Milliarde", sagt John Baross von der University of Washington, Chef des wissenschaftlichen Beirats von ICoMM.
Die Volkszählung der Winzlinge ist ein Unterprogramm des "Census of Marine Life", für den Forscher seit zehn Jahren die Tierarten der Ozeane erfassen, und der im Oktober offiziell zu Ende geht. Doch während das Hauptprojekt mit teils spektakulären Bildern bizarrer Meeresbewohner auf sich aufmerksam machen konnte, haben es die Kollegen in der Abteilung Winzig schwerer: Bakterien, Zooplankton und Einzeller sind weit weniger leicht auszumachen.
Dennoch hat sich auf diesem Gebiet in jüngster Zeit eine Menge getan. "Auf keinem anderen Gebiet des ozeanischen Lebens hat die Zählung so große Entdeckungen mit sich gebracht wie in der Welt der Mikroben", sagt Mitch Sogin vom Marine Biological Laboratory in Woods Hole (US-Bundesstaat Massachusetts). Die Bestimmung von Zahl, Vielfalt und der Rolle von Ozeanmikroben könne entscheidende Einblicke in fundamentale Prozesse der Erde bieten - etwa "in die Größe, die Dynamik und Stabilität der Nahrungskette und des Kohlenstoffkreislaufs".
Die Winzlinge sind für 95 Prozent der Atmung der Ozeane verantwortlich: Sie nehmen Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf und verwandeln es in Kohlenstoff, der wieder in den Boden gelangt. Ähnliche Prozesse vollführen die Mikroben mit Stickstoff, Schwefel, Eisen, Mangan und anderen Elementen.
Unter den ICoMM-Entdeckungen befanden sich auch gewaltige Matten von Mikroben am Meeresboden. Eine, die sich vor der Westküste Südafrikas befindet, besitzt nach Angaben der Wissenschaftler die Fläche Griechenlands und gehört damit zu den größten lebendigen Massen der Erde. Die Forscher haben auch herausgefunden, dass einige Mikroben und Bakterien in Symbiose mit Meerestieren leben - etwa in deren Innereien oder auf der Haut.
Mit 2000 Wissenschaftlern aus rund 80 Staaten ist der International Census of Marine Microbes eines der größten Forschungsprojekte der Geschichte. Bisher wurden an mehr als 1200 Orten der Welt rund 18 Millionen Erbgutproben genommen. Und das ist erst der Anfang: Es könnten noch Hunderte Millionen neuer Mikroben-Spezies aufgespürt werden - "ein gewaltiges Arbeitsfeld für das nächste Jahrzehnt", sagt Baross.