Einzeller mit besonderen Kräften Mikroben erzeugen Sauerstoff in dunkler Tiefsee

Sonnenstrahlen dringen ins Wasser – doch auch in der dunklen Tiefsee wird Sauerstoff erzeugt
Foto: Dudarev Mikhail / iStockphoto / Getty ImagesIm tiefen, dunklen Wasser der Ozeane ist mehr los als gedacht. Selbst der für das Leben auf der Erde wichtige Sauerstoff, der hauptsächlich von Pflanzen, Algen und Cyanobakterien durch die Fotosynthese mithilfe von Licht erzeugt wird, entsteht dort, wo kein Sonnenstrahl hinfällt.
Von einigen Mikroorganismen war bereits bekannt, dass sie selbst Sauerstoff erzeugen können. Doch diese wurden nur in kleiner Zahl und außergewöhnlichen Lebensräumen gefunden. Ganz anders der Einzeller Nitrosopumilus maritimus, der zu den Ammoniak oxidierenden Archäen zählt: Diese sind im Meer praktisch allgegenwärtig. Ein Team um die Mikrobiologin Beate Kraft von der Süddänischen Universität in Odense hat die Mikroben im Labor getestet und erstaunliche Eigenschaften gefunden. Ihre Ergebnisse wurden nun in der Zeitschrift »Science« veröffentlicht. Beteiligt waren auch Forscher von der Universität Oldenburg und dem Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung.

Verborgene Stärke: Nitrosopumilus maritimus
Foto: Uni Oldenburg»Diese Kerle gibt es im Ozean wirklich in Hülle und Fülle«, erklärte Kraft laut einer Pressemitteilung der dänischen Universität. Laut ihrem Co-Autor Don Canfield sei jede fünfte Zelle in einem Eimer Meerwasser eine dieser Archäen. Sie spielen eine wichtige Rolle im Stickstoffkreislauf der Erde: Sie wandeln Ammoniak zu Nitrit um und helfen damit beim Abbau von Biomasse. Dafür brauchen sie Sauerstoff. »Deshalb war es seit Langem ein Rätsel, warum sie auch reichlich in Wasser vorkommen, wo es keinen Sauerstoff gibt«, so die Mikrobiologin Kraft.
In wenigen Minuten war verbrauchter Sauerstoff wieder da
Handelt es sich um eine Art Schläferzellen, die funktionslos durchs Wasser treiben? Um die Frage zu klären, prüften Kraft und ihre Kollegen die Archäen im Tank. Das überraschende Ergebnis: »Wir sahen, wie sie allen Sauerstoff im Wasser verbrauchten, und dann binnen weniger Minuten die Sauerstoffkonzentration wieder zunahm«, berichtete Canfield. Offenbar erzeugen die Mikroben den benötigten Sauerstoff selbst, wenn sie in sauerstoffarmes Wasser wie in der Tiefsee wechseln.
Viel ist es allerdings nicht, jedenfalls nicht genug, um zur Sauerstoffzufuhr in die Atmosphäre beizutragen. Die Archäen produzierten für den Eigenbedarf. Winzige Mengen, die darüber hinaus gingen, würden sofort von benachbarten Organismen verbraucht und daher nie den Ozean verlassen, erklärte Beate Kraft.
Eine wichtige Rolle für die Umwelt rechnet sie der besonderen Fähigkeit von Nitrosopumilus maritimus trotzdem zu. Denn die Produktion von Sauerstoff in dem nun entdeckten Prozess sei gekoppelt an die Produktion von gasförmigem Stickstoff. Damit werde der Umwelt bioverfügbarer Stickstoff entzogen. »Wenn diese Lebensweise in den Ozeanen verbreitet ist, müssen wir unser gegenwärtiges Verständnis des Stickstoffkreislaufs im Meer überdenken«, meint Beate Kraft.
Nun will sie das im Labor entdeckte Phänomen auch in sauerstoffarmen Gewässern in der Natur überprüfen. Im dänischen Mariagerfjord seien bereits Proben gesammelt worden. Vor den Küsten von Mexiko und Costa Rica gehe es weiter.