Milliardenschäden Katastrophenjahr 2004 bricht alle Rekorde

Erst wüteten Wirbelstürme und Erdbeben, dann rollte die Monsterwelle über den indischen Ozean. Für die Versicherungsbranche war 2004 das teuerste Jahr aller Zeiten - und das schon vor der Tsunami-Katastrophe mit zehntausenden Toten in Asien.

Die tödlichen Wellen von Südasien sind - gemessen an der Zahl der Todesopfer - das folgenschwerste Tsunami-Ereignis der Menschheitsgeschichte. Nach Angaben des Rückversicherungskonzerns Münchener Rück übertraf das Ereignis sogar die Überflutungen in Indonesien aus dem Jahr 1883, als 36.400 Todesopfer gezählt wurden. Im November 1755 starben mindestens 30.000 Menschen bei einem Erdbeben mit Tsunamis in Portugal und Marokko, mitunter wird auch die Zahl von 60.000 Opfern allein in Lissabon genannt.

Als schlimmste Naturkatastrophe der vergangenen 100 Jahre gilt laut Münchner Rück jedoch das Erdbeben in der chinesischen Region Tangshan im Juli 1976 mit einer Stärke von 7,8 auf der Richterskala. Damals kamen nach Behördenangaben 242.800 Menschen ums Leben.

Auch in diesem Jahr kam es neben der aktuellen Katastrophe in Südasien zu weiteren schweren Erdbeben. Nach den Zahlen der Münchener Rück starben am 24. Februar im Norden Marokkos 640 Menschen. Das Niigata-Beben in Japan verursachte vor zwei Monaten mit einer Stärke von 6,6 auf der Richterskala rund 30 Milliarden Dollar volkswirtschaftlichen Schaden. Damit liegt es auf Platz drei der teuersten Beben der Geschichte. Zudem kamen 40 Menschen ums Leben.

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Insgesamt starben 2004 nach Angaben der Rückversicherung mindestens 15.000 Menschen durch Wirbelstürme, Erdbeben und andere Naturkatastrophen, ohne dass dabei bereits die Folgen der Tsunamis in Südasien berücksichtigt waren.

Teuerstes Katastrophenjahr aller Zeiten

Selbst ohne die Schäden des Seebebens in Südasien war 2004 das teuerste Naturkatastrophenjahr aller Zeiten. Nach einer Bilanz der Münchener Rück kostete das Jahr die Versicherungswirtschaft rund 40 Milliarden Dollar (umgerechnet rund 30 Milliarden Euro). Mehr als 35 Milliarden Dollar davon gingen auf das Konto zerstörerischer Stürme. Die volkswirtschaftlichen Schäden verdoppelten sich im Vergleich zum Vorjahr und erreichten über 130 Milliarden Dollar.

Nach der Bilanz der Münchner Rück gingen von den rund 650 analysierten Ereignissen dieses Jahres etwa 80 auf das Konto geologischer Gefahren: 70 Erdbeben und zehn Vulkanausbrüche. Stürme und Unwetter machten etwa die Hälfte aller Ereignisse aus, waren aber für über 90 Prozent der gesamten versicherten Schäden verantwortlich.

Die karibischen Hurrikane "Charley", "Frances", "Ivan" und "Jeanne" richteten innerhalb weniger Wochen Rekordschäden für die Versicherungswirtschaft in Florida und der Karibik an. "Die Hurrikansaison 2004 ist mit fast 60 Milliarden Dollar volkswirtschaftlichen Schäden und über 28 Milliarden Dollar versicherten Schäden im Atlantikraum die bisher teuerste aller Zeiten", sagte Gerhard Berz, Leiter der Geo-Risiko-Forschung der Münchener Rück.

Auch in Deutschland verursachten schwere Unwetter Millionenschäden. Im Juli hinterließ ein Tornado in Duisburg, Oberhausen und Essen eine Spur der Verwüstung. Die Windhose zog von Duisburg über Rheinhausen nach Moers und kehrte anschließend ins Duisburger Zentrum zurück. Einen Monat zuvor hatte ein gewaltiger Wolkenschlauch den Ort Micheln in Sachsen-Anhalt regelrecht zerpflückt. Im Herbst zogen zehn Taifune mit Spitzengeschwindigkeiten von 270 Stundenkilometern auf die japanische Küste zu und hinterließen verwüstete Landstriche.

Klimaforscher schlagen Alarm

Forscher der Princeton University konnten zeigen, dass der Treibhauseffekt die Entstehung tropischer Wirbelstürme begünstigt, wie sie in Florida und Japan beobachtet wurden. Im August schlug die Europäische Umweltagentur (EUA) Klima-Alarm für Europa. Der Klimawandel werde dem Kontinent in den kommenden Jahrzehnten extreme Wetterkapriolen bescheren, schrieben die Forscher in einer Studie. Es drohten Stürme, Hochwasser, Dürren und Hitzewellen.

Eine solche Hitzeperiode hatte Mitteleuropa im Jahr 2003 erlebt, mehrere zehntausend Menschen starben damals. Britische Klimaforscher glauben, dass der Mensch die Katastrophe zu großen Teilen mit zu verantworten hat. Es bestehe eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 90 Prozent, dass der Hitzesommer 2003 kein Zufall war, sondern mindestens zur Hälfte auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurückgehe, sagte Peter Stott von der University of Reading. Die Modellrechnungen ergaben, dass die Umweltverschmutzung etwa durch Treibhausgase das Risiko extremer Hitzewellen mehr als verdoppelt habe.

USA zweifeln an Klimawandel

Einige Wissenschaftler sehen sogar Anzeichen für eine regelrechte Hitzespirale. Nach Aussagen des amerikanischen Klimaexperten Charles Keeling könnte die Erde am Beginn eines galoppierenden Treibhauseffekts stehen. Der Kohlendioxid-Gehalt der Atmosphäre sei in den vergangenen zwei Jahren sprunghaft gestiegen. Er vermutet, dass Ozeane und Wälder ihre Grenzen als Klimagas-Schlucker erreicht haben.

Konsequenzen aus den immer eindeutigeren Erkenntnissen werden jedoch längst nicht von allen gezogen. Die US-Regierung bezweifelt nach wie vor, dass die gestiegenen Emissionen auf der Erde etwas mit einem möglichen Klimawandel zu tun haben. 2001 waren die USA aus dem Kyoto-Protokoll ausgestiegen, in dem sich die Unterzeichner zur Reduzierung ihres CO2-Ausstoßes verpflichten.

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