Umstrittenes Herbizid Monsanto soll Studien zu Glyphosat gekauft haben

Glyphosathaltiges Pflanzenschutzmittel Roundup: Es sei mit Verlusten von bis zu 1,4 Milliarden US-Dollar zu rechnen, wenn das Mittel nicht mehr auf die Felder gesprüht werden dürfe.
Foto: JOSH EDELSON/ AFPDem Agrarkonzern Monsanto wird schon länger vorgeworfen, die Auseinandersetzung um Nutzen und Gefahren des Unkrautvernichters Glyphosat zu beeinflussen. Nun soll der Konzern auch in Deutschland zu unlauteren Mitteln gegriffen haben. Dies geht aus einem Bericht des WDR-Magazins "Monitor" hervor, der auf Recherchen der Organisation LobbyControl basiert. Demnach habe das Unternehmen, das inzwischen Teil des Bayer-Konzerns ist, in Deutschland heimlich wissenschaftliche Studien mitfinanziert.
Dabei gehe es um Daten des Instituts für Agribusiness in Gießen. Durchgeführt hatte die Untersuchungen der Agrarökonom Michael Schmitz. Der Forscher ist inzwischen emeritiert und lehrte bis 2015 an der Universität Gießen. Er war zudem als Sachverständiger für das Bundeslandwirtschaftsministerium tätig und arbeitete als Gutachter für die Deutsche Forschungsgemeinschaft.
Glyphosat - Das Wichtigste im Überblick
Behörden weltweit haben die Risiken von Glyphosat für die Bevölkerung bei sachgemäßer Anwendung geprüft. Zu einem Ergebnis, dass der Stoff nicht krebserregend sei, kommen unter anderem:
- das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
- die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa)
- die US-amerikanische Umweltbehörde EPA
- die kanadische Bewertungsbehörde Pest Management Regulatory Agency (PMRA)
- die australische Bewertungsbehörde Australian Pesticides and Veterinary Medicines Authority (APVMA)
- die japanische Food Safety Commission
- die neuseeländische Umweltbehörde EPA
- das Joint Meeting on Pesticide Residues (JMPR) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und
- die Europäische Chemikalienagentur (ECHA)
Glyphosat-Befürworter und -Gegner versuchen in der Debatte, ihre Interessen mit allen Mitteln durchzusetzen und die Gegenseite zu schwächen. Der Überblick:
- Glyphosat-Hersteller Monsanto hat offenbar versucht, die Entscheidungsfindung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) zu beeinflussen. Inwiefern das erfolgreich war, ist unklar. Auch wird dem Unternehmen vorgeworfen, Forschern für positive Glyphosat-Berichte Geld gezahlt zu haben. Das Unternehmen bestreitet das.
- Dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) werfen Umweltaktivsten vor, Passagen aus dem Zulassungsantrag von Monsanto kopiert zu haben. In der Einleitung der entsprechenden Kapitel wird allerdings angekündigt, dass im Folgenden Ausschnitte aus dem Antrag wiedergegeben werden und die Behörde, wenn nötig, ihre eigene Einschätzung ergänzt habe.
- An der glyphosatkritischen Bewertung der IARC ("wahrscheinlich krebserregend") war ein Sachverständiger mit Interessenkonflikten beteiligt. Christopher Portier erhielt mindestens 160.000 Dollar von US-Anwälten, die Monsanto im Auftrag potenzieller Glyphosat-Opfer verklagen.
- In einem Kapitel des IARC-Berichts wurde laut der Nachrichtenagentur Reuters zudem im Entwurfsstadium in mehreren Fällen die Einschätzung von Studien von "nicht krebserregend" in neutral oder positiv ("krebserregend") umgeändert. Die IARC bestreitet das.
Im Zusammenhang mit dem Insektensterben wird Glyphosat immer wieder genannt. Forscher hatten im Oktober 2017 eine viel beachtete Studie zum Schwund der Insekten in Deutschland veröffentlicht. Einen Beleg dafür, dass Pestizide die Ursache sind, fanden sie nicht - zumal die Untersuchung in Naturschutzgebieten stattfand.
Dass die konventionelle Landwirtschaft mit Monokulturen und Pestiziden eine Rolle beim Insektensterben spielt, liegt jedoch nahe. Das Problem auf Glyphosat allein zu reduzieren, greift allerdings zu kurz.
Im September 2018 haben Forscher in einer Studie gezeigt, dass Glyphosat die Darmflora von Bienen verändern kann. In einer Untersuchung von 2015, in der die Wirkung von 42 verbreiteten Pestiziden auf Honigbienen untersucht wurde, listeten Wissenschaftler Glyphosat dagegen auf Platz 42 - als im Vergleich am wenigsten toxisch.
Im Zusammenhang mit Glyphosat wird meist Monsanto als Hersteller genannt. Die Firma hat den Stoff in den Siebzigerjahren erstmals auf den Markt gebracht. Das Patent ist allerdings im Jahr 2000 abgelaufen. Monsanto, das inzwischen von Bayer aufgekauft wurde, ist bis heute mit einem Anteil von ungefähr 40 Prozent Marktführer. Neben dem Unternehmen bieten aber auch mehrere Dutzend weitere Firmen weltweit glyphosathaltige Herbizide an.
In Deutschland sind laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) derzeit 37 Mittel mit Glyphosat zugelassen, die unter 105 Handelsnamen vertrieben werden.
Pflanzen nehmen Glyphosat vor allem über die Blätter auf. Von dort gelangt der Wirkstoff in den ganzen Organismus und blockiert die Produktion von Aminosäuren. Dadurch stirbt die Pflanze ab. In Deutschland kommt Glyphosat auf den Acker, bevor die Nutzpflanze ausgesät wird. Sonst würde nicht nur das Unkraut, sondern auch die gesäte Pflanze absterben. Nur in Ausnahmefällen darf Glyphosat vor der Ernte eingesetzt werden.
2011 soll eine Studie unter der Beteiligung von Schmitz ergeben haben, dass durch den Verzicht auf Glyphosat erhebliche finanzielle Schäden entstehen. Es sei mit Verlusten von bis zu 1,4 Milliarden US-Dollar zu rechnen, wenn das Mittel nicht mehr auf die Felder gesprüht werden dürfe.
Eine weitere Untersuchung aus dem Jahr 2015 ergab, dass der Einsatz von Glyphosat ökologische Vorteile berge. Das Mittel schone den Ackerboden und senke den CO2-Ausstoß.
Der heutige Monsanto-Eigentümer Bayer habe laut LobbyControl außerdem eingeräumt, dass die Untersuchungen sogar von Monsanto beauftragt wurden. In den Studien wurde das jedoch nicht angegeben, obwohl die Nennung des Auftraggebers und die Form der Finanzierung bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen üblich ist. Interne Protokolle des Instituts für Agribusiness, das unter der Adresse der Hochschule als Forschungsverein auftritt, zeigten aber die Rolle von Monsanto.
Zudem sollen die Studien auf Fachtagungen teils auch als offizielle Ergebnisse der Justus-Liebig-Universität Gießen präsentiert worden sein. Die Untersuchungen wurden im Fachmagazin eines Bundesforschungsinstituts veröffentlicht und fanden auch Eingang in die Literaturliste des Bundestags.
Verbot ab 2023
Gegenüber LobbyControl wollte sich Schmitz offenbar nicht zu den Vorwürfen der verdeckten Finanzierung äußern. Bayer teilte mit, dass man zum jetzigen Zeitpunkt keinen Anlass habe, an den Methoden, Inhalten oder Ergebnissen der Studie zu zweifeln. Gleichwohl entspreche der fehlende Hinweis auf die Unterstützung durch Monsanto nicht den Grundsätzen von Bayer.
Die Bundesregierung will Glyphosat in Deutschland zum 31. Dezember 2023 verbieten. Bereits ab 2020 soll demnach mit einer "systematischen Minderungsstrategie" die Anwendung deutlich eingeschränkt werden. Geplant ist unter anderem, die Verwendung für Haus- und Kleingärten und öffentliche Flächen wie Parks zu untersagen.
Glyphosat wurde vom US-Saatgutkonzern Monsanto in den Siebzigerjahren auf den Markt gebracht und ist einer der am meisten verwendeten Unkrautvernichter, der inzwischen von vielen Unternehmen verkauft wird. Monsanto gehört mittlerweile zum deutschen Agrarchemie- und Pharmakonzern Bayer, der in den USA mit Tausenden Klagen wegen angeblicher Krebsrisiken glyphosathaltiger Herbizide konfrontiert ist.