Mysteriöse Riesenblase Was wabert da im Mittelmeer?
Das rätselhafte Gebilde hatte einen Durchmesser von ungefähr vier Metern und waberte in 22 Metern Tiefe. Am 9. Juli haben Taucher im Mittelmeer vor der türkischen Küste eine seltsame Riesenblase entdeckt. Die Begegnung war aufregend und beängstigend zugleich, berichten sie. Was ihnen da begegnet ist, konnten sie sich zunächst allerdings nicht erklären.
Mit der Taschenlampe leuchteten die Taucher in das autogroße Gebilde hinein. Zu erkennen war nicht viel, abgesehen von zahlreichen kleinen Pünktchen, wie ein Video der Begegnung zeigt. Weich habe sich die Blase angefühlt und gallertartig ausgesehen, sagte Filmer Lutfu Tanriover dem Portal "Deep Sea News" .
Eine erste Idee, um was es sich handeln könnte, kam von Michael Vecchione vom Smithsonian Museum of Natural History in Washington. Sein Vorschlag: Tintenfisch-Eier.
Fliegende Kalmare unter Verdacht
Vecchione ist spezialisiert auf Kopffüßer und hält einen Fliegenden Kalmar (Ommastrephes bartramii) für den Urheber. Die Tintenfische werden bis zu 1,5 Meter groß und können, wie einige andere verwandte Arten, mit ausgebreiteten Flossen und gestreckten Fangarmen meterweit über die Meeresoberfläche segeln. Allerdings ist die Art im Mittelmeer selten.
Auch andere Forscher sind sich sicher, dass in der Blase Tintenfischeier zu sehen sind. Auf eine Art wollen sie sich allerdings nicht festlegen.
"Das einzige, was wir sicher sagen können, ist, dass des Gebilde von einem Tier aus der Unterordnung der Oegopsina stammt", berichtet Fernando Ángel Fernández-Álvarez, der am Institut de Ciències del Mar (CSIC) in Barcelona seine Doktorarbeit über Kopffüßer schreibt. Allerdings gehörten zu Oegopsina viele Tintenfischfamilien, über die man nur wenig wisse.
So sei etwa der Pfeilkalmar (Todarodes sagittatus) ebenfalls ein guter Kandidat. Er kommt im Mittelmeer häufiger vor als der Fliegende Kalmar. Weibchen werden dort etwa 6,7 Kilo schwer. Allerdings hat man auch vom Pfeilkalmar in der Natur noch nie Eier gefunden. Mit Sicherheit klären ließe sich der Ursprung der Blase demnach nur durch die Analyse einer Probe.
Noch eine Riesenblase
Begegnungen mit großen Tintenfisch-Eiblasen sind extrem selten. Ein Team um die Meeresbiologin Danna Staaf von der Stanford University hat 2008 erstmals Eier eines Humboldt-Kalmars in freier Natur beschrieben. Die Art, die an der Pazifikküste Amerikas lebt, fabriziert demnach ähnlich große Eiblasen wie jene, die Taucher nun vor der türkischen Küste gefilmt haben.

Humboldt-Kalmar: Sie legen Eier mit einem Durchmesser von vier Metern
Foto: CorbisHumboldt-Kalmare werden gut zwei Meter lang, haben also eine ähnliche Größe wie die erwähnten Kalmare aus dem Mittelmeer. Und auch sonst gibt es Parallelen zur aktuellen Entdeckung: Die Forscher fanden die Blase damals in 16 Metern Tiefe. Sie hatte einen Durchmesser von drei bis vier Metern, ähnliche Konsistenz und Form.
"Die Eier waren in eine wässrige, gallertartige Matrix eingebettet", schreiben die Forscher im "Journal of the Marine Biological Association of the United Kingdom" . Die Wolke sei halbtransparent und leicht gräulich gewesen. Aus einer Probe errechneten die Forscher, dass zwischen 600.000 und 2 Millionen Eier darin steckten.
Je größer, desto sicherer
Die Größe der Blase dient wahrscheinlich dem Schutz der Jungen. "Bei einigen besser erforschten Kalmar-Arten ist das Eiablegen ein richtiges Gruppenevent", sagt Felix Mark, Meeresbiologe am Alfred-Wegener-Institut (AWI). In der Nordsee etwa legten die Weibchen einer Art ihre Eier gemeinsam in Gebinden an der gleichen Stelle ab. "Das sieht dann aus wie ein Flokati-Teppich unter Wasser."
Je größer die Gebilde seien, desto mehr Eindruck könnten sie auf Fressfeinde machen, so Mark. "Die große gallertartige Masse dient außerdem als Bakterienschutz."
Forscher vermuten außerdem, dass sich die Eigenschaften der großen Blasen im Laufe der Evolution so verändert haben, dass sie in Tiefen auf- oder absinken, in denen die Embryos möglichst große Überlebenschancen haben. An welchem Ort die Tintenfische die großen Eier zu Beginn ablegen, ist unklar.