Naher Osten Dem Gaza-Streifen geht das Wasser aus
Fast 1,2 Millionen Menschen auf 365 Quadratkilometern - der Gaza-Streifen ist eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt. Die dort lebenden Palästinenser beziehen einen Großteil ihres Trinkwassers aus dem Grundwasserreservoir an der Mittelmeerküste, das allerdings zunehmend ungenießbar wird. Im Rahmen des von der EU geförderten Projekts "Boremed" haben Geochemiker aus sieben Ländern, darunter Israel und Palästina, herausgefunden, dass der Grundwasserspiegel unter dem Gaza-Streifen durch den hohen Bedarf der Bevölkerung gesunken ist. Aus Israel sickert Grundwasser nach, das große Mengen an Salzen, Nitraten und Bor enthält und das Reservoir unter dem Gazastreifen kontaminiert.
Zahlreiche Brunnen entsprechen bereits nicht mehr internationalen Gesundheitsstandards, warnte Avner Vengosh von der israelischen Ben-Gurion-Universität. Und das Problem werde sich in Zukunft massiv verschärfen: Schätzungen zufolge wird sich die Bevölkerung des Gaza-Streifens bis zum Jahr 2010 auf rund 2,6 Millionen Menschen verdoppeln. "Das Problem ist nicht die Menge an Wasser, sondern seine Qualität", sagte Vengosh. "Es ist eine potenzielle Zeitbombe."
Brunnen sollen Salzwasser stoppen
Das Team hat auf Basis eines Grundwasser-Modells eine mögliche Lösung für das Problem gefunden: Würden mehrere große Brunnen an der östlichen Grenze des Gaza-Streifens gebohrt, könnte der Salzwasser-Strom aus Israel angezapft und sein Eindringen in das Süßwasser-Reservoir deutlich verlangsamt werden. Der Plan hätte laut Vengosh einen weiteren Vorteil: Das aus der Erde gesogene Wasser könnte in entsprechenden Anlagen entsalzt werden und stünde als zusätzliches Trinkwasser im Gazastreifen zur Verfügung.
"Aus israelischer Sicht gäbe es nichts zu verlieren", betonte Vengosh. Das Grundwasser, das durch dieses Vorhaben aus dem Boden geholt würde, sei ohnehin zu salzig, um ohne Aufbereitung von Nutzen zu sein. Ein solches Projekt könne auch ein politisches Zeichen setzen. "Es könnte die Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinensern antreiben", sagte der Forscher. "Wenn wir über Wasser reden, werden dadurch normalerweise Konflikte verschärft. Aber in diesem Fall würde niemand verlieren. Es wäre ein Mechanismus der Kooperation."
Ob ein solches Großprojekt aber von Tel Aviv genehmigt würde, erscheint fraglich. Israel verfügt in der Krisenregion über ein Trinkwasser-Monopol. Seit dem Sechstage-Krieg von 1967 kontrolliert es den Jordan und damit die Hauptwasserquelle Israels, der Palästinensergebiete, Jordaniens und Syriens. Der Fluss wird von Quellen auf den Golan-Höhen gespeist, die Israel ebenfalls im Sechstage-Krieg eroberte - und die Syriens einziger Zugang zum See Genezareth waren, aus dem Israel rund 40 Prozent seines Trinkwassers bezieht.
Wasserverschwendung in Israel
Dennoch geht Israel einem massiven Problem bei der Wasserversorgung entgegen. Seit dem Friedensvertrag von 1994 muss die israelische Regierung jährlich 50 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem See Genezareth an Jordanien liefern. In den heißen Sommermonaten verdunsten täglich mehrere hunderttausend Kubikmeter Wasser - der Pegel des Sees sinkt kontinuierlich.
Warnungen von Umweltschützern verhallen in Israel weitgehend ungehört. Stattdessen gehen Israelis nach wie vor äußerst großzügig mit Wasser um - etwa bei der Bewässerung von Grünanlagen oder beim Anbau von Früchten und Gemüse. Um die Bauern nicht zu vergrätzen, hält die Regierung den Wasserpreis niedrig - was Investitionen in Meereswasser-Entsalzungsanlagen verhindert, bei denen Israel ironischerweise technologisch führend ist. Israelische Haushalte in der Küstenregion und in den Siedlungen im Westjordanland benötigen täglich rund 250 Liter Frischwasser. Ein durchschnittlicher palästinensischer Haushalt verbraucht etwa 60 Liter. Die Weltgesundheitsorganisation nennt als Minimum für den täglichen Verbrauch 100 Liter.
Internationale Hilfsorganisationen kritisierten wiederholt die Wasserverschwendung insbesondere in den völkerrechtlich illegalen jüdischen Siedlungen in den besetzten Palästinensergebieten. "Die Swimmingpools und die sattgrünen Rasenflächen neben den darbenden palästinensischen Dörfern sind inzwischen fast sprichwörtlich", bemerkt etwa die Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges. Schätzungen zufolge wird im Jahr 2040 der Wasserbedarf in Israel, Jordanien und Palästina jährlich 6,5 Milliarden Kubikmeter betragen. Die bislang genutzten Quellen könnten nur drei Milliarden Kubikmeter liefern.