Schädlich für Bienen EU stimmt über Verbot von drei Pflanzenschutzmitteln ab

Am Freitag entscheiden die EU-Staaten, ob drei umstrittene Pflanzenschutzmittel weiter im Freiland verwendet werden dürfen. Die Insektizide können Bienen schädigen. Der Überblick.
Biene im Anflug auf eine Süßkirschblüte

Biene im Anflug auf eine Süßkirschblüte

Foto: Patrick Pleul/ dpa

In Europa ist die Zahl der Honigbienen über viele Jahre gesunken. Seither warnen Fachleute vor einem großen Bienensterben und wirtschaftlichen Einbußen durch den Wegfall der Bestäuber. Mitverantwortlich für den Bienenschwund machen sie unter anderem drei Stoffe aus der Gruppe der sogenannten Neonikotinoide.

Die Mittel schützen Pflanzen vor Schädlingen, können aber auch Bienen beeinträchtigen oder töten. Neonikotinoide sind die weltweit am häufigsten eingesetzten Insektizide.

Am Freitag stimmen nun die 28 EU-Mitgliedstaaten über ein Verbot der Stoffe im Freiland ab. Ursprünglich war das Treffen für Ende 2017 anberaumt worden, wurde dann aber verschoben, weil die Mitgliedstaaten eine neue Bewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) abwarten wollten.

Erklär-Animation: Wie kommt es zum Bienensterben?

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Um welche Stoffe geht es?

Neonikotinoide sind Insektizide. Sie sollen Pflanzen vor für sie schädlichen Insekten schützen. In der Europäischen Union (EU) sind dazu derzeit fünf solcher Stoffe zugelassen. In der EU-Abstimmung geht es um die drei Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam. Bereits 2013 hatte die EU für sie strengere Regeln erlassen, weil die Efsa die Substanzen als gefährlich für Bienen eingestuft hatte.

Wie werden Neonikotinoide bislang eingesetzt?

Landwirte nutzen die Mittel vor allem als Beizmittel, um Saatgut vor Insekten zu schützen. Beim Wachsen verteilen sich die Stoffe dann in der Pflanze - auch in Pollen und Nektar. Weil Neonikotinoide in den Pflanzen nur langsam abgebaut werden, schützen sie diese längere Zeit vor beißenden und saugenden Insekten wie etwa Schildläusen oder der Kirschfruchtfliege. Die Stoffe können auch auf Blätter gesprüht werden oder über das Bewässerungssystem in die Pflanzen gebracht werden.

Seit der Neuregelung 2013 dürfen Landwirte in der EU die drei umstrittenen Insektizide im Freiland nicht mehr bei von Bienen bevorzugten Pflanzen wie Mais, Raps, Sonnenblumen sowie beim Anbau von Kirschen, Äpfeln oder Gurken anwenden. Bei anderen Pflanzen sind die Neonikotinoide aber weiter erlaubt. So dürfen sie etwa in Weizen oder Gerste genutzt werden, wenn die Getreide zwischen Januar und Juni ausgesät werden. Auch in der Zuckerrübe dürfen sie eingesetzt werden, weil sie vor der Blüte geerntet wird.

Wie wirken die umstrittenen Insektizide?

Neonikotinoide schädigen das zentrale Nervensystem von Insekten, indem sie einen Rezeptor der Nervenzellen permanent stimulieren. Fressen die Insekten von der Pflanze oder saugen an ihr, führt das zu Krämpfen und zum Tod der Tiere. Sie können sich dann nicht ausbreiten. Bei Wild- und Honigbienen können Neonikotinoide Studien zufolge die Orientierungsfähigkeit einschränken oder sie in größeren Mengen lähmen oder töten. Für Wirbeltiere wie Vögel sind die Stoffe laut Efsa  dagegen nicht so giftig wie für Insekten.

Was will die EU nun ändern?

Die EU-Kommission hat angeregt, die drei umstrittenen Neonikotinoide künftig nur noch in Gewächshäusern zu erlauben. Im Freiland soll der Einsatz gänzlich verboten werden. Um den Vorschlag durchzusetzen, müssen am Freitag mindestens 16 EU-Staaten dafür stimmen, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren.

Welche Position vertritt Deutschland?

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hat bekräftigt, dass sie in Brüssel dem geplanten Freilandverbot zustimmen wird. "Was der Biene schadet, kommt vom Markt", versicherte Klöckner vor einigen Tagen im Bundestag. Ein Freilandverbot sei im Interesse der Natur, aber auch im Interesse der Landwirtschaft, denn auch sie sei auf die Bestäubungsleistung der Bienen angewiesen.

Welche Erkenntnisse hat die neue Efsa-Bewertung gebracht?

Im Wesentlichen hat die Efsa ihr Ergebnis von 2013 bestätigt: "Die Mehrzahl der Anwendungen von neonikotinoidhaltigen Pestiziden stellt ein Risiko für Wild- und Honigbienen dar", schrieb sie Ende Februar 2018 . Auf einer Übersichtsseite der Behörde zum Thema  heißt es: "Die derzeit noch mögliche Anwendung im Freiland kann im Hinblick auf Risiken für Bienen nicht länger als sicher angesehen werden."

Wie kommt die Efsa darauf?

Die Behörde hat seit 2013 weitere Daten gesammelt und die bei ordnungsgemäßem Einsatz erwarteten Konzentrationen der umstrittenen Neonikotinoide in Bienen ausgewertet. Die Menge verglich sie mit den Neonikotinoidmengen, die nachweislich Auswirkungen auf Bienen haben. Lag der erwartete Wert über dem unbedenklichen, bewertete die Behörde das Risiko für Schäden bei den Bienen als hoch.

Wie gefährlich sind die anderen zugelassenen Pflanzenschutzmittel?

Dem Neonikotinoid Acetamiprid bescheinigt die Efsa ein geringes Risiko für Bienen. Die EU-Zulassung wurde gerade bis 2033 verlängert.

Auch das Neonikotinoid Thiacloprid bewertet die Efsa als deutlich weniger schädlich für Bienen als die anderen drei Wirkstoffe. Allerdings steht der Stoff auf der Substitutionsliste der Europäischen Union, weil er hormonähnliche Eigenschaften besitzt. Das bedeutet, er darf nur weiter zugelassen werden, solange es keine bessere Alternative gibt.

Welche Alternativen gibt es zu den drei umstrittenen Substanzen?

Nach Einführung der strengeren Neonikotinoidregeln 2013 haben Forscher stichprobenartig untersucht , wie Landwirte darauf reagierten. Der Großteil stieg demnach auf noch erlaubte Neonikotinoide oder sogenannte Pyrethroide - eine andere Insektizidgruppe - zurück. Die Behandlung wurde von vielen Probanden als zeitaufwendiger, teurer und weniger effektiv empfunden.

Ohne Insektenschutz wird die Landwirtschaft nicht auskommen, wenn sie ihre Erträge erhalten möchte. Zum Vergleich: In der biologischen Landwirtschaft fällt der Ernteertrag laut Übersichtsstudien  im Schnitt um etwa 25 Prozent geringer aus als im konventionellen Anbau, obwohl auch Biolandwirte Schädlinge bekämpfen. Sie haben dafür allerdings weniger Mittel zur Auswahl. Ganz ohne Insektizide wäre der Verlust je nach Nutzpflanze und Schädlingsbefall deutlich höher.

Mit Material von dpa
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