Nette Primaten Schimpansen handeln uneigennützig
Viele Primaten helfen ihren Artgenossen, indem sie beispielsweise ihr Essen mit ihnen teilen, Trost spenden oder sich gegenseitig lausen. Die meisten dieser Verhaltensweisen sind nach Meinung von Wissenschaftlern jedoch keineswegs selbstlos: Der Helfer erwartet zumindest indirekt stets eine Gegenleistung. Jetzt aber haben deutsche Wissenschaftler in Experimenten festgestellt, dass Schimpansen auch zu echtem Altruismus fähig sind - und dass sich dieser sogar nicht einmal auf die eigene Art beschränkt.
Die Wissenschaftler um Felix Warneken vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben 36 in einem Reservat lebende Schimpansen und ebenso viele menschliche Kleinkinder im Alter von 18 Monaten beobachtet. Sie sollten einen Gegenstand aufheben und einer ihnen nicht vertrauten Person geben.
Der Test erfolgte unter verschiedenen Bedingungen: Entweder versuchte die Person den Gegenstand zu erreichen und schaffte es nicht, oder sie unternahm keinen solchen Versuch. Die Teilnehmer konnten zudem in einem Teil der Experimente eine Belohnung erwarten, im anderen Teil hingegen nicht.
Das verblüffende Ergebnis: Sowohl die Schimpansen als auch die Kleinkinder halfen der Person, sofern sie erfolglos versucht hatte, den Gegenstand zu erreichen - unabhängig davon, ob eine Belohnung zu erwarten war oder nicht, schreiben Warneken und seine Kollegen im Online-Fachmagazin "PLoS Biology" .
In einem weiteren Experiment waren die Versuchsbedingungen dieselben. Es wurden aber nur noch diejenigen Affen und Kinder getestet, die sich bereits im ersten Durchlauf als hilfsbereit erwiesen hatten. Allerdings mussten sich die Beobachteten diesmal stärker anstrengen, um an den Gegenstand zu kommen. Wiederum halfen sowohl die Kleinkinder als auch Schimpansen unabhängig von einer Belohnung. Die Forscher gehen deshalb davon aus, dass auch Schimpansen zu uneigennützigem Handeln bereit sind.
Widerspruch zu bisherigen Annahmen
Die Ergebnisse stehen nach Meinung der Forscher im Widerspruch zu bisherigen Annahmen, dass echter Altruismus nur beim Menschen vorkomme oder sich zumindest in wichtigen Punkten vom selbstlosen Helfen bei Tieren unterscheide. Die Ursprünge der menschlichen Selbstlosigkeit scheinen demnach früher in der Evolution entstanden zu sein als bisher vermutet und könnten beim letzten gemeinsamen Vorfahren von Menschen und Schimpansen liegen.
Warum die Erkenntnisse der Leipziger Wissenschaftler älteren Untersuchungen widersprechen, erklärt ein Kommentator der Fachzeitschrift: Frühere Studien belegten lediglich, dass Menschen Situationen erschaffen könnten, in denen Schimpansen eigennützig handelten. Dass Altruismus bei Tieren bisher nicht nachgewiesen worden sei, heiße nicht, dass es ihn nicht gebe. Diese Grundregel sei anscheinend von der wissenschaftlichen Lesart ignoriert worden, nach der menschlicher Altruismus absolut einzigartig sei.
Das alles bedeutet freilich nicht, dass Schimpansen den eigenen Vorteil mitunter auch mit recht brutalen Mitteln verfolgen. So wurden etwa Schimpansenweibchen bei der Tötung fremder Jungtiere beobachtet - vermutlich um die Konkurrenz um Futter und Paarungspartner zu entschärfen. Auch bei der Verfolgung ihrer sexuellen Ziele wenden Schimpansen gern Gewalt an.
mbe/ddp/dpa