Neue Studie Terroranschlag auf Atomkraftwerk Biblis würde Berlin bedrohen
Es wäre kein Super-GAU, der größte anzunehmende Unfall, sondern die Super-GAK - die größte anzunehmende Katastrophe: ein Terroranschlag auf ein Atomkraftwerk. Wie schlimm dieser Fall wäre und welche Atomkraftwerke die größten Risiken darstellen, hat nun das Öko-Institut untersucht. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer, der die Studie am Montag in Wiesbaden vorstellte, benannte das Atomkraftwerk Biblis A als "die größte anzunehmende Gefahrenstelle in Europa". Schon im Frühjahr hatte die Bundesregierung bestätigt, dass Biblis A gegen einen Flugzeugabsturz nicht ausreichend geschützt sei.
Auftraggeber der Studie ist Eurosolar, eine gemeinnützige Europäische Vereinigung, die sich zum Ziel gesetzt hat, atomare und fossile Energie vollständig durch erneuerbare Energie zu ersetzen. Hermann Scheer ist zugleich Präsident von Eurosolar. Laut Frankfurter Rundschau plant Scheer auch, nach der hessischen Landtagswahl im Januar Umwelt- und Wirtschaftsminister zu werden.
Der Zeitpunkt, zu dem die Studie veröffentlicht wird, ist brisant: Biblis A ist seit über einem Jahr abgeschaltet, weil in der Anlage Tausende falsch montierter Dübel ausgetauscht werden müssen. Ein Wiederanfahren von Biblis A und B wird für die nächsten Wochen erwartet.
Der radioaktive Fallout würde laut Scheer noch in 600 Kilometer Entfernung die Evakuierung ganzer Städte und Landstriche notwendig machen. Die Bevölkerung auf bis zu 10.000 Quadratkilometern Fläche müsste umgesiedelt werden. Nicht nur Städte im Rhein-Main-Raum, sondern auch Berlin, Paris oder Prag wären in diesem Fall bedroht. "Wir alle müssen wünschen, dass es zu so etwas nicht kommt", sagte Scheer.
Biblis A weniger als eine Flugminute von Frankfurt entfernt
Biblis A ist das älteste deutsche Atomkraftwerk und nur unzureichend gegen Flugzeugabstürze geschützt. Die Betonkuppel über dem Sicherheitsbehälter ist so dünn, dass sie auch dem Absturz kleinerer Maschinen nicht standhalten könnte. Ebenso wie Brunsbüttel, Isar 1 und Philippsburg 1, heißt es in der Studie. Neuere Atomkraftwerke, darunter Biblis B, sollten zumindest dem Einschlag eines Militärjets standhalten.
Scheer sagte, alle Überlegungen, einen Terrorangriff mittels eines entführten Passagierflugzeugs durch Abschuss abzuwehren, gingen bei Biblis A ins Leere. Das Atomkraftwerk sei weniger als eine Flugminute vom Frankfurter Flughafen entfernt, so dass für jede denkbare Gegenmaßnahme die Zeit nicht ausreiche. Die einzig denkbare Konsequenz aus dieser Situation sei es, den 1200-Megawatt-Reaktor nicht wieder ans Netz gehen zu lassen, sagte der SPD-Politiker: "Abschalten statt abschießen."
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hatte die Reaktorsicherheitskommission in einer Stellungnahme erklärt , die "deutschen Kernkraftwerke sind in einem unterschiedlichen Maß gegen Flugzeugabsturz geschützt". Neuere Kernkraftwerke mit der ersten Teilerrichtungsgenehmigung nach 1973, "gewährleisten einen ausreichenden Schutz gegen die Auswirkungen eines postulierten zufallsbedingten Absturzes einer schnellfliegenden Militärmaschine" - und damit auch gegen ein breites Spektrum ziviler Maschinen.
lub/AP