Recycling in Nigeria Blei aus Autobatterien vergiftet Dorfbewohner
Die Autohersteller Volkswagen, BMW, Daimler und Opel haben schwerwiegende Verstöße gegen Umwelt- und Menschenrechtsstandards in ihrer Rohstofflieferkette eingeräumt.
Grund sind Unregelmäßigkeiten bei der Beschaffung von Blei, das für die Produktion von Fahrzeugbatterien benötigt wird. Betroffen sind auch der weltgrößte Autobatteriehersteller Johnson Controls sowie die Recyclingfabrik Weser-Metall im niedersächsischen Nordenham.
Wie der SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, hat die Recyclingfabrik Everest Metal Nigeria Limited Umwelt- und Arbeitsschutzauflagen missachtet und ohne gültige Lizenz Blei exportiert. Es gelangte über einen britischen Agenten von Nigeria auch nach Deutschland.

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Everest hat seinen Standort im Dorf Ipetero im Süden von Nigeria, rund zwei Stunden von der Hafenstadt Lagos entfernt. Das Unternehmen, das zu einem indischen Konzern gehört, sammelt alte Autobatterien, legt das darin enthaltene Blei frei und gießt es zu Barren. Produktionsabgase und Abwässer werden ungefiltert ins Dorf entlassen. (Lesen Sie hier die ganze Geschichte bei SPIEGEL+)
Im Umfeld der Recyclingfabrik hatten Wissenschaftler im vergangenen Jahr extrem hohe Bleiwerte im Boden entdeckt. Sie lagen bei 320, 1900, 2700 und 130.000 Milligramm des Schwermetalls pro Kilogramm Erde. Der Grenzwert für Deutschland liegt in Wohngebieten bei 400 Milligramm pro Kilo.
Aktuelle Bluttests bei Freiwilligen in Ipetoro deuten zudem auf eine Vergiftung der Bevölkerung hin. Von 40 getesteten Dorfbewohnern hatten 39 mehr als zehn Mikrogramm Blei pro Deziliter Blut, was laut Weltgesundheitsorganisation als Schwelle für eine Vergiftung gilt. Erwachsene kamen auf durchschnittlich 21,1 Mikrogramm pro Deziliter, Kinder hatten ähnlich hohe Werte. Bereits fünf Mikrogramm können Herz- Kreislaufbeschwerden auslösen und die Immunabwehr herabsetzen.
"Zehn Mikrogramm führen auf die Dauer bei mindestens der Hälfte der Kinder zu Entwicklungsverzögerungen", sagt der Münchner Kinderarzt Tobias Eisenhut, der das Projekt ehrenamtlich betreute. Ein Zulieferer kam auf 50,6 Mikrogramm. Fünf Everest-Mitarbeiter hatten folgende Zahlen: 21,8 - 32 - 38,1- 41,4 und 42,3. Die höchsten Blutbleiwerte wiesen diejenigen auf, die direkt mit dem Schwermetall oder den Säurebatterien arbeiten.
Heimliche SPIEGEL-Aufnahmen im Innern der Fabrik offenbarten zahlreiche Verletzungen des Arbeitsschutzes. Die Arbeiter verfügen über unzureichende Schutzkleidung und auch keine Atemmasken in den gefährlichen Produktionsbereichen. Der Boden im Hof ist nicht asphaltiert, so dass auslaufendes Blei aus alten Autobatterien versickern kann. Der Drehrohrofen, in dem die Batterieschredder geschmolzen werden, enthielt keinen Abzug, so dass giftiges Gas entweichen kann.
Die deutsche Firma Weser-Metall, die wiederum den Batteriehersteller Johnson Controls beliefert, erklärte mit Blick auf seinen britischen Lieferanten WITL: "Von diesem kaufen wir kein Material mehr." Der Autobatterie-Hersteller Johnson Controls versicherte, "unverzüglich eine Untersuchung mit dem Lieferanten eingeleitet" zu haben.
VW kündigte an, künftig "alle unsere Lieferanten schon vor Vergabe mittels eines Nachhaltigkeits-Ratings zu bewerten". Opel teilte mit, man habe "angemessene Korrekturmaßnahmen" von Johnson Controls verlangt. Daimler wiederum gibt an, man habe eine "weitergehende Transparenzschaffung" vereinbart. Der Autozulieferer Bosch schrieb, er behalte sich vor, "von bestehenden Verträgen zurückzutreten".