Neues aus der Geoforschung Nördlichste Korallen entdeckt, Vulkan übertrifft Pest, getarnter Klimaforscher

Favia speciosa: Massive, braune Korallenriffe in kühlem Wasser
Foto: Kaoru SugiharaHamburg - Korallen vermutet man in den Tropen, in türkisem Meer. Nun jedoch haben Forscher in kühlem Wasser vor der Küste Japans ein Korallenriff entdeckt. Es handele sich um das bei weitem nördlichste Korallenriff der Welt, schreiben sie im Fachblatt "Geology". Das Riff liege vor der Insel Tsushima zwischen Japan und Südkorea (siehe Karte).
Die Entdeckung liefert ein neues Bild von Korallen: Die Unterwassergärten, so glaubte man bislang, benötigten klares Wasser und mindestens 18 Grad milde Umgebung, auch im Winter. Eine Ausnahme schienen lediglich Tiefwasserkorallen, die ohne Sonnenlicht sogar vor Norwegen gedeihen. Die Art vor Japan indes gedeihe auf gleiche Weise wie ihre tropischen Verwandten selbst bei 13 Grad in trübem Wasser, berichten die Wissenschaftler um Hiroya Yamano vom National Institute for Environmental Studies im japanischen Onogawa.
Das Riff bestehe großteils aus der Korallenart Favia, einer massiven braunen Sorte. Die meisten anderen Korallenriffe hingegen sind bunt und verästelt. Favia sei robuster, berichtet Yamano.
Doch auch eine Besonderheit des örtlichen Meeresklimas sichere das Überleben des Riffes an der extremen Stelle: Eine milde Südströmung transportiere offenbar Korallenlarven aus den Subtropen vor die japanischen Küste, meinen die Forscher. Vermutlich gebe es weitere Korallenriffe in hohen Breiten - die Fahndung kann beginnen.
Vulkan-Phantom übertrifft Pest-Epidemie

Vulkanausbruch in Island: Himmel auf Jahre verdunkelt
Foto: Jon Gustafsson/Helicopter.is -/ picture alliance / dpaIm Jahr 1258 stürzte ein Vulkanausbruch die Welt in eine Katastrophe. Schwefelnebel legte sich über Europa, Hungersnöte brachen aus, gewalttätige Sekten kamen auf. Es war die größte Eruption der vergangenen 10.000 Jahre - doch Forscher rätseln, wo sich der gigantische Lavaberg befindet. Kürzlich meinte ein Experte, den Phantom-Vulkan in Indonesien lokalisiert zu haben.
Die Auswirkungen der Eruption von 1258 waren womöglich deutlich schlimmer als angenommen. Forscher des Museum of London Archeology glauben, dass alleine in London ein Drittel der Einwohner dem Ausbruch zum Opfer gefallen sein könnten.
Die Wissenschaftler um Don Walker vom Museum of London Archeology gründen ihre Vermutung auf den Aufzeichnungen von Mönchen und den Funden mittelalterlicher Massengräber: Monatelang sei es kalt gewesen, notierte ein Mönch 1258: "Keine Blume, kein Keim ging auf; die Hoffnung auf Ernte war vergebens." 15.000 Menschen seien allein in London gestorben.

Massengrab in London: Opfer eines Vulkanausbruchs?
Der Bericht zeige, dass wohl eine dramatische Klimaverschlechterung das Sterben ausgelöst hat, erklärt Walker. Mittelalterliche Massengräber mit bis zu 18.000 Toten in London führt er der Zeitung "The Guardian" zufolge auf das Vulkan-Desaster zurück. Andere Experten werden die neue These nun prüfen müssen.
Ein Massengrab in London war bislang der Pestepidemie von 1348 zugeordnet worden. Doch neue Datierungen zeigten ein deutlich älteres Datum im 13. Jahrhundert, berichtet Walker. Folglich komme der Vulkanausbruch im Jahr 1258 als Auslöser in Frage.
Die Aschewolke des unbekannten Vulkans habe sich vermutlich für Jahre in hohen Atmosphäreschichten halten können, meint jedenfalls der Geologe Bill McGuire vom University College in London. Die Welt sei um durchschnittlich vier Grad abgekühlt. Vielerorts wäre demnach die Ernte ausgeblieben, und die winterliche Kälte könnte ungewöhnlich lange gedauert haben.
Getarnter Klimaforscher sorgt für Aufregung

Richard Muller mit seiner Tochter Elizabeth: Forscher mit großem Renommee
Foto: Paul Sakuma/ APEs war ein Medienclou: "Nennen Sie mich einen konvertierten Skeptiker", schreibt der Klimaforscher Richard Muller in einem viel beachteten Aufsatz in der "New York Times" . Zahlreiche Medien weltweit haben den Artikel übernommen. Die angebliche Bekehrung des Wissenschaftlers bot ein leicht verdauliches psychologisches Argument anstatt zahlenlastiger Studien - der Text eignete sich scheinbar, das komplexe Klimathema auf den Punkt zu bringen.
Muller berichtet in seinem Aufsatz, dass ihn neue Daten überzeugt hätten, seine Skeptikerposition zum Klimawandel aufzugeben: Entgegen seiner vorherigen Ansicht sei er nun überzeugt, dass Kohlendioxid aus Abgasen die Klimaerwärmung hauptsächlich verursacht hätte.
Doch der Clou erweist sich bei genauer Betrachtung als Täuschung: Bei Muller handelt sich nämlich keineswegs um einen ehemaligen Klimaskeptiker, der gerade seine Meinung geändert hätte. Bereits 2003 schrieb er in "Technology Review" , er sei der Meinung, dass "Kohlendioxid aus Abgasen fossiler Energiequellen die größte Verschmutzung in der Menschengeschichte ist". Es sei wahrscheinlich, dass CO2 "schwere und schädliche Effekte für das globale Klima" haben werde.
"Skeptiker" und "Warner"
So bleibt von Mullers weltweit beachtetem Aufsatz nur die Erkenntnis, dass ein weiterer Klimaforscher vor den Folgen des CO2-Ausstoßes warnt. Seine neuerliche Mahnung gründet auf den Auswertungen globaler Temperaturmessungen des sogenannten Best-Projektes ("Berkeley Earth Surface Temperature"), die eine weltweite Erwärmung der bodennahen Temperatur um knapp ein Grad in den vergangenen 50 Jahren ergeben hatte.
Die Erwärmung lasse sich nur mit der Zunahme des Treibhausgases CO2 erklären, meinen Muller und viele seiner Kollegen - andere Klimaeinflüsse hätten sich nicht so drastisch verändert, um genügend Einfluss haben zu können. Ein ungebremster CO2-Anstieg würde die Luft weiter aufwärmen, folgern die Forscher. Würde der CO2-Ausstoß in China weitergehen wie bisher, könnte sich das Klima sogar in nur 20 Jahren um ein weiteres Grad aufheizen, meint Muller. Die Prognose ist pessimistischer als die des Uno-Klimarates.
Die Klimaforscherin Judith Curry vom Georgia Institute of Technology in den USA jedoch wollte diese Schlussfolgerungen nicht mittragen, sie legte ihre Autorenschaft am Best-Projekt nieder. Curry hat sich einen Namen gemacht als "Klima-Realistin" - sie kämpft gegen die Polarisierung der Klimaforschung in "Skeptiker" und "Warner".