Online-Projekt Freiwilligen-Heer soll Klimawandel berechnen

Handschuhe oder Badehose? Trotz komplizierter Klimamodelle kann bis heute niemand vorhersagen, wie sich das Klima langfristig entwickeln wird. Britische Forscher wollen dies nun mit Hilfe eines Heers von Freiwilligen schaffen, die ihre Privat-PCs rechnen lassen.

Computernutzer auf der ganzen Welt können sich ab sofort ein Klimamodell von einer britischen Website herunterladen und auf ihrem Rechner testen. Das Online-Projekt, das am Freitag im Londoner Science Museum sowie beim British Association Science Festival in Salford gestartet wurde, soll helfen, globale Klimaentwicklungen genauer zu prognostizieren.

Bisher standen die Wissenschaftler vor dem Problem, komplizierte Klimamodelle nicht ausreichend überprüfen zu können, da ihnen die technischen Möglichkeiten dafür fehlten - sie hatten zu wenig leistungsfähige Computer. Die Modelle müssen möglichst häufig getestet werden, um relevante Aussagen über die Wahrscheinlichkeit der errechneten Klimaentwicklung treffen zu können.

Nun hoffen die Forscher, die bisherigen technischen Grenzen überwinden zu können. Je mehr Menschen das Modell auf ihrem eigenen Rechner testen, desto genauer kann das globale Klima prognostiziert werden.

Jedes einzelne Klimamodell, das herunter geladen wird, arbeitet mit einem leicht veränderten Regelwerk. Während des Tests wird ein Zeitraum von 15 Jahren simuliert, um die Stabilität der Regeln zu überprüfen. Außerdem wird für den gleichen Zeitraum ein Szenario mit den heutigen klimatischen Bedingungen und eines mit einer erhöhten Konzentration an Treibhausgasen nachempfunden.

Die Forscher erhoffen sich davon eine bessere Einschätzung einiger wichtiger Klima-Parameter wie der Temperaturerhöhung. Die Tests könnten auch dabei helfen, die Regeln herauszufinden, nach denen Mikroprozesse funktionieren, die einen großen Einfluss auf das Klima haben.

"Während schon früher viele Modellstudien plausible Voraussagen zum Klimawechsel gemacht haben, ist es bisher nicht möglich gewesen, die Wahrscheinlichkeit dieser Prognosen zu bestimmen", sagte der Leiter der Studie, David Stainforth, gegenüber der BBC. "Wir hoffen, nun zum ersten Mal sagen zu können, wie sich das Klima entwickeln und vor allem, wie es sich nicht entwickeln wird."

Die Nutzung des "verteilten Rechnens", der weltweiten Zuhilfenahme von PCs freiwilliger Teilnehmer, ist kein Novum in der Forschung. Wissenschaftler des Seti-Projekts waren die ersten, die bei der Suche nach Signalen von intelligenten Lebensformen im All ein großes Heer von Freiwilligen rekrutierten. "Solche Projekte haben hunderttausende Teilnehmer angezogen", sagte Myles Allen, ein Klimaforscher vom Rutherford Appleton Laboratory bei Oxford und Begründer der neuen Studie, gegenüber dem Online-Wissenschaftsdienst "Nature Science Update".

Die erste Phase des Experiments soll bis zum Jahresende andauern, mit ersten Ergebnissen rechnen die Forscher zu Beginn des nächsten Jahres. Nach der Computervirenflut der vergangenen Wochen befürchten die Wissenschaftler allerdings Schwierigkeiten, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. "Wir glauben, dass es nahezu unmöglich ist, sich durch das Herunterladen der Software einen Virus einzufangen", sagte eine am Projekt beteiligte Forscherin. "Aber es wird schwierig werden, die Öffentlichkeit zu überzeugen."

Mehr lesen über

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren