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Nationalpark auf Sumatra: Bukit Tigapuluh darf nicht sterben

Foto: Guthier/ ZGF

Orang Utans auf Sumatra Letzte Rettung für Abel und seine Brüder

Der Dschungel von Bukit Tigapuluh ist einer der letzten Tieflandregenwälder Sumatras, Zufluchtsort für Orang-Utans, Tiger und Elefanten. Nun wollen Papierfirmen angrenzende Flächen in Baum-Plantagen umwandeln. Es gibt nur eine Chance, das bedrohte Ökosystem zu retten.
Von Simone Utler

Abel schwingt sich von einem Baum zum nächsten, das orangerote Haar flattert dem Orang-Utan-Männchen um den Körper. Er hält inne, knabbert an einem Ast, guckt noch einmal in Richtung der Kamera. Die meiste Zeit seines Lebens wurde Abel als Haustier gehalten, seit wenigen Wochen lebt der neun Jahre alte Menschenaffe in Freiheit, im Regenwald von Bukit Tigapuluh.

Leicht geschwungene Hügel, gewaltige Bäume, dichtes Blätterwerk zeichnen den mitten auf Sumatra gelegenen Nationalpark aus. Bukit Tigapuluh - das bedeutet: 30 Hügel - ist einer der letzten Tieflandregenwälder der indonesischen Insel mit einer immensen Artenvielfalt: Neben den Orang-Utans leben hier auch Tiger, Elefanten, Malaienbären, Tapire sowie unzählige Vogel- und Insektenarten.

Doch der rund 3200 Quadratkilometer große Wald in der Provinz Jambi ist in akuter Gefahr. Lediglich ein Drittel ist als Nationalpark gesichert, der Großteil besitzt jedoch keinen Schutzstatus. Papier- und Palmölkonzerne wollen die an den Nationalpark grenzenden Gebiete roden und Plantagen anlegen. Gerade werden die dazu nötigen Konzessionen verteilt.

"Es ist ein Wettlauf mit der Zeit", sagt der Biologe Peter Pratje von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF) , die in Bukit Tigapuluh eine Auswilderungsstation für Orang-Utans betreibt und für den Erhalt des einzigartigen Lebensraums kämpft.

Pratje sieht nur eine Chance: Die ZGF muss die Konzessionen selbst erwerben und den Kahlschlag verhindern. Dazu muss eine Firma gegründet, ein Nutzungsplan erstellt und ein Batzen Geld aufgebracht werden. 1,5 bis 2 Millionen Dollar sind für die Konzessionen des insgesamt 1300 Quadratkilometer großen Gebietes nötig - die Regierung fordert im Vorfeld die Steuern für die nächsten 60 Jahre. Die ZFG sammelt gerade Spenden und erstellt einen Nutzungsplan. Immerhin besteht der rechtliche Rahmen die Lizenzen als "Ecosystem Restoration Concessions" zu erwerben, also zur nichtkommerziellen Nutzung, beispielsweise für Aufforstung, Öko-Tourismus oder Auswilderung.

Kahle Flächen, nackte Erde, einheitliche Baumplantagen

Auf Sumatra verschwindet Tropenwald in bedrohlichem Tempo. Bis in die fünfziger Jahre war die Insel komplett bewaldet, mehr als 470.000 Quadratkilometer intaktes Ökosystem. Heute ist weniger als ein Drittel des Waldbestandes übrig, davon stehen lediglich 29 Prozent unter Schutz. Zunächst wurden aus den Wäldern die Edelhölzer geholt, dann kam der Kahlschlag für Monokulturen.

Sogar geschützte Wälder verschwinden dem Center for International Forestry Research (CIFOR)  zufolge in rasantem Tempo. "Für eines unserer Forschungsprojekte haben wir in der Provinz Jambi unberührten und vollkommen intakten Wald gesucht - haben außerhalb der geschützten Tiger-Reservate aber keinen gefunden", sagt Louis Verchot vom CIFOR. Sogar in den Nationalparks sei es schwer, noch ursprüngliche Flora zu finden.

"Das Grundproblem ist, dass die indonesische Forstwirtschaft keine Langzeitplanung für Holzwirtschaft hat", sagt Pratje, der gerade von Sumatra zu Besuch in Deutschland ist. Die meisten Konzessionen, die in den vergangenen Jahrzehnten zum Holzschlagen vergeben worden waren, seien jetzt ausgelaufen - und eigentlich müsste man den Wäldern eine Ruhephase von 30 Jahren gönnen. "Doch Indonesien vergibt die ehemaligen Holzkonzessionen zur Konvertierung in industrielle Plantagen."

Auf großen Flächen werden Palmen zur Ölgewinnung angebaut, rund um Bukit Tigapuluh überwiegen industrielle Akazienplantagen für die Papier- und Zellstoffproduktion. "Seit drei bis vier Jahren werden die Naturwälder hier komplett niedergeschlagen", sagt Pratje. Während der Waldschwund sich in aller Welt verlangsamt, sind in Indonesien laut Uno-Landwirtschaftsorganisation FAO in den vergangenen fünf Jahren jährlich 6650 Quadratkilometer abgeholzt worden - doppelt so viel wie in den fünf Jahren davor.

Die Bilder sind erschreckend: kahle Flächen, nackte Erde, einheitliche Baumplantagen - so weit das Auge reicht.

Für Orang-Utans wie Abel sind diese Monokulturen verheerend: Die Plantagen kommen als Lebensraum nicht infrage, sie bieten keine ausgewogene Nahrung. Verirrt sich ein Affe dahin, wird er meist von den Plantagenwachen als Eindringling abgeknallt.

"Ein Juwel wird zerstört"

Auf anderen indonesischen Inseln stellt sich die Situation ähnlich dar. Laut CIFOR verliert Indonesien jedes Jahr rund 1,2 Millionen Hektar Wald. Dem WWF zufolge droht der Tieflandregenwald auf Borneo bis 2020 vollständig abgeholzt zu sein. Die Naturschützer haben Satellitenaufnahmen der Jahre 2003 bis 2008 ausgewertet und festgestellt, dass pro Jahr mehr als eine Million Hektar Wald verschwindet. Indonesien gehöre zu den Regionen mit der höchsten Biodiversität überhaupt, sagt Pratje, "aus Naturschutzsicht das ein absolutes Juwel, was hier zerstört wird".

Die ZGF und der WWF haben als einen der Übeltäter mit Asia Pulp & Paper (APP)  einen der größten Papierproduzenten weltweit ausgemacht. Untersuchungen der Umweltschützer  zufolge durchforsten APP-nahe Firmen seit 2004 die Region systematisch nach inaktiven Holzkonzessionen, um diese in Akazienplantagen umzuwandeln.

Der Papiergigant, der auf seiner Website mit Bildern von dichtbewachsenen grünem Regenwald und Vogelgezwitscher wirbt, behauptet hingegen, keine für den Naturschutz wertvollen Wälder abzuholzen. "Alle Konzessionen von APP-Holzlieferanten in Jambi und anderen Regionen Indonesiens wurden unter absoluter Einhaltung der staatlichen Vorgaben zur Planung und Genehmigung erlangt", erklärte eine Sprecherin gegenüber SPIEGEL ONLINE. APP gehe allen Berichten der Umweltschutzorganisationen auf den Grund und habe eine "Null-Toleranz-Politik" bei illegalen Abholzmethoden.

Orang-Utans gehen in die "Dschungelschule"

Die Zoologische Gesellschaft Frankfurt und mit ihr Peter Pratje kamen 1998 nach Bukit Tigapuluh, um eine überlebensfähige Orang-Utan-Population aufzubauen. Das Gebiet eignet sich wegen der Fruchtbaumdichte gut für die Menschenaffen und sollte ihnen einen langfristigen Lebensraum bieten. Im Norden Sumatras, wo noch rund 6000 wilde Orang-Utans zu finden sind, schrumpft der Lebensraum durch Kahlschlag und Plantagenanbau, aber auch Erdbeben und Tsunamis gefährden die Population.

Rund 200 Orang-Utans, die damals ein Dasein als illegal gehaltene Haustiere fristeten, wurden konfisziert und nach Quarantäne und Gesundheitscheck zu Pratje gebracht. Noch heute kommen jedes Jahr rund 20 Tiere in die Auswilderungsstation. Dort werden sie aufgepäppelt und in der "Dschungelschule", wie Pratje es nennt, auf die Wildnis vorbereitet. "Viele sind so auf einen Haushalt fixiert, dass wir ihnen beibringen müssen, wie sie im Dschungel überleben." So nehmen die Pfleger auch schon mal selber ein Termitennest an den Mund, um den Tieren zu zeigen, was in der freien Wildbahn die Mutter übernommen hätte.

130 Tiere hat das Team in zehn Jahren ausgewildert. Die ersten Jungen wurden in Freiheit gezeugt, für die nächsten Jahre rechnet Pratje mit einem regelrechten Babyboom.

Wichtige Pufferzone

Derzeit können sich die Tiere in dem Nationalpark ungestört entwickeln. Illegale Landnahme, Holzdiebstahl, Wilderei, all diese Bedrohung finden in den angrenzenden Wäldern statt. "Fallen diese ökologischen Pufferzonen weg, verlagern wir die Probleme automatisch in den Park", so Pratje. Er rechnet damit, dass dann lediglich 30 bis 50 Prozent des Naturschutzgebietes noch als solches erhalten blieben.

Die Orang-Utans kämen damit wohl noch am besten klar. Fatale Folgen hätte ein Wegfall der angrenzenden Gebiete laut Pratje für die rund 150 Sumatra-Elefanten, die überwiegend in diesen flachen Gebieten statt im hügeligen Park leben, und die etwa 30 Tiger. Der Wald rund um den Nationalpark wird von internationalen Wissenschaftlern als einer der 20 wichtigsten für das Überleben des Tigers eingestuft. Der Nationalpark in seiner jetzigen Fläche wäre nicht mehr groß genug für eine überlebensfähige Tiger-Population.

Trotz all der düsteren Aussichten - Pratje ist optimistisch, die Konzessionen zu bekommen. Er setzt auf die Macht der Öffentlichkeit und aktuelle politische Bewegungen. Indonesien habe in Cancun von Norwegen eine Milliarde US-Dollar für Klimaschutz angeboten bekommen, Obama habe bei seinem Besuch mehrere Hundert Millionen in Aussicht gestellt.

mit Material der dpa
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