Paarung Froschmännchen müssen alle Sinne ansprechen

Erfolgreicher Flirt: Dieses Tungara-Frosch-Paar baut ein Schaumnest für seine Eier
Foto: CorbisIm Wettstreit um die Gunst des auserwählten Weibchens ist der Kehlsack ein wertvolles Mittel. Aufgebläht verstärkt er nicht nur das Gequake. Er sorgt auch dafür, dass das Weibchen den Umwerbenden besser wahrnimmt. Denn solche optischen Reize beeinflussen offenbar, wie Paarungsrufe wirken, berichten US-amerikanische Forscher jetzt im Fachmagazin "Science" .
Das Team um die Biologen Ryan Taylor von der Salisbury University und Mike Ryan von der University of Texas in Austin hat das Paarungsverhalten des Tungara-Frosches (Engystomops pustulosus) untersucht. Die Weibchen der hauptsächlich in Süd- und Mittelamerika verbreiteten Art sind wählerisch. Sie suchen sich ihren Partner nach der Attraktivität seiner Lockrufe aus. Während der Paarungszeit rufen die Männchen nachts vom Wasser aus – in einer komplexen Lautfolge, die sich aus zwei prägnanten Rufen zusammensetzt: einem wimmerartigen Laut (whine), gefolgt von einem kurzen, einsilbigen Quaken (chuck).
Genau diese Kombination aus Wimmern und Quaken scheinen die Froschweibchen am attraktivsten zu finden. Spielten die Wissenschaftler ihnen ein isoliertes chuck vor, ließ das die Weibchen völlig kalt. Auch ein whine allein hatte keine sonderlich anziehende Wirkung. Und offensichtlich beeinflusst auch der zeitliche Abstand der Töne deren Attraktivität: Liegt zwischen Wimmern und darauffolgendem Quaken eine Pause, nehmen die Weibchen den Ruf ebenfalls nicht mehr als attraktiv wahr.
Attraktive Froschattrappe
Wird die Lücke aber durch einen optischen Reiz überbrückt, bringt das das Froschweibchen so in Wallung, als hätte es die Pause zwischen den Rufen gar nicht gegeben. Das konnten die Wissenschaftler mit einem einfachen Experiment belegen. Sie setzten Tungara-Weibchen vor zwei Lautsprecher. Aus beiden ertönte der wimmerartige Ton und nach längerer Pause dann das kurze Quaken. Vor einem der Lautsprecher aber ahmte eine Froschattrappe zusätzlich nach, wie sich der Kehlsack beim Rufen mit Luft füllt und wieder leert.
Die Weibchen mussten sich dann entscheiden. Vierzehn von zwanzig Fröschen näherten sich in dem Versuch dem Lautsprecher mit dem Froschroboter: Zwei eigentlich unattraktive Laute nahmen sie in Kombination mit dem visuellen Kehlkopfsignal plötzlich als attraktiv wahr. Und das, obwohl der Ruf in dieser zeitversetzten Form in der Natur gar nicht vorkommt. "Das ist ein sehr beeindruckendes Beispiel dafür, wie verschiedene Sinneseindrücke die Wahrnehmung von Signalen beeinflussen", kommentiert Henrik Brumm, Verhaltensbiologe und Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen.
Die Studienautoren Taylor und Ryan glauben: Ähnlich wie Menschen, die einzelne abgehackte Töne als einen durchgehenden Ton hören, wenn die Lücken mit einem Rauschen gefüllt sind, füllt der Kehlsack die Lücke zwischen beiden Rufen – der Lockruf wird damit für das Weibchen verständlich. Dieses Phänomen nennen die Forscher "perceptual rescue" (deutsch: Rettung der Wahrnehmung).
Das Cocktailparty-Problem
Das könnte in der Paarungszeit wichtig sein – weil dann viele Frösche gleichzeitig rufen und es dem Weibchen schwer fällt, jeden Ton der richtigen Quelle zuzuordnen, vermuten die Biologen. Der Kehlsack dient dann als unterstützendes Signal, ähnlich menschlicher Lippenbewegungen, die uns auf einer lauten Cocktailparty helfen, einem einzelnen Gesprächspartner zu folgen.
Kombinierte Signale, die verschiedene Sinne ansprechen, spielen beim Paarungsverhalten also eine entscheidende Rolle, so die Schlussfolgerung der Forscher. Sie widersprechen damit der verbreiteten Hypothese des Template-Matching. Die Theorie: Jedes Weibchen hat ein inneres Muster (englisch: Template) des Lockrufs der eigenen Art abgespeichert. Und erkennt ihn so wieder. Ist dieser Ruf verändert – etwa durch eine künstliche Pause – wäre ein Wiedererkennen allerdings nicht mehr möglich. "Unsere Experimente zeigen, dass das anders funktionieren muss", schreiben die Forscher.
Tatsächlich sind komplexe Signale in der Tierwelt häufig. So verwenden zum Beispiel auch viele Vögel ihren Gesang immer in Kombination mit anderen Reizen, etwa bestimmten Flügelbewegungen. Das Phänomen sei aber noch weitgehend unverstanden, sagt Henrik Brumm: "Wissenschaftler beginnen gerade erst zu entschlüsseln, wie diese komplexen, multimodalen Signale von Tieren eingesetzt und wahrgenommen werden."