
Tigerschecken: Barbie ist seine letzte Chance
Foto: CorbisPippi Langstrumpf, John Wayne, Barbie - alle reiten einen Tigerschecken. Schon vor 25.000 Jahren malten Menschen das gepunktete Pferd an Höhlenwände. Doch immer wieder kam es aufgrund seiner besonderen Eigenschaften aus der Mode.
Schuhe ändern sich mit der Mode. Hüte auch. Aber Pferde? Tatsächlich, auch die Fellfarbe von Pferden alternierte in der langen Geschichte ihrer Dienste für den Menschen je nach aktueller Mode. Am Beispiel der Tigerschecke hat ein internationales Forscherteam die wechselhaften Vorlieben der Pferdzüchter im Laufe der Jahrhunderte untersucht.
Obwohl Tigerschecken nur einen kleinen Prozentsatz aller Pferde ausmachen, waren die Menschen immer von den gepunkteten Tieren fasziniert. Schon vor 25.000 Jahren malten Menschen Tigerschecken auf die Wände einer Höhle im französischen Cabrerets.
Zwischen 1500 und 1300 vor Christus zogen die gepunkteten Pferde ägyptische Streitwagen durch den Wüstensand. Miniaturmalereien und Texte des Mittelalters wimmeln regelrecht von Tigerschecken, die unter Adligen als beliebte Reitpferde gehandelt wurden - besonders für Frauen, da sie als Symbol der Keuschheit galten.
Heute noch reitet alles, was Rang und Namen hat, einen Tigerschecken. Marlon Brando durchquerte auf einem den Wilden Westen, ebenso wie John Wayne. Pippi Langstrumpfs Kleiner Onkel wohnt auf der Veranda der Villa Kunterbunt und natürlich darf auch in Barbies Reitstall ein Tigerschecke nicht fehlen.
Nachtblind und zögerlich
Doch bei der Untersuchung der DNA stellten Forscher um Arne Ludwig vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) fest, dass es auch durchaus Zeiten gab, in denen Tigerschecken aus der Mode gekommen waren.
Dafür schauten sie sich Proben von 96 Pferdeskeletten aus 31 unterschiedlichen Ausgrabungsorten an. Die Knochen datieren vom Jungpleistozän vor rund 17.000 Jahren bis ins frühe Mittelalter und stammen von Fundorten aus Sibirien, Mittel- und Osteuropa, China und der Iberischen Halbinsel.
Besonders beliebt waren demnach die Tigerschecken zu Beginn der Bronzezeit zwischen 2700 und 2200 vor Christus. Von zehn Pferden, deren Knochen bei Ausgrabungen im türkischen Kirklareli-Kanligecit gefunden wurden, waren sechs Tigerschecken. Doch dann kamen die gescheckten Pferde aus der Mode. Gegen Ende der Bronzezeit tauchen sie dann so gut wie gar nicht mehr unter den domestizierten Pferden auf. Tigerschecken müssen also bewusst von der Zucht ausgeschlossen worden sein.
Als hässlich galten sie wohl nicht - die Forscher vermuten andere Auswahlkriterien. Reinerbige Tigerschecken sind nämlich oft nachtblind. Bei der Jagd oder im Krieg sind sie damit unzuverlässig: Nachtblinde Pferde gelten als nervös und zögerlich, nach Anbruch der Dämmerung sind sie nur noch schwer zu handhaben.
Adlige Showpferde
Trotzdem erlebten die Tigerschecken in der frühen Eisenzeit ein Revival. Im sibirischen Chicha taucht zwischen 1400 und 1300 vor Christus erneut ein Tigerschecke auf, und zwar an einem der archäologisch wichtigsten Orte für den Übergang zwischen der späten Bronzezeit und der Eisenzeit in den Steppen Westsibiriens.
Die Knochen dieses Tieres stammen interessanterweise nicht von einem domestizierten Pferd, sondern von einem größeren, stämmigeren Wildpferd. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Menschen dort zu Beginn der Eisenzeit bewusst wieder gescheckte Wildpferde in den Genpool einkreuzten. Um 800 vor Christus jedenfalls gehörten Tigerschecken schon wieder zum Fellfarben-Repertoire der westsibirischen Skythen, wie die Knochen eines Tieres aus Arjan in der Region Tuva belegen.
Ab Beginn des Mittelalters brauchten die Forscher gar keine DNA-Proben mehr, denn die Fülle von Tigerschecken in der Literatur und Malerei spricht für sich: Ohne Zweifel, Punkte waren wieder en vogue. Im Barock schließlich liebten die Adligen Showpferde in möglichst ausgefallenen Farben.
Tigerschecken für Barbie
Dieser Mode verdankten die Noriker ihre Popularität - stämmige, oft gescheckte Kaltblüter, deren Zuchtlinien zur Veredelung der feurige Spanische Hengst zugeführt wurden. Die Neuzeit betrachtete die Fellfarben von Pferden dann wieder wesentlich pragmatischer. Pferde wurden auf dem Acker gebraucht und im Krieg - da nutzte eine nachtblinde Tigerschecke niemandem etwas.
Die heute wieder neu entflammte Liebe zur Tigerschecke begann erst wieder mit dem Siegeszug des Kinos sowie dem Erfolg der Kinderbücher von Astrid Lindgren und der rosaroten Barbiewelt.
Barbie ist quasi die letzte Chance für die Tigerschecke. Denn noch einen Knick in der Popularität wird diese Fellfarbe wohl nicht mehr verkraften. Mittlerweile fehlt es an Wildpferden, mit denen man ursprüngliche Merkmale wieder in die Zucht einbringen könnte.