Haltbarkeit in der Umwelt Der Selbstbetrug mit dem Bioplastik

Für Müll, Hundekot oder zum Einkaufen: Tüten aus Bioplastik werden als umweltfreundliche Alternative beworben. Zu Unrecht, wie eine aktuelle Studie bestätigt.
Diese Plastiktüte hatte drei Jahre Zeit zum Verrotten (Archivbild)

Diese Plastiktüte hatte drei Jahre Zeit zum Verrotten (Archivbild)

Foto: Lloyd Russell/University of Plymouth/dpa

Man steht also an der Supermarktkasse, hat den Einkaufsbeutel vergessen - und kauft eine Plastiktüte. Immerhin, biologisch abbaubar ist sie ja. Dann ist ja alles in Ordnung, könnte man denken. Ist es aber nicht. Denn auch Tüten aus biologisch abbaubarem Kunststoff können länger die Natur belasten als viele Menschen annehmen. Das belegt eine neue Studie der Wissenschaftler Imogen Napper und Richard Thompson von der britischen University of Plymouth noch einmal eindrücklich.

Im Fachmagazin "Environmental Science & Technology"  berichten die beiden von ihren Experimenten, bei denen sie Plastikbeutel verschiedenen Umwelteinflüssen aussetzten. Dabei zeigte sich, dass die Tüten selbst nach drei Jahren im Boden oder im Meerwasser noch so stabil sein können, dass sie auch mit mehr als zwei Kilogramm Inhalt nicht reißen. Am stärksten zerfiel biologisch abbaubarer Kunststoff - wie auch gewöhnlicher Kunststoff -, wenn er Luft und Sonne ausgesetzt war.

Konkret hatten sich die Wissenschaftler neben klassischem Kunststoff

  • kompostierbare,
  • biologisch abbaubare sowie
  • oxo-abbaubare Kunststoffe

angesehen.

Kompostierbar bedeutet in diesem Fall, dass Mikroorganismen oder Pilze den Kunststoff weitgehend zu Wasser, Kohlendioxid und Biomasse abbauen können - und zwar in einem von Menschen kontrollierten Prozess und in einem vorher definierten Zeitrahmen. Bei biologisch abbaubaren Kunststoffen läuft der Abbau vergleichbar ab, könnte aber auch in der freien Natur von alleine stattfinden - und deutlich länger dauern.

Oxo-abbaubar wiederum bedeutet, dass der Kunstsoff Metallionen enthält, die durch UV-Licht beziehungsweise Wärme und Sauerstoff oxidiert werden. Dabei zerfällt die Kunststoffstruktur in kleine Teile. Weil dabei aber Mikroplastik entsteht, das kaum mehr weiter abgebaut wird, gibt es Bestrebungen in der EU, solche Kunststoffe zu verbieten.

Napper und Thompson wollten herausfinden, was tatsächlich mit den Materialien in verschiedenen Umgebungen geschieht. Sie besorgten sich im lokalen Einzelhandel Tüten verschiedener Kunststoffsorten, darunter Polyethylen (PE), aus dem die meisten Plastiktüten bestehen.

Den Großteil der Tüten schnitten sie in 15 mal 25 Millimeter große Stücke und legten sie in Netze mit einer Maschengröße von einem Millimeter. Dann hängten die Wissenschaftler die Netze im Freien auf, vergruben sie im Boden oder versenkten sie, mit einem Gewicht beschwert, in Meerwasser. Nach 9, 18 und 27 Monaten nahmen sie jeweils Proben und untersuchten sie. Außerdem wurden zusätzlich ganze Plastiktüten den entsprechenden Umgebungen ausgesetzt.

Alle Kunststoffstreifen einschließlich des Polyethylens waren nach spätestens 18 Monaten im Freien komplett zerfallen. "Die schnellere Fragmentierungsrate an der Luft dürfte auf höhere Anteile an ultravioletter Strahlung (UV) und Sauerstoff in Kombination mit höheren Temperaturen als in anderen Umgebungen zurückzuführen sein", schreiben die Forscher.

Nach 18 Monaten hatte sich der kompostierbare Kunststoff zudem im Meer aufgelöst, während er im Boden auch nach 27 Monaten noch vorhanden war. Allerdings war seine Belastbarkeit durch Zugspannung zu mehr als 70 Prozent verringert. Die Tüte aus kompostierbarem Kunststoff war die einzige, die nach drei Jahren keinen Inhalt mehr tragen konnte. Tüten aus oxo-abbaubarem, biologisch abbaubarem und gewöhnlichem Plastik, die drei Jahre lang im Meer und in der Erde gewesen waren, hielten hingegen 2,25 Kilogramm Gewicht.

"Diese Untersuchung wirft eine Reihe von Fragen auf, was die Öffentlichkeit erwarten kann, wenn etwas als biologisch abbaubar bezeichnet wird", erklärt Thompson. Der Forscher fordert außerdem Normen für abbaubare Materialien.

Umweltschützer raten von Bioplastiktüten jeglicher Zusammensetzung ab, da bisher kein ökologischer Vorteil gegenüber der klassischen Plastiktüte nachzuweisen sei.

Mehrwegtaschen sind allerdings auch nur unter bestimmten Bedingungen eine wirkliche Alternative zum Plastikbeutel. Ein Stoffbeutel etwa sei aus Umweltgesichtspunkten nur dann besser als eine Plastiktüte, wenn er oft genutzt werde. Eine Tasche aus konventioneller Baumwolle müsse mehr als einhundertmal so oft wie eine erdölbasierte Kunststofftüte genutzt werden, um die schlechtere Klimabilanz auszugleichen, heißt es etwa beim Naturschutzbund (Nabu). Das liegt an dem Material-, Energie- und Chemikalienaufwand für ihre Herstellung.

chs/dpa
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