
Neues Eiland: Wie Phönix aus den Fluten
Pazifik Japans neue Insel trotzt den Fluten
Hamburg - Ende November spuckte der Pazifik tausend Kilometer südöstlich von Tokio eine dampfende Insel aus, das neueste Land der Erde. Jetzt zeigen sich Experten der Japan Meteorological Agency JMA überzeugt, dass sie bestehen bleibt. Sie werde wahrscheinlich überdauern, sagt Tomoyuki Kano von der JMA. "Unser Hoheitsgebiet würde sich erweitern", frohlockt der Leiter des Kabinettsekretariats der japanischen Regierung, Yoshihide Suga.
Es ist das erste Mal seit 40 Jahren, dass entlang der 3000 Kilometer langen Unterseevulkan-Kette südöstlich von Japan, ein Berg aus dem Wasser wächst. Anfang Dezember erstreckte sich das Neuland bereits über 56.000 Quadratmeter und hob sich 25 Meter übers Meer. Seither lieferten Lavaeruption stetig neues Material; die Insel vergrößere sich stetig, berichtet die JMA. Weiterhin schössen Lava und Asche hervor. Schiffe wurden gewarnt, Abstand zu halten.
Die Unterseevulkane der Region werden gespeist von einem Zusammenstoß riesiger Erdplatten: Vor Japan taucht der mächtige Felsboden des Pazifik unter westlich gelegene Erdplatten. Unter dem Druck der Tiefe quillt Wasser aus dem Gestein. Es steigt auf und senkt den Schmelzpunkt darüberliegenden Gesteins - wie Streusalz den Schmelzpunkt von Wasser senkt und Eis tauen lässt.
Ameisen und Schmetterlinge
Über der abtauchenden Pazifikplatte schmilzt schließlich Gestein zu Magma, das aufsteigt - und Vulkane speist. So wachsen seit Jahrmillionen entlang des sogenannten Izu-Bonin-Mariana-Inselbogens Vulkan-Eilande empor. Immer wieder färbt sich das Meer dort schwefelgelb von untermeerischen Eruptionen. Nun aber ist mal wieder ein Lavaberg so groß geworden, dass er sich übers Meer hebt. Die neue Insel wurde Niijima getauft.
Was ist ihr Schicksal? Viele Vulkaninseln sind nicht von Dauer. Meist werden sie vom Meer weggewaschen, sobald der Magma-Nachschub abbricht. So erging es etwa der Insel Home Reef, die sich 2006 aus dem Südpazifik erhoben hatte. Auch der Unterwasserausbruch vor El Hierro ist ins Stocken geraten; die Hoffnung auf eine neue Kanareninsel schwindet.
Doch manche Insel hält sich, so dass sie besiedelt wird - so auch eine Nachbarinsel des neuen Eilands vor Japan: Nishinoshima erhob sich 1973 aus den Fluten, 500 Meter neben Niijima. Seither bewachsen zwar nur spärlich Pflanzen das Neuland, aber diverse Tiere kamen: Ameisen, Schmetterlinge, Käfer und Fliegen seien in großer Zahl gesichtet worden, berichten Forscher.
Eine neue Insel im Nordatlantik wurde gar zum Biotop: Vor 50 Jahren, am 14. November 1963 hob sich Surtsey vor Island aus dem Meer. Surtseys Bestehen aber überraschte Wissenschaftler: Nicht Pflanzen siedelten sich zuerst an, sondern Fleischfresser: Auf Treibholz gelangten Spinnen zur Insel; ihre Nahrung ebenfalls: Insekten. Bald keimten einfache Pflanzen wie Salzmiere und Moose. Ihr Samen war im Wasser nach Surtsey getrieben.
Wenn die Menschen kommen
Einen Schub brachten die Möwen. Im Gefieder trugen sie kleine Tiere und Samen. Drei Viertel der Pflanzen gelangten mit den Vögeln auf die Insel, berichten Biologen. In den neunziger Jahren wurden die ersten Regenwürmer und Schnecken gefunden. Zudem düngten Exkremente der Vögel den kargen Boden. So wandelte sich Surtsey langsam zu einer grünen Insel.
Andere neue Inseln waren nicht so erfolgreich: Der Boden von Home Reef war zu lose, um den Fluten standzuhalten: Er bestand überwiegend aus Asche - und nicht, wie bei Surtsey, aus hartem Lavagestein. Die Insel versank. Ähnlich dürfte es einer neuen Schlamminsel vor Pakistan ergehen. Eine junge Vulkaninsel im Roten Meer hingegen scheint aus stabilerem Material zu sein.
Kurzlebige Inseln lösten in der Geschichte nicht selten voreilige Eroberungspläne aus. 1831 etwa hisste der ehrgeizige italienische König Ferdinand II. die Flagge seines Landes auf einer Insel, die sich im Juni des Jahres im Mittelmeer zwischen Afrika und Sizilien erhoben hatte. Schon ein halbes Jahr später aber war Graham Island mitsamt Nationalflagge versunken - jetzt liegt sie 20 Meter unter der Wasseroberfläche.
Angesichts des Erfolgs ihrer Nachbarinsel Nishinoshima dürfte Niijima aber gute Aussichten haben, ein Eiland des Lebens zu werden. Vielleicht wachsen beide noch und werden irgendwann von Menschen besiedelt? Die nächste bewohnte japanische Insel liegt nur 130 Kilometer entfernt.