Rettung des Weltklimas Das Zeitalter der grünen Wirtschaft bricht an

Bringt die Klimakonferenz auf Bali endlich die Wende im Kampf gegen die Erderwärmung? Die Welt kann jetzt den Sprung in die Ära der ökologischen Wirtschaft schaffen - und damit sogar den Wohlstand fördern, analysiert Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon auf SPIEGEL ONLINE.

Wir haben gelesen, was die Wissenschaft uns sagt: Die globale Erwärmung findet tatsächlich statt, und die Menschen gehören zu ihren Hauptverursachern.

Wir haben die Warnungen gehört: Wenn wir nicht jetzt handeln, kommen ernste Konsequenzen auf uns zu. Das Polareis könnte abschmelzen. Der Meeresspiegel wird ansteigen. Ein Drittel aller Pflanzen- und Tierarten könnte verschwinden. Auf der ganzen Welt, insbesondere in Afrika und in Zentralasien, wird es Hungersnöte geben.

Was in der Debatte weitgehend untergeht, sind die guten Nachrichten: Wir können etwas unternehmen – und es ist leichter und wird mit weitaus geringeren Kosten verbunden sein, als es sich die meisten von uns vorstellen.

Zu diesen Schlussfolgerungen gelangte der jüngste Bericht der Zwischenstaatlichen Sachverständigengruppe über Klimaänderungen, jener Gruppe von Wissenschaftlern, der vor kurzem gemeinsam der Friedensnobelpreis verliehen wurde. Der Bericht ist zwar ernüchternd, doch dürfen wir nicht übersehen, dass sein Fazit letztlich optimistisch ist. Lassen Sie es mich wiederholen: Wir können es schaffen, und wir können es auf eine Art und Weise erreichen, die nicht nur kostengünstig ist, sondern auch den Wohlstand fördert.

In dieser Woche kommen die führenden Politiker der Welt zu einem Gipfeltreffen in Bali zusammen. Wir müssen einen Durchbruch erzielen: ein umfassendes Übereinkommen über den Klimawandel, dem sich alle Nationen anschließen können. Dafür müssen wir uns eine Agenda setzen, einen Etappenplan für den Weg in eine bessere Zukunft, mit einem knappen zeitlichen Rahmen, der bis 2009 zu einer Einigung führt.

Die Antwort liegt in einer Variation vieler Ansätze

Wir wissen noch nicht, wie eine solche Übereinkunft aussehen wird. Soll darin die Emission von Treibhausgasen besteuert oder ein internationales System für den Emissionshandel geschaffen werden? Sollen Mechanismen zur Verhinderung der Entwaldung eingerichtet werden, die für 20 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich ist, oder sollen die weniger entwickelten Länder bei der Anpassung an die unvermeidlichen Auswirkungen der Erderwärmung – von denen sie unverhältnismäßig stark betroffen sein werden – unterstützt werden? Sollen Energiesparen und erneuerbare Brennstoffe wie Biomasse oder Kernkraft im Vordergrund stehen und soll der Transfer neuer, "grüner" Technologien an alle Länder geregelt werden?

Die Antwort liegt natürlich in einer Variation aller dieser und vieler weiterer Ansätze. Wenn sich allerdings die Verhandlungen in der schieren Breite und Komplexität dieser Fragen festfahren, verlieren wir das, was am wertvollsten ist, nämlich Zeit. Hier ist es hilfreich, eine Vision davon zu entwickeln, wie unsere Zukunft aussehen könnte, wenn wir erfolgreich sind. Nicht nur wird die Welt sauberer, gesünder und sicherer für uns alle werden. Wenn wir den Kampf gegen die globale Erwärmung richtig angehen, könnte dadurch der Boden für eine umweltfreundliche Transformation der Weltwirtschaft bereitet werden, die Wachstum und Entwicklung stimuliert und nicht hemmt, wie so viele Politiker befürchten.

Im vergangenen Jahrhundert fanden drei große wirtschaftliche Transformationsprozesse statt. Auf die industrielle Revolution folgte die technologische Revolution und schließlich das moderne Zeitalter der Globalisierung, in dem wir uns gegenwärtig befinden. Jetzt stehen wir an der Schwelle eines weiteren Umbruchs: des Zeitalters der grünen Wirtschaft.

China - eine führende Nation bei Sonnen- und Windenergie

Die Anzeichen dafür finden sich überall und oft an unerwarteter Stelle. Als ich vor kurzem Südamerika besuchte, konnte ich mit eigenen Augen sehen, dass sich Brasilien zu einem der Hauptakteure der grünen Wirtschaft entwickelt hat und inzwischen etwa 44 Prozent seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen deckt. Weltweit liegt der Durchschnitt bei 13 Prozent, in Europa bei 6,1 Prozent.

Alle Welt spricht davon, dass China demnächst die Vereinigten Staaten überholen und zum weltweit größten Emittenten von Treibhausgasen werden wird. Weniger bekannt sind jedoch seine jüngsten Anstrengungen, die gravierenden Umweltprobleme anzupacken. China wird in diesem Jahr 10 Milliarden US-Dollar in erneuerbare Energien investieren und liegt damit nur hinter Deutschland zurück. China hat sich zu einer der führenden Nationen auf dem Gebiet der Sonnen- und Windenergie entwickelt. Bei einem kürzlich in Singapur abgehaltenen Gipfeltreffen der führenden Politiker Ostasiens sagte der chinesische Ministerpräsident, Wen Jiabao, eine Senkung des Energieverbrauchs (pro Einheit des BIP) um 20 Prozent über die kommenden fünf Jahre zu – was von der europäischen Selbstverpflichtung, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 20 Prozent zu senken, nicht so weit entfernt ist.

Das ist der Weg, der in die Zukunft führt. Schätzungen zufolge könnte das Wachstum der weltweiten Energienachfrage in den kommenden 15 Jahren allein durch den Einsatz vorhandener Technologien mit einer Investitionsrendite von 10 Prozent oder mehr halbiert werden. In dem neuen Bericht der Klimasachverständigengruppe werden die entsprechenden, durchaus praktischen Maßnahmen beschrieben – von strengeren Normen für Klimaanlagen und Kühlschränke bis zur Steigerung der Energieeffizienz in der Industrie, in Gebäuden und im Verkehr. Nach in dem Bericht enthaltenen Schätzungen könnten die Auswirkungen der Klimaänderung mit einem Aufwand von jährlich lediglich 0,1 Prozent des globalen BIP während der nächsten drei Jahrzehnte überwunden werden.

Jetzt ist die Politik an der Reihe

Das Wachstum muss darunter nicht leiden; es könnte sich im Gegenteil beschleunigen. Forscher an der University of California in Berkeley kamen zu dem Ergebnis, dass in den Vereinigten Staaten 300.000 Arbeitsplätze geschaffen werden könnten, wenn 20 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Energieträgern gedeckt würden. Ein führendes Münchener Beratungsunternehmen prognostiziert, dass bis Ende des nächsten Jahrzehnts in Deutschland mehr Menschen in der Umwelttechnologie als in der Automobilindustrie beschäftigt sein werden. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen schätzt, dass die weltweiten Investitionen in emissionsfreie Energien im Jahr 2020 1,9 Billionen Dollar erreichen werden – das Startkapital für eine umfassende Neukonfiguration der globalen Industrie.

Schon heute fordern Unternehmen in vielen Teilen der Welt eine klare staatliche Politik in Bezug auf den Klimawandel, ob in Form von Vorschriften, Emissionsbeschränkungen oder Richtlinien für Energieeffizienz. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Unternehmen brauchen für ihre Tätigkeit Spielregeln. Bei deren Festlegung behilflich zu sein, ist eine Rolle, für die die Vereinten Nationen prädestiniert sind.

Unsere Aufgabe in Bali und danach wird es sein, den im Entstehen begriffenen globalen Transformationsprozess zu gestalten und dem Zeitalter der grünen Wirtschaft und der grünen Entwicklung die Tore zu öffnen. Was noch fehlt, ist ein globaler Rahmen, innerhalb dessen wir, die Völker der Welt, unsere Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels koordinieren können.

Die Wissenschaft hat ihre Arbeit getan. Jetzt sind die Politiker an der Reihe. In Bali wird ihre Führungsstärke auf den Prüfstand gestellt. Worauf warten wir noch?

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