Kleine Maus, große Gefahr Nager könnten Rötelnviren übertragen

Ein Zoo, drei tote Tiere und eine Vermutung: Die Gelbhalsmaus ist möglicherweise Überträger gefährlicher Rötelnviren - die bisher nur beim Menschen nachgewiesen wurden. Forscher ziehen Vergleiche zum Coronavirus.
Die Gelbhalsmaus sieht harmlos aus, ist aber ein Virenträger

Die Gelbhalsmaus sieht harmlos aus, ist aber ein Virenträger

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Wilfried Martin / imagebroker / imago images

200 Jahre lang gingen Forscher davon aus, dass Rubella, landläufig Röteln genannt, nur beim Menschen vorkommt. Nun haben zwei Zufälle dazu geführt, dass Wissenschaftler aus Deutschland und den USA unabhängig voneinander dieselbe verblüffende Erkenntnis machten: Das Rötelnvirus könnte anders als bisher angenommen aus dem Tierreich stammen.

Alles begann mit dem plötzlichen Tod von drei Zootieren in Deutschland: Es verstarben ein Esel, ein Baumkänguru und ein Wasserschwein. Todesursache unbekannt. Daraufhin kontaktierten die Zoobetreiber das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), in Greifswald. Dortige Forscher untersuchen die Kadaver mit einer Metagenomanalyse.

Dabei wird das gesamte Erbgut einer Probe entziffert und mit Datenbanken abgeglichen. Die Forscher stießen zu ihrer Überraschung auf das Rustrela-Virus, das dem Rötelnvirus im Menschen extrem ähnlich ist.

Mäuse als Virenreservoir

Parallel testeten die Forscher in der Region des Zoos vorkommende Gelbhalsmäuse, die als Überträger des Hantavirus gelten. Das Hantavirus wird über den Kot von Nagetieren, vor allem von Mäusen, verbreitet und kann für den Menschen tödlich sein. Doch bei der Analyse fanden die Forscher des FLI stattdessen das Rustrela-Virus.

Anders als die Zootiere machten die Gelbhalsmäuse allerdings einen sehr lebendigen Eindruck: "Da in den Gelbhalsmäusen keine Anzeichen einer Erkrankung gefunden wurden, sind sie das wahrscheinliche Reservoir des neuen Virus", schreiben die Wissenschaftler in einer Publikation des Fachmagazins "Nature" .  

Von Reservoiren in Tieren können Viren auf den Menschen übergehen. Auch beim Coronavirus Sars-CoV-2 gehen Experten von einem solchen Vorfall aus. Hier waren wahrscheinlich Fledermäuse das Reservoir (mehr dazu lesen Sie hier).

Zufallsfund im ostafrikanischen Uganda: wieder eine Fledermaus

Der Beitrag in "Nature" liefert gleich noch einen Beleg dafür, dass Röteln keineswegs nur beim Menschen vorkommen. Ein wissenschaftliches Team aus den USA wies das sogenannte Ruhugu-Virus bei Zyklopen-Rundblattfledermäusen in Uganda nach.

Auch dieses ist dem menschlichen Rötelnvirus zum Verwechseln ähnlich. Der Name ist angelehnt an die Region Ruteete Subcounty und an das Wort "obuhuguhugu", was in der lokalen Tooro-Sprache "Flügelschlag von Fledermäusen in der Höhle eines Baumes" bedeutet.

Und wieder war es ein Zufall, der zu dem Virus führte: Das amerikanische Forschungsteam der University of Wisconsin-Madison suchte in Uganda eigentlich nach Coronaviren bei den Zyklopen-Rundblattfledermäusen.

"Mit dieser gemeinsamen Entdeckung ist das Rötelnvirus des Menschen, mehr als 200 Jahre nach der Erstbeschreibung im Jahr 1814, nicht mehr der alleinige Vertreter einer ganzen Virusfamilie", so Martin Beer, Leiter der Studie am FLI.

Die Forscher wollen nach weiteren Tieren suchen, die Rötelnviren in sich tragen oder Röteln-ähnliche Virusstämme haben. "Das ist ein wichtiges Forschungsfeld, um den Ursprung der menschlichen Rötelnviren noch besser zu verstehen."

In Deutschland und Europa sind die meisten Menschen gegen Röteln geimpft. Das ist Teil der Dreifachimpfung zusammen mit Mumps und Masern. Problematisch sind Infektionen bei nicht geimpften schwangeren Frauen, da eine Rötelnvirus-Infektion den Embryo schädigen und zu Totgeburten führen kann. In vielen afrikanischen Ländern und in Südostasien ist die Impfrate sehr niedrig.

sug
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