Rohstofflager Forscher wollen Metallschatz aus Müllbergen heben

Auf deutschen Mülldeponien lagern riesige Mengen Metalle und andere Wertstoffe. Wissenschaftler arbeiten an Verfahren, den Schatz zu heben. Das ist aufwendig - kann sich aber lohnen.
Deponie: Über 26 Millionen Tonnen Eisenschrott

Deponie: Über 26 Millionen Tonnen Eisenschrott

Foto: Jens Büttner/ picture alliance / dpa

Graue, gelbe und braune Tonnen im Hof, dazu Papier-, Glas- und Metallcontainer an der Straßenecke - vor dreißig Jahren hätten wir über das Mülltrennsystem unserer Zeit wohl laut gelacht. Damals war es noch etwas bequemer, seinen Abfall loszuwerden: Bis Ende der achtziger Jahre kam der gesamte Müll unsortiert in die Sammeltonne und dann auf die Deponie. Und dort liegt er noch heute.

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Goldgrube Elektroschrott: Bergbau am Müllberg

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In den etwa 1100 deutschen Deponien für Hausmüll und Gewerbeabfälle verbergen sich wahre Schätze. Die alten Müllhalden sind reichhaltige Rohstofflager: Forscher der TU Braunschweig haben ausgerechnet, dass dort allein in den Jahren seit 1975 26 Millionen Tonnen Eisenschrott, 1,2 Millionen Tonnen Kupfer und 500.000 Tonnen Aluminium abgeladen wurden. Dazu kommen 250 Millionen Tonnen Papier, Holz, Textilien und Kunststoffe, aus denen Kraftwerke und andere Verbrennungsanlagen Energie erzeugen können.

Lässt sich dieser Schatz heben - oder ist er auf ewig verloren? Um das zu erforschen, hat Stefan Gäth von der Universität Gießen in drei Deponien mehrere bis zu vierzig Meter tiefe Löcher bohren und alten Abfall ans Tageslicht fördern lassen. Anschließend wurde der Müllberg mit Trommelsieben, Magneten, Infrarotsensoren und anderen Gerätschaften nach Fraktionen wie Papier, Metall, Kunststoff oder Bauschutt sortiert. Dabei konnten die Forscher auf etablierte Technologien zurückgreifen, wie sie etwa für das Sortieren der Abfälle aus den gelben Säcken verwendet werden. "Technisch ist die Trennung kein Problem", erklärt Gäth. "Es ist nur eine Frage des Aufwands und damit der Kosten."

Metallpreise im Sinkflug

Das Sortieren ist teuer, weil der Altmüll viel heterogener ist als heutige Abfälle. Papierschnipsel, Glasscherben, Holzstücke, Lebensmittelreste, Elektrogeräte, Stofffetzen, Plastikverpackungen, Bauschutt - all das in wildem Durcheinander. Wenn die Abfälle im Untergrund dann noch feucht geworden sind, muss die modrige Masse zunächst getrocknet und vorbehandelt werden. Erst dann können die Sortiermaschinen tätig werden.

Gewinn können die Deponiebetreiber mit den alten Wertstoffen daher nicht erzielen - zumindest derzeit nicht: "Eine Deponie abzutragen, allein um Rohstoffe zu gewinnen, rentiert sich bei den gegenwärtigen Metallpreisen nicht", erklärt Peter Quicker von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Das sieht auch Georg Mehlhart vom Öko-Institut in Darmstadt so. "Die Kosten lassen sich in den meisten Fällen heute nicht durch die Erlöse refinanzieren", sagt der Abfallexperte.

Eisenschrott, Kupfer und Aluminium bringen momentan nicht viel Geld ein. Der Kupferpreis etwa ist in den letzten drei Jahren um mehr als dreißig Prozent gefallen. Teurere Metalle wie Seltene Erden sind in den Deponien kaum zu finden, weil die Rohstoffe erst seit jüngster Zeit in nennenswerten Mengen verwendet werden. Angesichts der niedrigen Preise an den Strombörsen ist auch mit der Verfeuerung von Kunststoffen, Papier und Holz in einem Müllheizkraftwerk gegenwärtig nicht viel Geld zu verdienen.

Gefährlicher Müll für künftige Generationen

Dennoch kann es sich schon heute bezahlt machen, den alten Müll ans Tageslicht zu holen, sind die Wissenschaftler überzeugt. Denn die Deponien müssen jahrzehntelang überwacht und betreut werden, um zu verhindern, dass Schwermetalle und andere Schadstoffe aus den Abfällen ins Grundwasser sickern und klimaschädliche Gase wie Methan in die Atmosphäre gelangen. Die Kosten dafür summieren sich häufig auf mehrere Dutzend Millionen Euro. Wird die Deponie teilweise oder ganz aufgelöst, sinkt der Aufwand für die Nachsorge deutlich.

"Wenn aus einer Deponie Schadstoffe ins Grundwasser sickern, kann es durchaus wirtschaftlicher sein, sie abzutragen statt zu sanieren", sagt Quicker. Zudem gewinnen die Betreiber so neuen Deponieraum, etwa für die Aschen und Schlacken von Müllverbrennungsanlagen. Ebenso werden damit Flächen für die Ansiedlung von Gewerbebetrieben frei. Gerade in dicht besiedelten Gegenden ist solcher Platz viel wert.

Auch aus Gründen des Umweltschutzes ist das Abtragen der alten Deponien sinnvoll - nicht nur wegen des Recyclings der Rohstoffe. Problematische Abfälle wie Batterien, Altöl oder asbestbelastete Bauteile bleiben nicht länger sich selbst überlassen. Sie werden bei der Trennung aussortiert, so dass sie als Sondermüll verbrannt oder in speziell gesicherten Deponien eingelagert werden können. Stefan Gäth appelliert an das Verantwortungsbewusstsein: "Wenn wir uns nicht um diesen Müll kümmern, überlassen wir das Problem den nachfolgenden Generationen."

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