Rohstofflager am Ozeangrund Schatzsucher im Bann der Tiefsee

Etwa eine Billion Tonnen Manganknollen liegen auf dem Grund der Ozeane. Trotz jahrzehntelanger Vorarbeit hat noch niemand Hand an den Schatz gelegt. Doch das soll sich schon bald ändern.

Berlin - Es ist stockfinster dort unten und holprig: Gäbe es Licht 5000 Meter unter der Oberfläche des Pazifiks, würde der Clarion-Clipperton-Gürtel zwischen Hawaii und der Westküste Mexikos aussehen wie eine alte Dorfstraße mit Kopfsteinpflaster. Diese submarine Holperpiste wird jedoch nicht durch bucklige Granitblöcke geformt, sondern durch wertvolle Rohstoffe: In Jahrmillionen sind auf dem weichen Sediment kartoffelgroße Manganknollen herangewachsen, die Metalle wie Mangan, Eisen, Nickel, Kupfer und Kobalt enthalten.

Manganknolle: Seit den ersten Versuchen 1978 hat sich nicht nur technisch viel getan

Manganknolle: Seit den ersten Versuchen 1978 hat sich nicht nur technisch viel getan

Foto: BGR / ddp

Das solche Knollen tief unter dem Meeresspiegel vorkommen, das wissen Geologen und Meeresforscher schon seit Jahrzehnten. Wirtschaftlich genutzt wurden diese freilich bisher nie. Es wäre einfach zu teuer gewesen, die Brocken auf hoher See aus der Tiefe empor zu holen und die enthaltenen Metalle nutzbar zu machen. In den siebziger Jahren hatten die großen Bergbaukonzerne jedoch bereits ihre Hand nach diesen Bodenschätzen ausgestreckt: Das damals größte deutsche Bergbauunternehmen Preussag erprobte 1978 eine in Kooperation mit Konzernen aus den USA, Japan und Kanada entwickelte Maschine für die Ernte von Manganknollen vom Grund des Pazifiks.

Die Knollen wurden von einer Raupe am Grund des Meeres eingesammelt und über gigantische Pumpen nach oben befördert. Doch ein Einbruch der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt setzte dieser Entwicklung bald darauf ein jähes Ende. An Land gab es Lagerstätten für Rohstoffe, die billiger zu erschließen und auszubeuten waren.

Eine Billion Tonnen Manganknollen auf dem Ozeangrund

Heute sind die Rohstoffpreise wieder nach oben geschnellt und dürften - trotz eines durch die Wirtschaftskrise bedingten Einbruchs - langfristig so hoch bleiben, dass sich ein Abbau von Manganknollen lohnen könnte. "Der Bedarf besteht nach wie vor, wenn auch derzeit abgeschwächt", erläutert Carsten Rühlemann, Spezialist für Marine Rohstofferkundung bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Schließlich liegen zwischen der Erkundung eines Gebiets und dem Beginn des eigentlichen Abbaus bis zu 15 Jahre.

Etwa eine Billion Tonnen Manganknollen liegen auf dem Grund der Ozeane, schätzen Experten - etwa das Hundertfache dessen, was an vergleichbaren Rohstoffen an Land vermutet wird. Die BGR hat sich zu Ziel gesetzt, das Heben dieses gewaltigen Schatzes voranzutreiben: Im Frühjahr 2009 hat die Bundesanstalt die erste Konzeptstudie für einen modernen Kollektor ausgeschrieben.

Seit den ersten Versuchen 1978 hat sich nicht nur technisch viel getan. Auch im Umweltschutz sind schärfere Regeln zu beachten. So wurde damals das mit den Knollen nach oben beförderte Sediment einfach wieder zurück ins Meer gespült - eine Schlammwolke, die die Ökosysteme im Meer gefährden und beispielsweise Korallenriffe unter sich begraben kann. Moderne Kollektoren, wie sie jetzt auf den Grund des Meeres gesetzt werden sollen, müssten daher so arbeiten, dass möglichst wenig Material aufgewirbelt wird.

Ökologische Bedenken gibt es dennoch. "Dort, wo man die Knollen aberntet, wird der Lebensraum auf großer Fläche massiv gestört", befürchtet der Geo-Wissenschaftler Sven Petersen vom Meeresforschungsinstitut IFM-Geomar in Kiel im Magazin "Bild der Wissenschaft". Immerhin: Es gibt es Vorschriften, nach denen die Areale nicht vollständig abgeerntet werden dürfen. So bestehe die Chance, dass die Ernteflächen von benachbarten, intakten Gebieten aus wieder besiedelt werden könnten.

Deutschland hat Fläche so groß wie Bayern gesichert

Seit Mitte der neunziger Jahre wacht die zu den Vereinten Nationen gehörende Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) im jamaikanischen Kingston über die Nutzung des Meeresbodens. Nach dem internationalen Seerechtsübereinkommen ist der Tiefseeboden ein "gemeinsames Erbe der Menschheit". Wer Bodenschätze vom Meeresgrund ernten möchte, muss daher bei der ISA eine entsprechende Lizenz erwerben. So hat die BGR für Deutschland im Clarion-Clipper-Gürtel auf 75.000 Quadratkilometern Abbaurechte gesichert - eine Fläche so groß wie Bayern.

Nicht nur die Manganknollen im Pazifik stehen im Interesse von Meeresforschern und den Konzernen, die mit Rohstoffen handeln, sondern auch sogenannter Erzschlamm. Er entsteht, wenn durch Klüfte und Risse im Meeresgrund Meerwasser zwei bis drei Kilometer in die Erdkruste dringt, sich in Magmakammern aufheizt und wieder nach oben ins Meer zurückströmt. Auf dieser Reise reißt das Wasser Mineralien mit sich, die sich an den heißen Quellen ablagern: Erzhügel und Seen aus Erzschlamm bilden sich, die Rohstoffe wie Silber, Kupfer, Gold, Germanium und Indium enthalten.

Auch hier gibt es bereits erste Techniken für den Abbau dieser wertvollen Schlämme. "Zum Einsatz wird ein Bohrer kommen, der die Erz- und Gesteinsklumpen zu einer semi-liquiden Suppe zermalmt. Die lässt sich dann zum Schiff pumpen", erklärt der Ozeanograph Johannes Post. Der Bohrer sitzt dabei auf einem Roboter, der auf Stelzen über den zerklüfteten Meeresboden marschiert und die Erze gezielt aberntet und zerhackt. Posts Prognose: Bereits in einem Jahr könnte das kanadisch-australische Meeresbergbauunternehmen Nautilus Minerals  mit dem Abbau beginnen. Bis die Schatzkammer unter der Meeresoberfläche geöffnet wird, dürfte es also nur noch eine Frage der Zeit sein.

Ulrich Dewald, ddp

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