Uno-Bericht Auf dem Weg in die Sandkrise

Bis zu 50 Milliarden Tonnen Sand und Kies verbraucht die Menschheit inzwischen pro Jahr. Ein Bericht des Uno-Umweltprogramms fordert ein Abbauverbot an Küsten. Noch sei eine Krise zu verhindern.
Scheinbarer Überfluss: Abbaubagger in einer Sandgrube

Scheinbarer Überfluss: Abbaubagger in einer Sandgrube

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Noriyuki Araki / Getty Images

Die massive Nachfrage nach Sand angesichts des weltweiten Baubooms droht Ökosysteme zu zerstören und das Risiko für Naturkatastrophen zu erhöhen. Der Sandverbrauch habe sich innerhalb von zwei Jahrzehnten verdreifacht, berichtet das Uno-Umweltprogramm (Unep). Sand sei nach Wasser der meistverwendete Rohstoff der Erde, zumeist gebe es aber keine Regeln für den Abbau. 40 bis 50 Milliarden Tonnen Sand, Kies, Splitt und Schotter würden im Jahr verarbeitet – unter anderem für die Herstellung von Glas, vor allem aber Beton oder andere Baumaterialien. Das entspricht etwa 18 Kilogramm Sand pro Erdenbürger pro Tag, oder genug, um eine 27 Meter breite und 27 Meter hohe Wand rund um den Erdball zu bauen.

Die Unep warnt in ihrem neuen Bericht »Sand und Nachhaltigkeit: zehn strategische Empfehlungen zur Abwendung einer Krise«  davor, dass mehr Sand verarbeitet wird, als sich natürlich bildet. »Wir befinden uns nun in der Position, wo die Bedürfnisse und Erwartungen unserer Gesellschaften nicht mehr ohne eine bessere Steuerung der Sandressourcen erfüllt werden können«, schrieb Sheila Aggarwal-Khan, die Leiterin der Unep-Wirtschaftsabteilung. Noch sei es möglich, eine Sandkrise zu vermeiden. Dafür müsse aber jetzt gehandelt werden.

Sand entsteht über Millionen Jahre durch die Verwitterung von Gestein, das Hitze, Kälte, Wind und Wetter ausgesetzt ist. Die Unep schließt unter dem Oberbegriff »Sand« auch Kies, Splitt und Schotter mit ein, die sich von Sand durch Größe und Geometrie der Körner unterscheiden. »Sand ist der wichtigste Rohstoff für Beton, Asphalt und Glas, die unsere Infrastruktur bilden«, so der Bericht.

Felder versalzen, Krokodile schwimmen landeinwärts

Der meiste Sand werde in China verbraucht, sagte Pascal Peduzzi, Koordinator des Berichts und Direktor des Unep-Zentrums für Umweltinformation in Genf, Grid-Geneva. 52 bis 56 Prozent des weltweit verbrauchten Sandes würden in China verarbeitet. Inzwischen verschiebe sich die Nachfrage nach Afrika, wo Sand von Stränden gesammelt und für den Städtebau verwendet werde.

Sand müsse als strategischer Rohstoff eingestuft werden, der nicht nur zum Bauen benötigt werde, sondern auch wichtige Umweltfunktionen habe. Zum Beispiel könne der Abbau von Sand an Flussmündungen und -deltas, Stränden, in Küstennähe und auch in Wüsten problematisch sein. Das könne Ökosysteme zerstören, der biologischen Vielfalt schaden sowie zur Versalzung von Grundwasser und Erosion beitragen, was das Risiko von Sturm- und Überschwemmungsschäden erhöhe.

Als Beispiel nannte Peduzzi das Delta des Mekong in Vietnam, wo das Land wegen des Sandabbaus bereits so weit gesunken sei, dass früher fruchtbare Felder nun versalzten. In einem Fluss in Sri Lanka habe sich die Fließrichtung wegen Baggerarbeiten umgekehrt, sodass sich Salzwasserkrokodile landeinwärts verbreiteten.

Liegen lassen für den Klimaschutz

Sand müsse einen Preis bekommen, der auch seine Wichtigkeit für die Umwelt widerspiegele. Sand an Flüssen und Küsten zu belassen, sei die günstigste Strategie, um sich gegen Folgen des Klimawandels wie stärkere Stürme zu wappnen.

Der Sandabbau an Küsten sollte ganz verboten werden, fordert die Unep. Auf hoher See sollten zum Schutz der Ökosysteme für den Sandabbau internationale Standards entwickelt werden. Länder sollten Bestandsaufnahmen machen und die Kreislaufwirtschaft fördern. So eigneten sich etwa Bau- und Abbruchmaterial oder Erzsand aus Bergwerksabfällen zur Wiederverwendung im Bau. Davon fielen im Jahr 30 bis 60 Milliarden Tonnen an, die nicht genutzt werden. Auch Asche eigne sich teils als Sandersatz, sagte Peduzzi.

Wüstensand eignet sich dagegen nicht: Die vom Wind geformten Körner seien zu rund und gäben nicht genügend Halt, sagte Sandexpertin Kiran Pereira, die zu dem Report beigetragen hat. Für das Baugewerbe würden aber inzwischen viele nachwachsende Rohstoffe entwickelt und getestet, unter anderem aus Hanf.

ak/dpa/Reuters
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