Satellitenbild der Woche Die versinkende Lagunenstadt

Venedig ist durch seine einzigartige Lage und seine Geschichte zu Weltruhm gelangt. Ein aktuelles Satellitenbild zeigt, wie unterschiedlich Venedigs Inseln genutzt werden - und wie schutzlos sie den Folgen von Grundwasserverlust und Klimawandel ausgesetzt sind.

Venedig breitet sich auf mehr als hundert Inseln und das angrenzende Festland aus. Der Blick aus dem All verrät auf den ersten Blick, wie ungleich die einzelnen Inseln in der venezianischen Lagune sind. Die Hauptinsel mit dem historischen Stadtkern scheint bis auf den letzten Quadratmeter bebaut zu sein: Außer rötlichen gedeckten Dächern ist kaum etwas zu erkennen. Nur die Hafenanlagen und der Bahnhof im Westen der Insel stechen grau hervor.

Die für ihre Glasmacher berühmten Inseln Giudecca und Murano sind fast ebenso dicht bebaut wie die Hauptinsel. Völlig anders sieht dagegen San Michele aus: Die von einer Mauer umgebenen "Insel der Toten" ist der Friedhof Venedigs. Sie wirkt von oben betrachtet wegen der Gräber und Bäume grüner als das restliche Venedig. Östlich der Hauptinsel liegt der Lido di Venezia, der die Lagune von der Adria trennt. Berühmt wurde er unter anderem als Schauplatz in Thomas Manns "Der Tod in Venedig".

Doch die morbide Pracht der Lagunenstadt ist in Gefahr: Die Zahl der Überflutungen ist in den vergangenen Jahrzehnten drastisch gestiegen. Inzwischen steht Venedig bis zu 100 Mal pro Jahr unter Wasser, zehnmal häufiger als vor 30 Jahren. Verantwortlich dafür sind die Venezianer zum Teil selbst: Durch das stetige Abpumpen des Grundwassers sackt ihre Stadt immer weiter ab.

Der mit der globalen Erwärmung verbundene Meeresspiegel-Anstieg verschärft das Problem noch, zumal er im Mittelmeer um ein Mehrfaches über dem globalen Durchschnitt liegt. Die einzigartigen Kulturdenkmäler Venedigs sind nach Meinung von Wissenschaftlern ernsthaft in Gefahr, wenn der Wasserpegel weiterhin so schnell ansteigt wie in den vergangenen Jahrzehnten.

Fluttore sollen die Lagune absperren

Venedig will sich mit mehreren Gegenmaßnahmen wehren. So könnte etwa Meerwasser unter die Stadt gepumpt werden, um sie wieder anzuheben. Ein weiterer Plan sieht vor, dass riesige Barrieren die Lagune vor dem eindringenden Mittelmeerwasser schützen. Die Fluttore liegen an den Öffnungen zur Adria auf dem Meeresboden, sollen bei Hochwasser mit Luft gefüllt werden und sich aufrichten. Allerdings bieten die Tore nur Schutz vor einem Meeresspiegel-Anstieg um höchstens 22 Zentimeter. Das schien auszureichen zu den Zeiten, als die Pläne für das Riesenprojekt erstmals aufkamen, ist nach neuen Daten jedoch zu wenig.

Ursprünglich war auch davon die Rede, dass die Tore nur etwa acht Mal pro Jahr geschlossen werden sollten. Doch inzwischen geht man von 80 bis 100 Tagen pro Jahr aus, die sich auf die Monate November bis Januar konzentrieren würden. In dieser Zeit wäre die Lagune weitgehend von der Frischwasser-Versorgung abgeschnitten, auch schmutziges Wasser könnte nicht mehr wie gewohnt abfließen. Schäden für das sensible Ökosystem wären womöglich nicht die einzigen Folgen: Die Lagune könnte sich in eine übel riechende Kloake verwandeln.

mbe

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