Satellitenbild der Woche Grönlands schlüpfrige Seite

Rekordschmelze: Je intensiver das Rot, desto länger dauerte das Tauwetter
Foto: NASASchon Anfang 2010 hatte sich das Drama angedeutet. Nach einem ungewöhnlich milden und schneearmen Winter umwehte die Grönländer bereits im April eine vergleichsweise laue Frühlingsbrise. Auf den Rändern des mächtigen Eispanzers sammelte sich eine Tauwasser-Lache - die fast ein halbes Jahr bestehen blieb.
2010 war ein außergewöhnliches Jahr für Grönlands Gletscher: Die Eisschmelze habe so lange angedauert wie nie zuvor seit Beginn der Satellitenmessungen, berichten Glaziologen um Marco Tedesco vom City College of New York im Fachblatt "Environmental Research Letters" . Die Forscher haben Satellitenbilder der Nasa ausgewertet: Mikrowellenmessungen von Satelliten zeigen, ob der Eispanzer mit Wasser bedeckt ist. 2010 war das außergewöhnlich lange der Fall.
Bis Mitte September habe Tauwetter an den Rändern des Grönlandeises geherrscht, schreiben die Forscher. Sie haben das Jahr 2010 mit den drei Jahrzehnten davor verglichen. Manche Stellen des Eispanzers schmolzen der Studie zufolge 50 Tage länger als sonst. Das sei ein neuer Rekord seit Beginn der Messungen Ende der siebziger Jahre. Vor allem der Westen des Landes war betroffen, dort waren die obersten Eisschichten besonders lange schlüpfrig.
Schmelzwasser hebt den Meeresspiegel
Das früh einsetzende Tauwetter hat die Entwicklung entscheidend geprägt: Als der frische feinkörnige Schnee weg war, legte er gröberen Schnee frei. Die größeren Flocken nehmen mehr Sonnenlicht auf, sie erwärmen sich folglich schneller als die feinen. So beschleunigte sich die Schmelze bereits im Frühjahr. Weil sich die Witterung nicht entscheidend änderte, ging das Tauen weiter: Im Sommer fiel kaum Neuschnee, der den groben alten Schnee zugedeckt hätte. Und so bedeckte der Tauwasserfilm die Ränder des Eispanzers bis Mitte September.
Die Satellitendaten sind Forschern eine weitere Warnung dafür, dass Grönland verstärkt schmelzen und den Meeresspiegel damit weltweit anschwellen lassen könnte. Seit Beginn der Satellitenmessungen 1979 hat der Eispanzer zunehmend an Masse verloren.
Derzeit sorge das Schmelzwasser Grönlands für einen Anstieg der Meere um etwa einen halben Millimeter pro Jahr, meinen Experten. Bis Ende des Jahrhunderts kämen so fünf Zentimeter zusammen. Doch nun sehen Forscher Anzeichen dafür, dass manche Gletscher in Grönland beschleunigt tauen. Manche Wissenschaftler fürchten deshalb, dass allein das Schmelzwasser des Grönlandeises die Weltmeere in den nächsten 90 Jahren um 20 Zentimeter anschwellen lassen könnte - das lange Tauwetter des letzten Jahres bliebe keine Ausnahme mehr.