Seismologie Forscher warnen vor Mega-Beben nahe Seattle

Tief unter dem Pazifikboden vor der US-Metropole Seattle ächzt und knarrt es. Dort, wo eine Kontinentalplatte unter eine andere abtaucht, gibt es regelmäßig gefährliche Erdbeben. Der nächste Mega-Erdstoß könnte weit mehr Menschen betreffen als bisher vermutet, wie neue Messungen zeigen.

Das Grummeln aus der Tiefe kommt mit zuverlässiger Regelmäßigkeit. Alle 15 Monate rumort es unter der Erde vor der Küste des US-Bundesstaats Washington. Für etwa zwei Wochen können spezielle Messinstrumente dann die Erschütterungen registrieren. Sie kommen durch die Kollision zweier tektonischer Platten vor der Westküste Nordamerikas zustande.

Skyline von Seattle: "Je näher man am Epizentrum ist, desto stärker Fallen die Erschütterungen aus."

Skyline von Seattle: "Je näher man am Epizentrum ist, desto stärker Fallen die Erschütterungen aus."

Foto: Ted S. Warren/ AP

Die vergleichsweise kleine Juan-de-Fuca-Platte taucht in dem Gebiet der sogenannten Cascadia-Subduktionszone auf einer Breite von mehreren hundert Kilometern unter die Nordamerikanische Platte ab. Dabei entstehen Spannungen, die sich eines Tages in einem gigantischen Erdbeben entladen werden. Forscher halten es für möglich, dass es die extreme Stärke von 9,0 auf der Richterskala erreichen und neben Verwüstungen an Land auch einen gewaltigen Tsunami auslösen könnte.

Aktuelle Messergebnisse legen nun nahe, dass ein solches Mega-Beben rund 50 Kilometer näher am Großraum Seattle-Tacoma stattfinden könnte als bisher angenommen. In dem Gebiet leben rund 3,6 Millionen Menschen.

Statt weitab im Meer könnte sich das verheerende Beben so nahe an der Metropolenregion ereignen, dass die Verwüstungen dort noch stärker ausfallen würden. "Je näher man am Epizentrum ist, desto stärker Fallen die Erschütterungen aus", sagt der emeritierte Geoforscher Steve Malone von der University of Washington. Nach den neuen Berechnungen könnte das Zentrum der Erdstöße unter der Olympic-Halbinsel liegen, die sich westlich von Seattle und Tacoma auf der anderen Seite des Puget-Sunds befindet.

Beben im Schnitt alle 400 bis 500 Jahre

Die neuen Erkenntnisse müssen noch von anderen Fortscherteams bestätigt werden - und erlauben auch noch keine Aussagen darüber, wie viel stärker das dicht besiedelte Gebiet getroffen werden könnte. "Wir haben die Wirkungen nicht im Detail berechnet", schränkt der Geophysiker John Vidale von der University of Washington ein, der auch der Chefseismologe des Bundesstaats Washington ist. "Aber wenn die Verwerfungen näher an der Metropolenregion liegt, dann könnten die Erschütterungen dort stärker ausfallen."

Das letzte schwere Erdbeben an der Cascadia-Subduktionszone hatte sich im Januar des Jahres 1700 ereignet. Forscher glauben, dass es eine Stärke von 9,0 hatte. Der damals entstandene Tsunami erreichte sogar die japanischen Inseln. Im Schnitt, so glauben die Wissenschaftler, tritt an dieser Stelle alle 400 bis 500 Jahre ein schweres Beben auf. Aber auch Abstände von nur 300 Jahren seien möglich - damit könnte ein Beben jetzt quasi jederzeit stattfinden.

Das regelmäßig auftretende Rumoren unter dem Puget-Sund beunruhigt die Forscher derzeit. "Es ist, als ob man alle 15 Monate eine Gitarrensaite ein wenig stärker spannt", sagte der kanadische Geophysiker Herb Dragert. "Man weiß nie, wann sie reißt."

Die Zerstörungskraft eines Erdbebens der Stärke 9 oder höher wurde zuletzt im Indischen Ozean im Dezember 2004 deutlich. Damals hatte ein Erdstoß der Stärke 9,2 in elf Ländern Südasiens Tsunamis ausgelöst. Rund 233.000 Menschen starben.

chs
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