Smog in Brasilien Biotreibstoff steigert Ozonbelastung in São Paulo

São Paulo: Wenn Millionen Autofahrer Biosprit tanken, steigt der Ozonwert
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São Paulo: Wenn Millionen Autofahrer Biosprit tanken, steigt der Ozonwert
Foto: CorbisEines der besten Beispiele dafür, dass Bio nicht automatisch gesund ist, ist Biosprit auf der Basis von Ethanol. Wie sich das Benzin auf die Qualität der Luft auswirkt, haben Forscher nun erstmals empirisch untersucht. Laut der Studie sinkt in der brasilianischen Stadt São Paulo die Ozonbelastung deutlich, wenn der Großteil der Bewohner auf Biosprit verzichtet und stattdessen herkömmliches Benzin tankt. Im Gegenzug erhöhe sich jedoch der Gehalt anderer Schadstoffe in der Luft. Die Forschung könne helfen, das Smogrisiko in der Millionenstadt zukünftig besser zu steuern.
São Paulo ist die Stadt mit der größten Dichte sogenannter Flexible Fuel Vehicles weltweit. Die Autos können alle Mischungen von Benzin und Ethanol verbrennen und ihre Besitzer daher je nach Preisniveau zwischen Ethanolkraftstoffen und herkömmlichem Benzin wählen. Zwischen 2009 und 2011 beobachteten der Ökonom Alberto Salvo von der National University of Singapore und der Chemiker Franz Geiger von der Northwestern University im US-Bundesstaat Illinois, wie die Spritpreise der jeweiligen Benzinvarianten die Luftqualität in der 11-Millionen-Stadt verändern.
Sie werteten Verkaufszahlen und Fragebögen zum Tankverhalten von 14.000 Autofahrern aus. Basierend auf diesen Angaben, den Wetter- und Luftdaten und dem Verkehrsaufkommen auf einer Strecke von fast 1000 Kilometern ermittelten sie den Beitrag des Verkehrs zum Schadstoffgehalt der Luft. Das Ergebnis: Der Ozongehalt sank um 20 Prozent, wenn die Einwohner aufgrund vergleichsweise niedrigerer Preise Benzin tankten statt Ethanol. Gleichzeitig sei die Konzentration von Stickoxiden und Kohlenmonoxid jedoch gestiegen, berichten die Forscher im Fachmagazin "Nature Geoscience".
Kampf gegen den Smog
"Ozon und Stickoxide tragen beide zu Smog in Städten bei", erklärt Geiger. "Je nachdem, welche Möglichkeiten eine Metropole hat, ihre Luftqualität zu beeinflussen, kann Ethanol nicht als der grüne Sprit betrachtet werden, als der er häufig bezeichnet wird." In Brasilien werden die Benzinpreise von der Regierung kontrolliert. Da für die Herstellung von Ethanol Zuckerrohr benötigt wird, steigt und sinkt der Preis mit dem des Zuckers. Besonders extrem beobachteten Salvo und Geiger den Effekt 2010 und 2011, als der Zuckerpreis und damit auch der Preis für Ethanol in São Paulo stark anstieg. Mehr als eine Millionen Autofahrer seien zu diesen Zeiten auf herkömmliches Benzin umgestiegen, so die Forscher.
Politiker könnten Studien auf Grundlage solcher empirischen Daten nutzen, um die Luftqualität in Großstädten zu steuern, schreiben die Forscher. Allerdings könnte sich das in einigen Regionen schwierig gestalten, da eine Vielzahl von Einflussfaktoren auf die Luftqualität berücksichtigt werden müssen - etwa die Feinstaubmenge in der Atmosphäre. Salvo, der selbst in São Paulo gelebt hat, betrachtet die Stadt als natürliches Labor. Das Luftüberwachungssystem der Megacity sei hervorragend, das Wetter moderat mit nur geringen Temperaturunterschieden. So stehe eine riesige Anzahl von Daten zur Verfügung.
Einfache Lösung nicht in Sicht
"Unser Ergebnis gilt vorerst nur für die subtropische Stadt São Paulo", erklärt Geiger. "Die Studie gibt uns aber die Möglichkeit, über ähnliche Analysen in Metropolen der nördlichen Hemisphäre nachzudenken, wo Ethanol aus Mais hergestellt wird oder vollkommen andere Möglichkeiten wie Strom als Antrieb genutzt werden. Chicago, New York, London oder Peking seien mögliche Forschungsfelder für die Zukunft.
In einem ergänzenden Artikel zur Studie bezeichnet Sasha Madronich vom National Center for Atmospheric Research im US-Bundesstaat Colorado die Methode der Forscher als Goldstandard - also als beste derzeit verfügbare Möglichkeit, um den Einfluss des Verkehrs auf die Luftqualität zu ermitteln. Allerdings warnt auch er vor voreiligen Schlüssen: "Der beobachtete Rückgang des Ozonwerts sollte nicht als Beweis betrachtet werden, dass der Wechsel von Ethanol zu üblichem Benzin die Luftqualität generell verbessert", schreibt er. Ein Großteil des eingesparten Ozons sei durch Stickstoffdioxid ersetzt worden, das fast genauso gesundheitsschädlich sei wie Ozon.
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