Spektakuläres Experiment Grand Canyon geflutet - Umweltschützer protestieren

Innenminister Dirk Kempthorne höchstpersönlich öffnete die Schleusen: In einem umstrittenen Öko-Großexperiment hat die US-Regierung damit begonnen, den Grand Canyon zu fluten. Umweltschützer kritisieren die Aktion als Show.

Page/US-Bundesstaat Arizona - In vier großen Bögen schießt das Wasser aus den Schleusen am Fuße des Glen-Canyon-Damms. Aus dem künstlich geschaffenen Lake Powell strömen 1,1 Millionen Liter Wasser pro Sekunde in den Grand Canyon. "Dieses Experiment wird atemberaubend sein, optisch und wissenschaftlich", sagte US-Innenminister Dirk Kempthorne.

Schon seit einiger Zeit hatten US-Behörden die Aktion vorbereitet. Die künstliche Flut soll 60 Stunden lang durch das 446 Kilometer lange Teilstück des Colorado River schießen. "Das Wasser strömt mit einer Geschwindigkeit aus, die das Empire State Building innerhalb von 20 Minuten füllen würde", erklärte Kempthorne. Die Idee dabei: Die Wassermassen sollen helfen, wieder Strände aus Sand und Schlick entstehen zu lassen, die für Tiere und Erholung suchende Menschen zugleich interessant wären. Auch auf das Wiederentstehen von Fischgründen hoffen die Behörden.

Durch den Bau des Glen-Canyon-Damms im Jahr 1963 hat der im Grand Canyon fließende Colorado viel von seiner Ursprünglichkeit und Kraft verloren. Außerdem hält der Damm fast den gesamten Sedimenttransport des Flusses auf. Das Ökosystem des spektakulären Tals änderte sich deswegen deutlich. Ohne die reinigenden Springfluten können zum Beispiel keine neuen Fischgründe entstehen. Die ursprünglich im Colorado beheimateten Fische sind immer seltener geworden, während sich dort fremde Arten breitgemacht haben. Vier Fischarten sind bereits aus dem Fluss verschwunden, zwei weitere sind extrem gefährdet.

Bereits in den Jahren 1996 und 2004 war der Grand Canyon geflutet worden. Im Herbst wollen die US-Behörden noch einmal zusätzliches Wasser in den Colorado abgeben. Dann soll nicht wie jetzt eine Flutwelle durch den Grand Canyon schießen. Stattdessen soll zwei Monate lang etwas mehr Wasser fließen als üblich.

Umweltschützer kritisieren, dass statt einer Einzelaktion eine regelmäßige Flutung des Tales - orientiert am natürlichen Zyklus - nötig wäre. Der Betrieb des Glen-Canyon-Damms müsse auf ein jahreszeitlich abgestimmtes Programm umgestellt werden, anstatt das Flutungsexperiment ständig zu wiederholen. "Es soll so aussehen, als würde das Problem mit einer Aktion aus der Welt geschafft. Auch wenn wir wissen, dass das nicht funktioniert", kritisierte der Umweltschützer Nikolai Lash von der Aktionsgruppe Grand Canyon Trust vor der Flutung. Die US-Bundesbehörden betonen allerdings, dass sie an langfristigen Plänen arbeiten würden, um die nachteilige Wirkung des Damms auf den Colorado und den Grand Canyon zu dämpfen.

chs/AFP/dpa

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