Spezialnahrung Wie Geleé royale eine Biene zur Königin macht

Tausende werden zu Untertanen - eine wird Königin. Nur wenn eine Biene besonders viel Geleé royale erhält, wird sie zur Herrscherin. Forscher haben jetzt herausgefunden, wie das Sekret das Erbgut der Insekten verändert. Die Ergebnisse sind auch für die Krebsforschung interessant.
Bienenkönigin und Arbeiterinnen: Gleiche Gene, unterschiedliche Ausprägung

Bienenkönigin und Arbeiterinnen: Gleiche Gene, unterschiedliche Ausprägung

Foto: Peter Steffen/ dpa

Die Bienenkönigin und ihre Arbeiterinnen scheinen nicht viel gemeinsam zu haben. Während die Arbeiterinnen aktiv und durchaus intelligent sind und sich gekonnt durch ihre Umgebung navigieren, um Futter für die Kolonie zu finden, bleibt ein Privileg allein der Königin vorbehalten: Fortpflanzung. Bis zu 2000 Eier an einem Tag kann sie produzieren. Dafür verbringt sie auch ihr ganzes Leben im Bienenstock, ohne jemals eine Blüte aufzusuchen. Zudem ist sie größer und langlebiger als ihre fleißigen Untertanen.

Das Erbgut beider Bienenkasten aber ist identisch - Da erstaunt es schon, dass Königin und Arbeiterinnen so unterschiedlich in Gestalt und Verhalten sein können. Ein Team aus deutschen und australischen Forschern hat das Genom von Bienen jetzt genauer unter die Lupe genommen und nach jenen chemischen Veränderungen der Erbguts gefahndet, durch die einzelne Gene an- oder abgeschaltet werden. Epigenetik nennt man dieses Forschungsfeld.

Unter Biologen ist schon lange Konsens, dass ein Schlüssel zu dieser ungleichen Entwicklung der Bienen die Nahrung ist, die sie als Larven bekommen. Nur zukünftige Königinnen werden durch das gesamte Larvenstadium bis hin ins Erwachsenenalter mit dem exquisiten Saft namens Gelée royale gefüttert. Arbeiterinnen erhalten dagegen nur anfangs diese Kraftnahrung, später aber nur noch ein einfaches Gemisch aus Blütenpollen und Nektar. Klar war bisher, dass das Gelée royale unterschiedliche epigenetische Effekte bewirkt. Welche Prozesse genau die Ernährung in den Körpern der Bienen auslösen, blieb bisher jedoch unklar.

Wie die Forscher im Fachmagazin "PLoS Biology"  berichten, wird die DNA der Bienen je nach Futter tatsächlich unterschiedlich chemisch verändert. Bei dieser sogenannten Methylierung werden an bestimmten Stellen der Sequenz Moleküle angefügt - der genetische Code an sich wird dadurch nicht verändert. "Diese Markierung ist eine Art Finetunig der Gene," erklärt Ryszard Maleszka von der Australian National University in Canberra. Je nachdem an welchen Genregionen ein Methyl-Molekül angehängt wird, werden bestimmte Merkmale unterschiedlich stark ausgeprägt.

Unterschiedliche Muster auf den Erbgutkarten

Um die chemischen Veränderungen genauer zu analysieren, sequenzierten Maleszka und seine deutschen Kollegen vom Deutschen Krebsforschungzentrum das sogenannte Methylom der Bienen: Sie erstellten eine Karte des Erbguts, auf der zu erkennen ist, an welchen Stellen genau die Methylgruppen sitzen. Anschließend verglichen sie die Methylierungskarten von Königinnen und Arbeiterinnen und fanden insgesamt über 550 Gene, die ein unterschiedliches Methylierungsmuster zeigten. Die meisten dieser Gene spielen bei wichtigen Zellfunktionen eine Rolle oder haben einen Einfluss auf das Verhalten der Insekten.

"Mit unserer Studie können wir zeigen, wie die Umwelt über die Ernährung direkt mit der DNA verknüpft ist. Umwelteinflüsse können die genetische Hardware vorübergehend modifizieren", sagt Maleszka. "Diese Ergebnisse sind weitreichend, denn die Enzyme, die bei den Bienen das Erbgut modifizieren, sind die gleichen, die auch im menschlichen Gehirn die DNA markieren."

Co-Autor Frank Lyko interessiert vor allem dieser letzte Aspekt, er leitet die Abteilung für Epigentik am DKFZ Heidelberg. "Es ist grundsätzlich auch vorstellbar, dass Umwelteinflüsse und Ernährung einen Einfluß auf das Erscheinungsbild des Menschen haben und das diese Effekte über Unterschiede in der DNA-Methylierung vermittelt werden."

Lyko warnt allerdings vor falschen Erwartungen, "die Honigbiene ist sicherlich das extremste Beispiel in diesem Zusammenhang, die Schlußfolgerungen lassen sich keinesfalls 1:1 auf den Menschen übertragen."

Aber auch Krebszellen sind ein Beispiel für die epigenetische Aufspaltung des Erscheinungsbilds. Alle Zellen in einem Organismus verfügen über das gleiche Genom, trotzdem kann sich daraus entweder normales Gewebe oder ein Tumor bilden. Vielleicht könnte die Erstellung des Methyloms beim Menschen bald für die Krebsdiagnostik relevant werden. Bisher ist der Aufwand aber noch zu groß, da das menschliche Genom zehn mal größer ist als das der Bienen.

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