Staatsgebietsstreit Großbritannien erhebt Anspruch auf riesiges Atlantik-Gebiet
Die Himmelfahrtsinsel Ascension ist ein Plätzchen so ziemlich fernab von allem. Bis zur nächstgelegenen Insel St. Helena sind es gute 1200 Kilometer. Ähnlich weit ist es zum afrikanischen Küste; Brasilien ist mehr als 3000 Kilometer weg. Gerade einmal 1000 Einwohner hat das 90 Quadratkilometer große Stück Vulkangestein mitten im Südatlantik.
Das subtropische Eiland, das zum britischen Überseeterritorium St. Helena gehört und unter anderem einen Flugplatz und einen Kurzwellensender der BBC beherbergt, soll London nun zu einem riesigen Gebietszuwachs verhelfen. Die Briten wollen am Mittwoch bei der Uno in New York einen Antrag auf große Meeresgebiete um Ascension herum stellen. Eine 200-Seemeilen-Zone um die Insel gehört, wie im internationalen Recht üblich, ohnehin bereits zum Staatsgebiet des Vereinigten Königreichs.
Doch die Regierung in London argumentiert, dass sich die Landmasse der Insel unter Wasser fortsetzt - und dem Königreich deswegen nach dem Uno-Seerechtsübereinkommen größere Territorien zustehen.
Die zuständige Kommission zu den Grenzen des Kontinentalschelfs (CLCS) hält gerade in New York ihre 22. Sitzung ab. Die Mitglieder bestimmen auf Basis geologischer und geophysikalischer Daten, ob unterseeische Meeresgebiete tatsächlich Fortsetzungen der Landmassen unter Wasser im Sinne des Uno-Seerechtsübereinkommens sind - und damit dem Gebiet von antragstellenden Staaten zugeschlagen werden können. Bekannt geworden war die Kommission, weil sie auch über die Gebietsforderungen am Nordpol entscheiden muss. In einem Schreiben an das Gremium haben die Briten bereits angekündigt, bis zum kommenden Frühsommer noch weitere Anträge auf unterseeische Gebiete zu stellen.
Der Nordpol wird nicht darunter sein, darauf haben die Briten nicht den Hauch eines Anspruchs. Interessant sind zwei andere Bereiche: Zum einen sind das die Falklandinseln vor der argentinischen Küste, die im Jahr 1982 Schauplatz eines blutigen Krieges zwischen den Briten und den angreifenden Argentiniern waren. In Buenos Aires betrachtet man die Falklandinseln, die Malvinas, nach wie vor als argentinisches Gebiet. Argentiniens Regierung kündigte gegenüber der BBC an, man werde folgerichtig ebenfalls einen Antrag auf die Meeresgebiete um die Inseln bei der Uno stellen.
In der Regel geht es bei den Ansprüchen auf Seegebiete um Bodenschätze - oder besser gesagt, um die Hoffnung darauf. Vor allem die Arktis gilt als lukrative Öl- und Gaslagerstätte. Ob ähnliches auch für Ascension gilt, ist unklar. Der vulkanische Ursprung der Insel spricht zumindest dagegen, denn Öl und Gaslagerstätten erfordern mächtige Sedimentschichten als Speicher.
Ansprüche auch vor der Antarktis
Ein zweites, noch brisanteres Gebiet, in dem die Briten zumindest über Gebietsansprüche nachdenken, ist die Küstenzone vor der Antarktis. Durch den 1961 in Kraft getretenen Antarktisvertrag ruhen eigentlich alle Gebietsansprüche auf dem gefrorenen Kontinent. Alle Bereiche unterhalb von 60 Grad südlicher Breite, also auch die von Großbritannien ins Auge gefassten Küstengewässer, sind bis zum Jahr 2041 tabu. Doch London hat mehrfach betont, dass man sich das Recht vorbehalte, auch in dem eigentlich geschützten Bereich Gebietsforderungen zu stellen. Nach britischen Medienberichten geht es um ein Areal von einer Million Quadratkilometern.
Diese Pläne sind besonders problematisch, weil Londons Vorstoß eine Vielzahl von Streitigkeiten provozieren könnte. In der Antarktis überlappen sich die derzeit ruhenden Gebietsansprüche zum Teil stark. Bis zu drei Staaten reklamieren nämlich dasselbe Stück Land für sich - siehe Fotostrecke. Außerdem verwiesen Forscher immer wieder darauf, wie wichtig es ist, dass der noch immer weitgehend unerforschte Kontinent entstaatlicht bleibt, um die Wissenschaft nicht zu behindern.
Chile hatte bereits eine alte Militärbasis in der Antarktis reaktiviert, um dem britischen Vorpreschen nicht tatenlos zuzusehen. Immerhin, bei der Himmelfahrtsinsel gibt es keine konkurrierenden Ansprüche, wie die Briten in ihrem aktuellen Antrag an die Uno auch betonen. Die Nachbarn sind einfach zu weit weg.