Geschlechtsbestimmung bei Dinosauriern Hauptsache klein und deutlich

Rund und eckig: Schau mir auf den Rücken, und ich zeig, was für ein Kerl ich bin

Rund und eckig: Schau mir auf den Rücken, und ich zeig, was für ein Kerl ich bin

Foto: University of Bristol/ Evan Saitta

Frauen kämen von der Venus, heißt es, und Männer vom Mars - die Unterschiede zwischen den Geschlechtern innerhalb einer Art können sehr weit gehen. Bei Dinosauriern sind sie womöglich so groß, dass ihre Fossilien oft als eigene Arten missverstanden werden.

In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Plos One" weisen Forscher der Universität Princeton nun nach, dass Männchen und Weibchen einer Dinosaurierart sich deutlich voneinander unterschieden haben. Diese Differenzen bei den Erscheinungsformen der Geschlechter werden auch sexueller Dimorphismus genannt.

Das ist weit spannender, als man zunächst denkt. Denn anders als im heutigen Tierreich, bei dem sichtbare Geschlechtsunterschiede die Regel darstellen, ist eine Identifizierung von Männchen und Weibchen einer Art bei Fossilien gar nicht so einfach.

Wir Primaten beispielsweise haben einen ganz ausgeprägten, eindeutig sichtbaren Dimorphismus. Gorillamännchen sind gut doppelt so groß wie ihre Weibchen, und auch bei uns Menschen sind die Männer meist deutlich massiger als die Frauen.

Die meisten anderen unserer Dimorphismen aber sind - aus geologischer Sicht - sehr vergänglich. Auch anhand unserer Fossilien wird man in 60 Millionen Jahren nicht sagen können, ob sich die Behaarung unterschied, wie wir weichteilmäßig gebaut waren und ob das eine Geschlecht grün und das andere vielleicht blau war.

Da bleiben zur Bestimmung des Geschlechts bei Fossilien nur signifikante Merkmale des Körperbaus. Unser Geschlecht lässt sich beispielsweise ziemlich eindeutig am Becken erkennen. Was aber, wenn man nicht weiß, anhand welcher knöchernen Merkmale sich die Geschlechter innerhalb einer Spezies unterschieden?

Genau das ist das Problem bei Dinosaurierfossilen. Die Riesenechsen sind schon in der Hinsicht problematisch, dass sich verschiedene Arten innerhalb einer Gruppe oft nur an einzelnen Merkmalen unterscheiden lassen. Bei Sauropoden, den riesigen Langhälsen, ist das so, und ähnlich auch bei den Ceratopsia: Zu denen gehört beispielsweise der berühmte Triceratops.

Arten? Geschlechtsunterschiede? Oder nur Teenager?

Typische Merkmale der Ceratopsia, an denen man seit jeher auch Artgrenzen festgemacht hat, sind ihre mächtigen Hörner und Nackenschilde. Das Problem ist nur, dass die sich im Laufe ihres Lebens veränderten: Bei Ceratopsia war es wohl normal, dass es Jugendformen gab, Zwischenstadien und adulte, erwachsene Tiere .

Diese Erkenntnis führte vor ein paar Jahren dazu, dass man verschiedene, bis dahin als eigene Arten behandelte Ceratopsiden zu einer Art zusammenfasste. Die Debatte darüber, ob nun beispielsweise der Torosaurus nichts anderes ist als ein erwachsener Triceratops , der dann folglich nur eine Mitten- oder Jugendform des Tieres darstellen würde, läuft noch immer.

Ceratopsiden: Hörner und Schilde zeigten Alter und Geschlechtsreife. Zeigten sie auch das Geschlecht?

Ceratopsiden: Hörner und Schilde zeigten Alter und Geschlechtsreife. Zeigten sie auch das Geschlecht?

Foto: Raúl Martín

So etwas ist nicht ungewöhnlich. Von großen Theropoden wie dem T. rex nimmt man an, dass Jugend- und Altformen sogar ganz anders lebten: Die Jungtiere womöglich gefiedert und in Rudeln jagend, die Alttiere eher als Lauerjäger und allein. Philip Curry brachte 1988 Bewegung in den Stammbaum einer Theropodengruppe, als er in einer Studie gleich drei Spezies zu einer zusammenfasste  - und die Unterschiede durch sexuellen Dimorphismus erklärte. Auch hier läuft die Debatte noch immer.

Anders als man vermuten würde, ist der Nachweis von Geschlechtsunterschieden vor allem dann besonders schwer, wenn die Unterschiede deutlich und groß sind - so etwas führt dann eher dazu, dass die Funde eigenen Arten zugeordnet werden.

Nur selten sind sie klein und trotzdem deutlich. Von Coelophysis etwa kennt man eine grazile und eine robuste Form. Sie unterscheiden sich auch in der Schädellänge und Merkmalen der Vordergliedmaßen, werden aber regelmäßig gemeinsam gefunden. Da die Unterschiede von Jung- bis zu Alttieren messbar und immer dieselben sind, gilt Coelophysis als die seltene Ausnahme unter den Dinos, bei der sexueller Dimorphismus gesichert sein dürfte.

Auch bei Pachycephalosauriern kommt man Männlein und Weiblein mit statistischen Methoden auf die Schliche . Selbst bei Tieren gleicher Größe lassen sich Unterschiede in der Größe und Dicke der Schädelwölbung feststellen. Zählt man das über viele Funde aus, kommt man in etwa auf eine gleiche Verteilung zweier Typen - ein mögliches Muster für eine Verteilung von Männlein und Weiblein. In diesem Fall hält man übrigens die Dickschädel, die so blöd waren, mit ihren überdimensional ausgebauten Schädelplatten gegeneinanderzuschlagen, für die Männchen.

Klein ist gut, solange es markant ist

Bemerkenswert eindeutig gelang nun auch die Unterscheidung der Geschlechter bei Stegosauriern. Dem Paläontologen Evan Saitta war aufgefallen, dass es bei Funden des Stegosaurus mjosi zwei Formen zu geben schien, die sich an den Knochenplatten, die die Tiere auf dem Rücken trugen, unterscheiden ließen: Die einen waren spitz zulaufend, die anderen gerundet. Die gerundeten Platten entpuppten sich auch als größer, brachten es auf rund 45 Prozent mehr Fläche, wie der Forscher im Fachblatt "Plos One"  schreibt.

Saitta hatte das Glück, mehrere Fossile untersuchen zu können, die offenbar zeitgleich am selben Ort gestorben waren. Anhand verschiedener Merkmale der Knochen konnte er nachweisen, dass beide Varianten zu erwachsenen Tieren der gleichen Art gehörten - der Unterschied der Platten musste also geschlechtsspezifisch sein.

Welche Form nun zu welchem Geschlecht gehört, ist letztlich spekulativ. Saitta glaubt, dass die spitzen Platten Verteidigungswaffen der Weibchen seien, während die großflächigen, stark durchbluteten Rundplatten zu den Männchen gehörten - Stichwort Pfau. Die Platten waren möglicherweise zum Farbwechsel fähig und mögen so als sexuelle Signale, zum Beispiel in der Balz oder im Konkurrenzkampf gedient haben.

Auch das ist übrigens bei Fossilien schwer nachzuweisen: Ob Dinosaurier Farben, Formen und auffälligen Körperschmuck als sexuelle Kommunikationsmittel einsetzten, ist reine Spekulation, weil davon natürlich nichts erhalten ist. Auf der anderen Seite bildeten sie schon eine mächtige Ausnahme im Tierreich, wenn es nicht so gewesen wäre.

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