Kein Zug nach Afrika Mehr als 250 Störche überwintern in Bayern

Es ist warm genug, und Futter gibt es auch - immer mehr Störche sparen sich den kräfteraubenden Flug nach Afrika und überwintern in Deutschland. Andere zieht es nach Spanien.
Storch in Eden in Brandenburg

Storch in Eden in Brandenburg

Foto: Roland Heigel/ dpa

Seit fünf Jahren verspürt ein Storch im kleinen Ort Eden nördlich von Berlin offenbar kein Fernweh. Im Winter fliegt er nicht in den Süden, sondern bleibt einfach da. "Er kommt gut zurecht, ist kerngesund und hat bislang für den Nachwuchs von neun Störchen gesorgt", sagt Roland Heigel, Storchenexperte des Brandenburger Naturschutzbundes im Landkreis Oberhavel.

Der Vogel ist in guter Gesellschaft: Viele Störche verzichten auf den kräftezehrenden Flug in den Süden und versuchen, den Winter hier zu überstehen. Mit mehr als 250 erfassten Vögeln in Bayern sei in diesem Jahr der Vorjahresrekord um mehr als 50 übertroffen, heißt es etwa vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) in Hilpoltstein. Erstmals seien sogar Jungvögel geblieben, die normalerweise noch vor den Altvögeln abflögen.

Auch ein Storch aus Körzin, der im Ort "Paulchen" genannt wird, zieht im Herbst schon lange nicht mehr gen Süden. Wenn sich seine Artgenossen auf den Weg machen, hält er Brandenburg die Treue - bereits seit etwa acht Jahren. "Alle kennen ihn. Er ist ein kleiner Star", sagt Marianne Lehmann, Betreiberin des Cafés "Zum Kirschbaum". Für Gäste sei er ein beliebtes Fotomotiv.

Der Flugverzicht spart viel Kraft. "Nach Spanien müssen sie 6000 Kilometer fliegen, nach Afrika sogar etwa 10.000", sagt Kai-Michael Thomsen, Storchenexperte des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu). Einige Vögel scheuten zumindest den weiten Weg nach Afrika und überwinterten bereits in Spanien. Zurück zu den Brutplätzen in Deutschland ist es dann nicht mehr so weit.

Hauptsache es gibt Futter

Nach einer ersten Bilanz erreichten in diesem Jahr 6000 Storchenpaare Deutschland - etwa so viele wie 2015. Nur ein kleiner Teil von ihnen bleibt nach Nabu-Angaben im Winter hier. "Oft sind es ausgewilderte Tiere, die keine so starke Reiselust spüren." Andere verleite das zunehmend milde Klima, den Abflug hinauszuzögern. "Wenn es an kalten Tagen genug Futter gibt, entscheiden sie spontan: Wir bleiben da", sagt der Storchenexperte.

Auch "Paulchen" aus Körzin findet wohl immer genug Futter. Außerdem hat der Einzelgänger Stellen im Dorf, wo er was zum Fressen und ein warmes Plätzchen findet. "Bei Schnee und Eis geht er in die Hocke und wärmt die Beine mit dem aufgeplusterten Gefieder", hat Café-Betreiberin Lehmann beobachtet.

Falk Witt, Falkner, Jäger und Betreiber einer Auffangstation für Wildvögel, kennt den Vogel seit Jahren. "Zunächst blieb er wohl da, weil knapp drei Zentimeter des Schnabels abgebrochen waren", sagt er. Das Problem sei mittlerweile nahezu behoben.

Regelmäßig komme der Storch bei ihm zum Frühstück oder Abendbrot vorbei. "Es gibt ein paar Fische und Eintagsküken", sagt er. Ansonsten hält Witt zu dem Vogel Distanz. Er hält auch nichts davon, ihm einen Namen zu geben - zumal unklar ist, ob es wirklich ein "Paulchen" oder eher eine "Paula" ist.

"Allzu große menschliche Nähe ist nicht gut. Es ist immerhin ein Wildvogel", sagt auch der Potsdamer Nabu-Fachgruppenleiter für Ornithologie, Manfred Pohl. Die Fluchtdistanz sei mit zwei bis drei Meter schon sehr gering. Nabu-Experte Thomsen sieht die Fütterung daheimgebliebener Störche kritisch. "Menschen müssen sich eigentlich keine Sorgen machen", sagt er. Auf der langen Reise in den Süden bekämen Störche oft tagelang nichts in den Schnabel. "Das halten sie aus."

jme/dpa

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