Strategie zur biologischen Vielfalt So soll die Welt endlich den Kampf für den Artenschutz aufnehmen

Eine große Uno-Konferenz soll in diesem Jahr eine neue Strategie zum Schutz der Biodiversität beschließen. Jetzt liegt ein erster Entwurf vor. Können die Ziele diesmal erfüllt werden?
Ein Frosch im Tortuguero-Nationalpark in Costa Rica

Ein Frosch im Tortuguero-Nationalpark in Costa Rica

Foto: Getty Images

Der Betrag ist fast schon lächerlich klein: Für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen gibt die Menschheit nur zwischen 78 und 143 Milliarden Dollar jährlich aus – oder anders gesagt: 0,1 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. So hat es der Wirtschaftswissenschaftler Partha Dasgupta von der University of Cambridge Anfang dieses Jahres vorgerechnet.

Wie der Kampf gegen den dramatischen Verlust von Arten, Lebensraum und der Schutz der biologischen Vielfalt (CBD) trotzdem gelingen kann, darüber sprechen die Vertragsstaaten der Uno-Konvention nun im Oktober. Bei einer Konferenz im südwestchinesischen Kunming wollen sie eine Strategie für das nächste Jahrzehnt beschließen. Der erste Entwurf, der am Montag veröffentlicht wurde, sieht vor, bis 2030 mindestens 30 Prozent der für Biodiversität besonders wichtigen Landflächen und Meere zu bewahren und zu schützen. Ziel der Strategie sei, bis 2050 »im Einklang mit der Natur zu leben«.

Der Text des Abkommens soll über den Sommer weiterverhandelt und auf der Konferenz beschlossen werden. Allerdings haben sich die Vertragsstaaten schon früher ehrgeizige Ziele gesetzt und nicht eingehalten. So wurden bereits die bis 2020 festgelegten Vorgaben verfehlt, wie ein großer Bericht  zum Zustand der Biodiversität in dem Jahr feststellte.

Ziel müsse sein, dass sich die Trends beim Verlust der Biodiversität bis 2030 zumindest nicht mehr verstärken, so die Leiterin des CBD-Sekretariats, Elizabeth Maruma Mrema. In den folgenden zwei Jahrzehnten müsse dann eine Erholung der Ökosysteme ermöglicht werden, um bis 2050 unterm Strich Verbesserungen zu erreichen.

Wegen des Ausbruchs des Coronavirus war die ursprünglich im Herbst 2020 geplante Biodiversitäts-Konferenz auf dieses Jahr verschoben worden. Wie das Risiko von Pandemien auch über Naturschutz und den Erhalt der biologischen Vielfalt verringert werden kann, ist nun als zusätzliches Thema für die Verhandlungen hinzugekommen.

Weniger Plastikmüll, weniger Pestizide

Das geplante Rahmenabkommen soll dazu führen, dass die 196 Vertragsstaaten ihre nationalen und regionalen Aktionspläne entwickeln sowie ihre Strategien auf den neuesten Stand bringen. Die Entwicklung solle ständig beobachtet und der Fortschritt auf globaler Ebene überprüft werden, fordert das CBD-Sekretariat.

Eine wirksame Umsetzung des Rahmenabkommens erfordere auch neue finanzielle Mittel. Mindestens zehn Milliarden US-Dollar sollten Entwicklungsländern pro Jahr zusätzlich bereitgestellt werden. Subventionen und andere Anreize, die der Artenvielfalt schaden, sollten umgeleitet oder beseitigt und um mindestens 500 Milliarden US-Dollar im Jahr reduziert werden, steht in dem Entwurf.

Zu den 21 Zielen der geplanten globalen Strategie bis 2030 gehört auch eine Verringerung des Einsatzes von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln und eine Verringerung von Plastikmüll. Die Menge der Nährstoffe, die in die Umwelt gelangten, sollte um mindestens die Hälfte reduziert werden – die Menge der Pestizide um zwei Drittel. Zu den langfristigen Zielen bis 2050 zählt auch, die Geschwindigkeit des Artensterbens sehr deutlich zu reduzieren.

»Die enthaltenen Ziele würden nicht ausreichen, um das Artensterben weltweit bis 2030 zu stoppen.«

Florian Titze, WWF

Kritik an dem Entwurf gab es bereits vorab von der Umweltorganisation WWF. Der Text sei nicht ambitioniert genug, beklagte Biodiversitäts-Experte Florian Titze. »Die enthaltenen Ziele würden nicht ausreichen, um das Artensterben weltweit bis 2030 zu stoppen«, prognostiziert er für den Fall, dass auf der Konferenz nicht noch mal nachgeschärft wird. Der ökologische Fußabdruck des Konsums und der Produktion werde nicht weit genug reduziert. Mindestens eine Halbierung bis 2030 sei notwendig. Dazu gehöre auch die Nahrungsmittelproduktion, wo der Entwurf »deutlich zu schwach« sei. »Die Transformation zu nachhaltigen Wirtschafts- und Finanzsystemen ist grundsätzlich viel zu wenig im Fokus«, so Titze. Wenn weiter im großen Stil in die Zerstörung der Natur investiert werde, würden auch ambitionierte Flächenschutzziele nichts helfen.

Die wichtige Rolle der Wirtschaft hatte auch Ökonom Dasgupta in seinem Bericht im Februar herausgestellt: Demnach zahlen die Länder der Welt rund 500 Milliarden Dollar an Subventionen, um die Natur auszubeuten und zu zerstören: im Bereich der Landwirtschaft, der fossilen Kraftstoffe, der Fischerei oder Düngemittel. Und zwar pro Jahr. Es ist genau die Zahl, die nun im Entwurf für die Gespräche von Kunming steht.

chs/dpa

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