
Umkämpfter Speisefisch: Zoff um die Makrele
Streit um Fischfang Island bleibt unbeugsam im Makrelenkrieg
Wer sich nicht bewegt, der verliert. Wenn das Leben einer Makrele unter einem Leitspruch stünde - dieser müsste es wohl sein. Im Gegensatz zu vielen anderen Arten hat dieser Fisch keine Schwimmblase, die ihm Auftrieb verschafft. Die richtige Position in der Wassersäule müssen sich Makrelen daher mit Muskelkraft erarbeiten. Andererseits können die guten Schwimmer wenn nötig - mit etwas Glück - auch mal einem langsamen Schleppnetz entkommen.
Gleichzeitig ist die Makrele ein beliebter Speisefisch, um den seit einiger Zeit ein trauriger Kampf tobt. Vielleicht gar ein Krieg. Auf der einen Seite stehen die Länder der Europäischen Union und Norwegen, auf der anderen Island und die Färöer-Inseln. Beide Seiten können sich nicht über die Fangquoten für den Nordostatlantik einigen - obwohl man im Jahr 2008 eigentlich einen Managementplan ausgearbeitet hatte.
Die EU droht Island und den Färöer-Inseln in dem Streit mit Sanktionen - eine entsprechende Verordnung (1026/2012) wurde im vergangenen Herbst auf den Weg gebracht. Islands Fischereiminister Steingrímur Sigfússon, in Reykjavík ebenfalls zuständig für Wirtschaft, Handel und Landwirtschaft, warnt im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE nun vor den Folgen eines Handelsstreits: "Wir werden uns nicht durch die Androhung von Sanktionen zu einer Einigung zwingen lassen. Die EU und Norwegen sind auf dem Holzweg, wenn sie das glauben sollten."
Man mag das als die übliche Rhetorik abtun, wie es sie traditionell in solchen Streitigkeiten gibt - oder als Zeichen dafür, wie verfahren die Situation mittlerweile ist. Der links-grüne Politiker beschwört gar die Geister der Vergangenheit: "Die Leute in Brüssel und Oslo sollten in ihren Geschichtsbüchern blättern, bevor sie annehmen, dass Island in diesem Streit aufgeben wird."
Damit spielt Sigfússon auch auf die sogenannten Kabeljaukriege zwischen Großbritannien und Island in den fünfziger bis siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts an. Damals konnte Island seine Fischereiinteressen trotz scheinbarer Unterlegenheit weitestgehend durchsetzen.
"Die See kochte vor Fisch"
Doch wie kam es eigentlich zum Streit um die Makrele? Bis 2008 hatten Islands Fischer kaum Interesse an der Art. Das zeigen Statistiken der Uno-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO). Man fing stattdessen zum Beispiel Hering und Kabeljau. Dann jedoch ging die Makrelen-Menge auf einmal dramatisch nach oben - von null auf 112.352 Tonnen. "Wir sind nicht rausgefahren, um die Makrele zu jagen. Sie kam zu uns. Die See kochte vor Fisch."
Der Klimawandel habe das Verbreitungsgebiet der Tiere verändert: "Große Mengen von Makrelen fallen in unsere Gewässer ein. Das sind gierige Tiere, die auch anderen Arten Futter wegnahmen", sagt Sigfússon. "Island hat Anspruch auf einen gerechten Anteil von dieser wandernden Art. Das kann niemand bestreiten."
Im Grundsatz erkennen Norwegen und die EU auch an, dass sich die Verbreitung der Makrele tatsächlich verändert hat - doch man will Island eine deutlich geringere Fangmenge zugestehen. In dieser Woche haben Norwegen und die EU festgelegt, dass sie zusammen 90,4 Prozent der Makrelen fischen wollen: "Das ist eine unrealistische Position, die uns nirgendwo hinbringt", kommentiert Sigfússon.
Im vergangenen Jahr landeten Islands Fischer 147.000 Tonnen Makrelen an. Zum Vergleich: Auf den Färöer-Inseln waren es um die 150.000 Tonnen, in der EU um die 320.000 Tonnen. Die wurden allerdings nicht nur im Nordostatlantik, sondern etwa auch in der Ostsee gefangen. Das Problem: Die Fangquoten sind - wie auch bei anderen Arten - insgesamt viel zu hoch.
Der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) in Kopenhagen, ein Gremium, das sich die Gesundheit der Fischbestände ansieht, fordert dramatische Kürzungen. In diesem Jahr sollten von allen Staaten zusammen nicht mehr als 542.000 Tonnen Makrelen gefangen werden. Das wäre nur etwa die Hälfte der Menge aus dem vergangenen Jahr.
Umweltschützer fordern beide Seiten dringend zur Einigung auf: "Weil viel Geld dahintersteckt, ist der Makrelenbestand in den Strudel der Politik geraten. Das kann leicht im Desaster enden", warnt Saskia Richartz von Greenpeace im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Die Situation zeige, "wie dringend die Fischfangflotten reduziert" und "in ein gesundes Verhältnis zur Quote" gebracht werden müssten.
"Dieses Jahr werden wir nichts erreichen"
"Ich weiß nicht, ob man in Europa verstanden hat, wie wichtig die Fischerei für Island ist; sie ist der Motor unserer Wirtschaft", hält Steingrímur Sigfússon dagegen. Er sieht sein Land im Streit um die Makrelen zu Unrecht in der Rolle des Buhmanns. Immerhin mache die Fischerei 40 Prozent der Exportleistung Islands aus - und habe entscheidend zur wirtschaftlichen Gesundung nach der Bankenkrise beigetragen.
Um im Makrelenstreit zu einer Lösung zu kommen, schlage man die gleichmäßige Reduzierung der Fangmengen aller Staaten vor, heißt es aus Island. Dort legt man großen Wert darauf, dass man international nicht als Blockierer wahrgenommen wird, sondern als verhandlungsbereit. Doch es sind schwierige Gespräche - auch weil Europas Fischer auf ihrer Seite keine Einbußen hinnehmen wollen. Damit werde der Kurs Islands in den vergangenen Jahren belohnt, argumentieren sie.
Eine verfahrene Situation. "Dieses Jahr werden wir nichts erreichen. Die Fangsaison fängt gerade an, und die wird wohl erst vorbeigehen müssen", sagt Sigfússon. Außerdem wird in Oslo und Reykjavík in diesem Jahr gewählt - in Island ruhen deswegen auch die Gespräche über einen möglichen EU-Beitritt, die den Streit zusätzlich kompliziert machen.
Einstweilen, so scheint es, haben die beteiligten Diplomaten ein ganz und gar anderes Motto als die Makrele: Wer sich bewegt, der verliert.
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