Paläontologische Funde Forscher kappen den Dino-Stammbaum

Fauna der Trias: Synapsiden (l.) trafen auf die ersten Dinosauromorpha - aber offenbar deutlich später als bisher gedacht

Fauna der Trias: Synapsiden (l.) trafen auf die ersten Dinosauromorpha - aber offenbar deutlich später als bisher gedacht

Foto: Victor Leshyk

Erstmals gelang Forschern mithilfe einer atomaren Uhr die punktgenaue Datierung von Dinosaurier-Vorfahren aus der Trias. Die Studie stellt bisherige Erkenntnisse infrage - und verkürzt die Ahnenreihe der Saurier merklich.

Das Alter eines Fossils zu bestimmen, ist nicht einfach. Die bekannte C14-Methode ist in der Paläontologie nicht anwendbar, sie ist nur für bis zu circa 50.000 Jahre alte Funde tauglich.

In der Paläontologie läuft die Altersbestimmung eines Fossils meist über die Analyse des Gesteins aus der Umgebung. Gesteine liegen in Schichten und bestimmten Abfolgen. Wenn man weiß, dass Gestein XYZ in einer Region beispielsweise die Kreidezeit repräsentiert, dann geht man davon aus, dass dasselbe Gestein in einem geologisch vergleichbaren Gebiet für die gleiche Periode steht.

Und wie weiß man, wie alt ein Gestein ist? Dafür gibt es Indikatoren: Die genauesten Daten liefert die Messung der Zerfallsprodukte radioaktiven Materials. Das landet beispielsweise durch die Asche von Vulkanausbrüchen im Sediment. Die Zerfallsrate der enthaltenen Isotope kennt man, sie sind bekannte Konstanten. Diese "Uhr" ist allerdings relativ grob: Man misst hier in Jahrmillionen, zumindest aber in mehreren Hunderttausend Jahren.

Einem argentinisch-brasilianisch-amerikanischen Forscherteam gelang nun die Bergung und Analyse verschiedener Fossilien, in deren Matrix - so heißt das Gestein, in das sie gebettet liegen - sie vulkanische Einschlüsse fanden, die Uran enthielten. Die fossiltragenden Schichten der Chañares-Formation im westlichen Argentinien enthalten Tuff-Gestein, das sich aus der Ablagerung vulkanischer Aschen gebildet hat.

Anhand der Zerfallsrate des darin enthaltenen Urans zu Blei gelang eine ungewöhnlich präzise Datierung der Fundstücke - und die hat nun sowohl Konsequenzen für die Datierung vergleichbarer Funde in anderen Weltgegenden, als auch für den Stammbaum der Dinosaurier selbst.

Die Welt der Trias: anders, als bisher gedacht

Im Zeitalter der Trias spielten Dinosaurier noch keine große Rolle. Die ersten echten Saurier von bescheidener Größe tauchten erst am Ende, vor circa 235 Millionen Jahren auf. Den Beginn der Dinosaurier-Ahnenreihe aber setzen wir deutlich früher an.

Die Top-Räuber dieser Zeit waren Archosaurier, darunter bizarre, landlebende und hochbeinig rennende Vorfahren der heutigen Krokodile. Sie jagten sogenannte Synapsiden  von oft grotesker Gestalt, deren größte daherkamen wie Fleischberge auf Spindelbeinen mit massigen Köpfen, aus denen mächtige Hauer ragten. Die Kleinsten unter ihnen trugen wiederum Fell, lebten in Erdhöhlen und sahen aus, als könnten sie sich zwischen Dachs und Dachshund nicht so recht entscheiden.

Synapsiden aber, egal ob Fleischberge wie kurzschwänzige Bodenbewohner, waren nichts anderes als Vorfahren der Säugetiere: Die Trias schien eine Zeit zu sein, in der Archosauria und Synapsiden die Führerschaft im Biotop unter sich ausmachten.

Dann spaltete sich auf dem Höhepunkt der Epoche ein Zweig von den Archosauriern ab, den man Dinosauromorpha nennt. Die Silbe "morpha" ist in der Systematik der Biologie ein Signal, das man mit "so ähnlich wie" oder "schon fast ein XYZ, aber noch nicht ganz" übersetzen könnte. Der nächste Schritt ist ein "forma", was so viel wie "teilt schon die meisten Körpermerkmale" bedeutet. Man merkt: Hier geht es um die Beschreibung von Evolutionsschritten - und die brauchen normalerweise viel Zeit.

Express-Evolution

Die Übergangsphase von ihren ersten Vorfahren bis zu den ersten echten Dinosauriern am Ende der Trias setzt man bisher mit etwas mehr als zehn Millionen Jahren an: Dinosauromorpha ab etwa 247 bis 245 Millionen Jahren, Dinosaurier ab etwa 235 Millionen. Also rund ein Dutzend Millionen Jahre, in denen etliche Arten ausgeprägt wurden - schon das ist eine rapide Evolution.

Die neue Studie stellt das nun infrage.  Die untersuchten Proben enthielten sowohl Fossilien von Synapsiden als auch von Dinosauromorpha. Das Überraschende daran: Die atomare Uhr datiert sie auf ein Alter von nur 234 bis 236 Millionen Jahren. Im Klartext: Sie lebten zu spät, nämlich in unmittelbarer zeitlicher Nachbarschaft zu den ersten echten Dinosauriern. Das ist, als wäre deren Ahnenreihe plötzlich beim Waschen eingelaufen.

Interessant und wissenschaftlich brisant ist das unter anderem deshalb, weil man dafür erst einmal eine Erklärung finden muss. Die Evolution von Dinosauromorpha hin zu Dinosauriern verlief offenbar in einem beispiellos rapiden Tempo, vermuten die Forscher. Warum?

Und warum kam es überhaupt zu diesem massiven Evolutionsschub, der die Archosaurier enterben und die Dinosaurier zur dominanten Tiergruppe machen sollte? Bisher war man davon ausgegangen, dass die Dinosauromorpha und ihre Nachfahren ab Mitte der Trias die zahlreichen biologischen Nischen neu besetzten, die das Aussterben von über 75 Prozent allen Landlebens an der Grenze von Perm und Trias regelrecht hinwegrasiert hatte. Das käme nun als Erklärung für die plötzliche, neue Artenvielfalt nicht mehr infrage.

Woran es nichts ändert, ist die Zäsur am Ende der Trias. Wieder kam es zu einem katastrophalen Massenaussterben, und anders als am Ende des Perm waren Archosaurier und Synapsiden davon besonders stark betroffen. Beide Gruppen existierten zwar fort - anderenfalls wären wir heute nicht hier. Die große Bühne aber sollte für die folgenden 143 Millionen Jahre den Dinosauriern gehören.

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