Krieg in Syrien Die verlorenen Schätze

Der Bürgerkrieg ist eine Tragödie für die Syrer - aber auch für die Kulturgüter. Kaum ein Land konnte früher mit den Schätzen so vieler Hochkulturen aufwarten. Nach fünf Jahren Krieg sind die meisten Denkmäler beschädigt.
Der Triumphbogen von Palmyra wurde 2015 zerstört

Der Triumphbogen von Palmyra wurde 2015 zerstört

Foto: JOSEPH EID/ AFP

Es ist nur ein paar Jahre her, da galt Syrien als eines der schönsten Reiseziele der Welt. Die vielfältige Küche ließ Besucher genauso schwärmen wie die kulturell-historischen Schätze des Landes. Mesopotamier, Assyrer, Perser, Hellenen, Römer - sie alle erlebten hier die Hochzeiten ihrer Kulturen.

Seit über tausend Jahren leben in Syrien Menschen unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Ethnien miteinander - und das größtenteils friedlich. Dieses Erbe macht den Reichtum Syriens aus. Doch nun wird es wie die Menschen Syriens zum Opfer des Kriegs. Von den sechs Unesco-Weltkulturerbestätten des Landes wurden fünf bereits beschädigt. Eine davon, die Ruinen von Palmyra, sogar absichtlich. Lediglich die historische Altstadt von Damaskus blieb von dem Krieg bisher verschont.

Der Krieg ist eine Tragödie für die Menschen in Syrien - aber eben auch für die Kulturschätze des Landes. Um diesen enormen Verlust zu veranschaulichen, möchten wir Ihnen zeigen, wie die außergewöhnlichen Orte früher aussahen.

Aleppo

Die Zitadelle von Aleppo vor Beginn des Krieges

Die Zitadelle von Aleppo vor Beginn des Krieges

Foto: Lutz Jaekel / laif

Weltberühmt war die Stadt für ihre Baudenkmäler wie die Zitadelle und den liebevoll restaurierten historischen Basar (arabisch Suq). Aleppos Einwohner galten als herausragende Handwerker, Köche und Geschäftsleute. Als Etappe auf der Seidenstraße profitierte die Stadt vom Handel zwischen Ost und West.

Seit dem Sommer 2012 steht Aleppo im Zentrum der Gefechte. Ein Teil der Stadt wird vom syrischen Regime kontrolliert, ein anderer von der Opposition. Die besteht mittlerweile fast nur noch aus islamistischen Gruppen. Die Kriegsparteien nutzen historische Gebäude als Stellungen.

Im Zuge des erbitterten Häuserkampfs wurde das Weltkulturerbe Aleppos schwer beschädigt. Die große Moschee wurde verwüstet:

Die Große Moschee von Aleppo vor dem Krieg...

Die Große Moschee von Aleppo vor dem Krieg...

Foto: © Khaled Al Hariri / Reuters/ REUTERS
...und im Jahr 2013

...und im Jahr 2013

Foto: © Mahmoud Hebbo / Reuters/ REUTERS

Teile der historischen Altstadt brannten aus. Der Souk liegt in Trümmern:

Der historische Suq von Aleppo vor dem Krieg...

Der historische Suq von Aleppo vor dem Krieg...

Foto: FABIAN BIMMER/ REUTERS
...und im Jahr 2014

...und im Jahr 2014

Foto: ZEIN AL-RIFAI/ AFP

Hama

Die Wasserräder von Hama

Die Wasserräder von Hama

Foto: Lutz Jaekel / laif

Die Wasserräder gehören zu den bekanntesten Wahrzeichen der Stadt Hama, die zwischen Aleppo und Damaskus liegt. Schon Hunderte Jahre vor Christus sollen sie sich im Orontes-Fluss gedreht und das Wasser in höher gelegene Aquädukte geschöpft haben. 2014 ist wohl eines davon bei Kämpfen in Flammen aufgegangen. Derzeit steht die Stadt unter der Kontrolle des syrischen Regimes.

Die Große Moschee hat den Krieg bisher noch überdauert. Sie ist ein Symbol für Syriens vielfältige Vergangenheit: An ihrer Stelle soll einst ein römischer Tempel gestanden haben, der Jupiter geweiht war. Später wurde dort eine byzantinische Kirche errichtet - und schließlich eben die Moschee:

Die Große Moschee von Hama

Die Große Moschee von Hama

Foto: Marc Röhlig

Sie war in den Achtzigerjahren aufwendig rekonstruiert worden, nachdem das syrische Militär 1982 in Hama einen Aufstand der Muslimbruderschaft niedergeschlagen und bis zu 40.000 Menschen ermordet hatte. Große Teile der historischen Altstadt wurden damals dem Erdboden gleich gemacht.

Am 1. Juli 2011 kam es in Hama auf dem Assi-Platz zu Massendemonstrationen gegen das syrische Regime. Erneut schickte das Regime seine Sicherheitskräfte und machte Jagd auf die Demonstranten. Am 4. Juli trieb im Orontes-Fluss neben den Wasserrädern die Leiche von Ibrahim Qaschusch. Der 33-jährige Sänger hatte mit seinem Lied "Baschar al-Assad, es ist Zeit zu gehen" den Demonstranten eine Hymne gegeben. Seine Mörder hatten ihm die Kehle durchgeschnitten und die Stimmbänder herausgerissen.

Krak des Chevaliers

Die Kreuzritterburg Krak des Chevaliers vor dem Krieg

Die Kreuzritterburg Krak des Chevaliers vor dem Krieg

Foto: Marc Röhlig

Die Kreuzritterburg im Westen Syriens gehört zum Unesco-Weltkulturerbe. Schon früh geriet sie ins Zentrum des Bürgerkriegs: Viele sunnitische Dörfer in der Umgebung und auch die nahe gelegene Stadt Homs begehrten 2011 gegen das Regime auf. In der Kernregion seiner Macht wollte Damaskus jedoch erst recht keinen Widerspruch dulden und ging früh mit großer Härte gegen die Opposition vor.

So war es auch im Dorf Al-Husn neben der Kreuzritterburg: Manche Einwohner führen ihre Abstammung bis ins 11. Jahrhundert zurück auf Saladin, der im 12. Jahrhundert die europäischen Kreuzfahrer aus dem Nahen Osten zurückschlug. Als das syrische Militär anrückte, verschanzten sich viele Regimegegner in der Kreuzritterburg.

Eine Innenansicht aus Krak des Chevaliers von 2014

Eine Innenansicht aus Krak des Chevaliers von 2014

Foto: Dusan Vranic/ AP

Das syrische Militär beschoss das einzigartige Baudenkmal mit Artillerie. Trotzdem gelang es dem Regime erst 2014, die letzten Aufständischen zu vertreiben. Früher lebten in der Provinz Christen, Alawiten, Ismailiten und Sunniten friedlich nebeneinander. Doch seit dem Beginn der Aufstände mussten vor allem viele Sunniten fliehen. Syrer anderer konfessioneller Minderheiten leben jetzt in ständiger Angst vor Attacken radikal-sunnitischer Gruppen.

Die toten Städte

Serjilla, eine der Toten Städte, vor dem Krieg

Serjilla, eine der Toten Städte, vor dem Krieg

Foto: Lutz Jaekel / laif

Sie werden auch als "Vergessene Städte" bezeichnet: Bis ins achte Jahrhundert waren sie bewohnt, dann gingen sie plötzlich unter. Noch immer ist es Historikern ein Rätsel, warum ihre Einwohner die knapp 800 Siedlungen verließen.

Inzwischen werden sie als Unesco-Weltkulturerbe eingestuft: Sie erstrecken sich über mehrere Provinzen im Norden Syriens. Heidnische Tempel stehen dort unmittelbar neben christlichen Kirchen.

Bereits 2011 entglitt diese Gegend der Kontrolle des Regimes. Grabräuber machen sich ungestört dort zu schaffen. Journalisten trafen 2013 in den Ruinen Familien an. Sie hatten unterirdische Gräber freigelegt und waren eingezogen. Nur dort glaubten sie sich ein wenig sicherer vor dem anhaltenden Beschuss des Militärs.

Bosra

Das Amphitheater von Bosra vor dem Krieg

Das Amphitheater von Bosra vor dem Krieg

Foto: Lutz Jaekel / laif

Die antike Ruinenstadt Bosra im Süden Syriens bündelt mehrere Jahrhunderte Kulturgeschichte: Byzantinische Kirchen und frühislamische Moscheen, eine römische Therme und ein nabatäischer Palast liegen dicht beieinander. Am berühmtesten ist ein römisches Theater aus dem dritten Jahrhundert nach Christus.

Die Zitadelle von Bosra 2015 nach Luftangriffen

Die Zitadelle von Bosra 2015 nach Luftangriffen

Foto: © Alaa Faqir / Reuters/ REUTERS

Bosra blieb vom Krieg weitestgehend verschont, allerdings wurden bei Gefechten Teile der Altstadt und das Amphitheater leicht beschädigt. Dort hatten sich Heckenschützen verschanzt. Seit 2015 ist Bosra unter Kontrolle der Opposition. Seitdem wird das Unesco-Weltkulturerbe immer wieder aus der Luft bombardiert.

Apamea

Die Ruinen von Apamea vor dem Krieg

Die Ruinen von Apamea vor dem Krieg

Foto: imago/ ZUMA Press

Fast zwei Kilometer lang ist die Säulenstraße, die von Norden nach Süden durch Apamea führt. Sie war eine der längsten im gesamten Römischen Reich. Apameas Aufstieg begann unter den Hellenen, bevor die Römer die Stadt 64 vor Christus einnahmen und ausbauten. Die Ruinen sind heute zwar nicht direkt umkämpft, doch auch sie sind betroffen. Grabräuber und Schmuggler trieben in Syrien schon immer ihr Unwesen. Nun in den Wirren des Kriegs können sie die Ruinen völlig ungestört plündern. Satellitenaufnahmen zeigen, dass innerhalb eines Jahres in Apamea rund 15.000 Löcher gegraben wurden - wohl auf der Suche nach Schätzen.

Damaskus

Die Altstadt von Damaskus ist das einzige Unesco-Weltkulturerbe Syriens, das bisher durch den Krieg nicht beschädigt wurde. Sie untersteht der Kontrolle des syrischen Regimes. Im Zentrum von Damaskus könnte man fast glauben, dass es den Krieg gar nicht gibt. Das Leben geht weiter.

Der überdachte Hamidiya-Markt von Damaskus

Der überdachte Hamidiya-Markt von Damaskus

Foto: Marc Röhlig

Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain hatte nach seinem Besuch 1867 die Altstadt von Damaskus als die einzig wahre "Ewige Stadt" bezeichnet, einen Titel, den eigentlich Rom beansprucht. "Damaskus misst Zeit nicht in Tagen, Monaten und Jahren, sondern in Imperien, die sie aufsteigen, blühen und zu Ruinen zerfallen hat sehen", schrieb Twain.

Die Umayyaden-Moschee in der Altstadt von Damaskus

Die Umayyaden-Moschee in der Altstadt von Damaskus

Foto: Marc Röhlig

Doch nur ein paar Kilometer vom Zentrum entfernt sieht es anders aus. Vororte und Stadtteile, die als Hochburgen der Opposition galten, wurden von der Luftwaffe zerbombt:

Sayyida Zaynab, ein Vorort von Damaskus, nach einem Terroranschlag

Sayyida Zaynab, ein Vorort von Damaskus, nach einem Terroranschlag

Foto: imago/ Xinhua

Deir al-Sor

Die Stadt am Euphrat im Osten Syriens ist berühmt. Seit Jahrhunderten lebten dort arabische und assyrische Familien mit Beduinen, Kurden und Armeniern friedlich zusammen.

Sonnenuntergang über dem Euphrat

Sonnenuntergang über dem Euphrat

Foto: © Nour Fourat / Reuters/ REUTERS

Inzwischen wird die Gegend vom "Islamischen Staat" kontrolliert, nur der Stadtkern ist noch unter Kontrolle der syrischen Armee. Eine 1990 eröffnete Kirche, die an den Völkermord an den Armeniern erinnerte, und die berühmte, von den Franzosen erbaute Brücke über den Euphrat wurden vom IS zerstört.

Palmyra

Die einstige Wüstenstadt Palmyra gehört zu den prominentesten Kulturschätzen Syriens. Ihre Ruinen umspannen die Jahrhunderte: Eine römische Säulenstraße führt zu den altorientalischen Tempeln von Baal und Baalschamin. Auf einem Berg über den Ruinen thront die mittelalterliche Feste des Ibn Maan.

Der Bel-Tempel von Palmyra wurde gesprengt

Der Bel-Tempel von Palmyra wurde gesprengt

Foto: JOSEPH EID/ AFP

Im Sommer 2015 eroberte der "Islamische Staat" Palmyra. Die Dschihadisten sprengten unter anderem den Baalschamin-Tempel, den Triumphbogen und den Bel-Tempel. Ihr Wüten filmten sie zu Propagandazwecken. Auch ein berüchtigtes Foltergefängnis des Regimes zerstörten die Dschihadisten.

Der Baalschamin-Tempel von Palmyra wurde gesprengt

Der Baalschamin-Tempel von Palmyra wurde gesprengt

Foto: JOSEPH EID/ AFP

Im Frühjahr 2016 konnte die syrische Armee das Gebiet zurückerobern. Die ersten Archäologen haben die Schäden begutachtet. Sie schätzen, dass etwa vier Fünftel der Kulturschätze die IS-Herrschaft und die Kämpfe überdauert haben. Doch vieles ist wohl für immer verloren.

Im Video: Minenräumer in Palmyra nach der IS-Besatzung

SPIEGEL ONLINE

Maaloula und Saidnaya

Die beiden Pilgerorte nördlich von Damaskus waren vor dem Krieg beliebte Ausflugsziele für Christen wie Muslime.

Das Kloster von Saidnaya 2012

Das Kloster von Saidnaya 2012

Foto: Bassem Tellawi/ AP

Saidnaya untersteht seit Beginn des Kriegs der Kontrolle des syrischen Regimes. Das Kloster mit einer Ikone Marias wurde 2013 durch ein Geschoss nur leicht beschädigt.

Der Pilgerort Saidnaya wurde von Christen und Muslimen besucht

Der Pilgerort Saidnaya wurde von Christen und Muslimen besucht

Foto: Lutz Jaekel / laif

Die Folgen des Kriegs sind dennoch allgegenwärtig: In den Straßen patrouillieren regimetreue Milizen. Manche Ausgebombte aus Damaskus hausen nun in völliger Armut im sichereren Saidnaya.

Das Bergdorf Maaloula vor dem Krieg

Das Bergdorf Maaloula vor dem Krieg

Foto: Lutz Jaekel / laif

Das Bergdorf Maaloula galt als einer der letzten Orte der Welt, wo noch Aramäisch, die Sprache Jesu, gesprochen wurde. Es heißt, die Heilige Thekla sei dorthin vor Soldaten geflüchtet und ihr habe sich eine Felsspalte zum Schutz geöffnet.

Viele Einwohner haben Maaloula verlassen. Denn das Dorf liegt in den strategisch wichtigen Qalamoun-Bergen und war bereits mehrmals Kampfplatz zwischen der islamistischen Fateh-al-Scham-Front, der bisherigen Al-Nusra-Front, und der syrischen Armee.

Das Kloster der Heiligen Thekla wurde durch die Gefechte beschädigt

Das Kloster der Heiligen Thekla wurde durch die Gefechte beschädigt

Foto: Vladimir Isachenkov/ AP

Bei den Gefechten haben Teile der historischen Altstadt Schäden davongetragen. Dschihadisten schlugen den Altar im Kloster des Heiligen Sergius aus dem vierten Jahrhundert entzwei. Das Kloster der Heiligen Thekla wurde bei den Kämpfen beschädigt. Manche Kunstschätze, darunter auch Heiligenbilder, nahmen die Kämpfer mit und verkauften sie auf dem Schwarzmarkt.

Mar Musa

Das Mar Musa Kloster liegt zwischen Damaskus und Homs

Das Mar Musa Kloster liegt zwischen Damaskus und Homs

Foto: imago

Wer nach Mar Musa wollte, musste sich anstrengen. Das Kloster, auf halber Strecke zwischen Damaskus und Homs gelegen, liegt eingebettet in einer Felsspalte des Antilibanon, schon der Aufstieg war beschwerlich. Und wer im Kloster übernachten wollte, musste im Gegenzug handwerken oder kochen. Heute besucht kaum noch jemand die Mönche. Zu groß ist die Angst, auf dem Weg nach Mar Musa Opfer von Attacken oder Entführungen zu werden.

Das Kloster galt als Symbol des Zusammenlebens Syrer aller Konfessionen

Das Kloster galt als Symbol des Zusammenlebens Syrer aller Konfessionen

Foto: Marc Röhlig

Mar Musa war bei Christen wie Muslimen beliebt. Hier wurde vor allem die Spiritualität, das Gemeinsame der Religionen betont. Das Kloster hat seine Ursprünge im 15. Jahrhundert, wiederbelebt wurde es jedoch erst vor einigen Jahrzehnten von dem charismatischen italienischen Jesuitenpater Paolo Dall'Oglio.

Paolo Dall'Oglio (links) hatte das alte Kloster wieder mit Leben gefüllt

Paolo Dall'Oglio (links) hatte das alte Kloster wieder mit Leben gefüllt

Foto: LOUAI BESHARA/ AFP

Im Syrienkonflikt hatte sich Dall'Oglio um Vermittlung bemüht. Die Assad-Regierung hatte ihn des Landes verwiesen. Der IS verschleppte ihn im Juli 2013. Ob Paolo Dall'Oglio noch am Leben ist, ist unklar. Es gab Berichte, dass er vom IS ermordet worden sei.

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