Tiefsee-Eruptionen Rätsel um Asphaltvulkane gelöst

Vor zwei Jahren haben Forscher mit einer Entdeckung in der Tiefsee für Schlagzeilen gesorgt: Drei Kilometer unter der Meeresoberfläche haben Asphaltvulkane den Meeresboden mit schwarzen Platten überzogen. Jetzt können die Geologen das Phänomen erklären.

Die Wissenschaftler an Bord des deutschen Forschungsschiffes "Sonne" staunten nicht schlecht, als sie die Filmübertragung aus knapp 3000 Meter Wassertiefe verfolgten. Die Kamera des Klein-U-Bootes "Ofos" zeigte seltsame Bilder: Schwarze Platten bedeckten mehr als einen Quadratkilometer Meeresboden nahe der Halbinsel Yucatán. Dergleichen hatte niemand zuvor gesehen. Die Wissenschaftler steuerten den Tauchschlitten auf den Grund und entnahmen Bohrproben.

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Asphaltvulkane: Bizarres Biotop in der Tiefsee

Foto: UNI BREMEN

Die Analyse an Bord brachte das erstaunliche Ergebnis: Auf dem Meeresboden lag Asphalt. Er entsteht auf natürliche Weise bei der bakteriellen Zersetzung von Erdöl. Doch er war offensichtlich nicht vor Ort entstanden, denn lavaähnliche Schlieren auf dem bis zu vier Meter dicken schwarzen Belag zeigten, dass er einst über den Grund gequollen sein musste - anscheinend aus den örtlichen Salzhügeln heraus. Niemand hatte bis dahin von Asphalteruptionen gehört.

Es schien gar mehrere Ausbrüche gegeben zu haben, denn unterschiedliche Asphaltlagen waren erkennbar. Die Eruptionen mussten sich erst in den vergangenen Jahren ereignet haben, nahmen die Forscher an, denn Asphalt löst sich im Meer vermutlich schnell auf.

Die Geologen um Gerhard Bohrmann von der Universität Bremen tauften das unbekannte Naturereignis "Asphaltvulkan". Den größeren der beiden identifizierten Schlote nannten sie "Chapopote", nach dem aztekischen Wort für Asphalt. Wie es zu den Ausbrüchen kommen kann, blieb den Forschern gleichwohl rätselhaft.

Nun liefern sie eine Erklärung: Eine "magische Substanz" spüle den Asphalt an die Oberfläche, schreiben Bohrmann und seine Kollegen im Fachblatt "Eos" (Bd. 86, S. 397, 2005). Gemeint ist mehr als 400 Grad heißes Wasser, das unter hohem Druck steht und weder flüssig noch gasförmig ist. In einigen Kilometern Tiefe ändert Wasser seine Eigenschaften entsprechend, es wird "superkritisch" - die Wasserteilchen lösen sich voneinander.

Durch Kanäle in Salzstöcken bahnt sich das Wasser den Weg nach oben, vermuten die Wissenschaftler. Im Meeresboden des Golfs von Mexiko wurzeln riesige Salzberge, sie reichen bis in 15 Kilometer Tiefe. Weil es in den Salzstöcken viel Öl gebe, soll dort auch Asphalt vorkommen.

Ein Ausbruch geht schnell vor sich: Auf dem Weg nach oben löst das "magische" Wasser Asphalt aus dem Salz und treibt es ihn die Oberfläche. Im Gegensatz zu normalem Wasser mischt sich superkritisches Wasser mit Kohlenwasserstoffen wie Öl oder Asphalt. Am Meeresgrund trennt sich das Wasser wieder von seiner Fracht. Asphaltlachen ergießen sich aus den Salzdomen, bis der Asphalt abkühlt und erstarrt. Ein Beleg dafür sind mikroskopisch kleine Glasminerale im Asphalt, die die Forscher gefunden haben. Die Kügelchen haben sich während schockartiger Abkühlung gebildet.

Kleine Explosionen durch Asphalt auf Eis

Beim Ausbruch kommt es möglicherweise zu kleinen Explosionen, wenn der heiße Asphalt am Boden auf Methaneis trifft. Denn die Eisklumpen schmelzen im Nu, und das enthaltende Gas entweicht dampfend.

Damit die Theorie stimmt, müsste das Wasser während seines gesamten Aufstiegs superkritisch bleiben. Zwei Umstände sprechen dafür: Der explosionsartige Aufstieg mit ungefähr 100 Metern pro Sekunde bewirkt, dass das Wasser kaum abkühlt, schreiben die Forscher. Zudem spritze es in 3000 Meter Meerestiefe aus dem Boden, und in dieser Tiefe herrsche ausreichend hoher Druck. "Fänden sich allerdings Asphaltlagen in weniger als 2800 Metern Wassertiefe, wäre unser Modell widerlegt", sagt Bohrmann.

Ähnlich verlaufende Ausbrüche ereignen sich Bohrmanns Kollege Martin Hovland zufolge in sogenannten Schlammvulkanen in Aserbaidschan, wo brennendes Erdgas aus dem Boden schießt. Dort sei der Prozess inzwischen gut belegt.

Die Ölindustrie zeigt Interesse

Gleichwohl: Der ausbrechende Asphalt erstaunt die Fachwelt. Auf einer Tagung von Erdölexperten in Mexico-City stieß die neue Theorie nach Berichten von Teilnehmern auf großes Interesse. Besonders die Ölkonzerne wurden hellhörig. Denn nun scheint erklärbar, warum Asphalt zuweilen Bohrlöcher verstopft: Er fließt hinein.

Doch längst nicht alle Rätsel um die Asphaltvulkane sind gelöst. So bevölkern erstaunlicherweise Muscheln, Würmern und Bakterien die schwarzen Platten. Dabei steht den Lebewesen vermutlich keines der üblichen Grundnahrungsmittel der Tiefsee - also Methan oder Schwefelwasserstoff - zur Verfügung. "Wir wissen nicht, wovon sie leben", staunt Bohrmann.

Für März planen die Forscher ihre nächste Expedition in die Region. Dann soll das deutsche Unterwasserlabor "Quest" den Asphalt untersuchen. Bohrmann hofft auf den endgültigen Beweis für die Asphaltvulkane: "Vielleicht haben wir Glück und beobachten eine Eruption."

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