

Gleichmäßig rot soll sie sein, die Tomate. Seit Jahrzehnten achten kommerzielle Züchter darauf, dass ihre Produkte nicht grünfleckig oder unregelmäßig gefärbt sind. Kunden, so der Grundsatz, bevorzugen attraktives Gemüse. Doch unter der hübschen Schale steckt leider oft eine bloß mittelmäßig schmeckende Frucht.
Den Grund dafür präsentiert ein internationales Forscherteam im Wissenschaftsmagazin "Science": Eine Veränderung im Erbgut, die für die einheitliche Färbung sorgt, lässt gleichzeitig die Menge an Kohlenhydraten und anderen Pflanzenstoffen in der reifen Tomate sinken.
Produzenten hätten seit den zwanziger Jahren, in denen die zufällige Mutation entdeckt wurde, auf die einheitlich gefärbten Früchte gesetzt. Keine grünen Flecken mehr am Stängel: So ließen sich die Früchte besser verkaufen. Außerdem hilft die einheitliche Färbung auch, den Reifegrad der Tomaten während der Züchtung zu bestimmen, sie ist also praktisch für die Hersteller.
Forscher nennen dieses erwünschte Erscheinungsbild auch "Uniforme Reifung" ("u"). Heute würden nur noch wenige Sorten - vor allem solche, die für den Anbau im eigenen Garten verkauft werden - ohne die Genveränderung auskommen. Mit Gentechnik hat das nichts zu tun, die uniforme Tomate ist ein Produkt klassischer Züchtung.
Wie ein Auto ohne Motor und Reifen
Ein Gen ist bei den rundum roten "u"-Tomaten nicht mehr intakt, eine einzelne Veränderung sorgt dafür, dass es nicht mehr als Blaupause für ein wichtiges Eiweiß fungiert. Mittendrin im Bauplan entsteht durch die Mutation ein Stopp-Signal. Das Ergebnis lässt sich mit einem Auto vergleichen, das zu früh vom Fließband genommen wird: Ohne Motor, Reifen, Lenkrad funktioniert die bloße Karosserie nicht.
Das Eiweiß aber beeinflusst einen wichtigen Prozess, nämlich die Ansammlung von Chlorophyll in der Frucht - und damit die Photosynthese. Der größte Teil der Photosynthese, bei der Pflanzen Kohlenhydrate herstellen, findet in den Blättern statt. Aber eine reifende Tomate kann bis zu 20 Prozent der Produktion selbst übernehmen - die restlichen 80 Prozent der Substanzen werden aus den Blättern in die Frucht transportiert.
In den "u"-Tomaten läuft das mit der Photosynthese in der hellgrünen Frucht deshalb suboptimal. Neben einer geringeren Menge an Kohlenhydraten mangelt es ihnen im Vergleich zu ihren Verwandten auch noch an Lycopin, einem als durchaus gesund geltenden Pflanzenfarbstoff. Insgesamt sind die ansehnlichen Früchte also weniger süß und aromatisch.
Die Wissenschaftler hoffen, dass ihre Erkenntnis bald praktische Konsequenzen hat. "Es bietet sich die Möglichkeit, Qualitätsmerkmale, die unwissentlich aus Tomaten herausgezüchtet wurden, zurückzugewinnen", sagt Biochemikerin Ann Powell von der University of California, Davis. Zwei Patentanträge, die mit der Entdeckung in Verbindung stehen, haben an der Studie beteiligte Forscher in den USA eingereicht. Aus ihrer Sicht könnte man das Problem durch weitere Züchtung lösen.
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Aus grün wird rot: Wenn Tomaten reifen, verändern sie ihre Farbe. Soweit ist alles klar. Doch wie genau sich die Früchte färben, das hängt entscheidend von einem einzigen Gen ab. Das Ärgerliche dabei: Sollen Tomaten gleichmäßig rot sein, geht das auf Kosten des Geschmacks, berichten Forscher im Wissenschaftsmagazin "Science".
Direkter Vergleich: Eigentlich sind unreife Tomaten nicht gleichmäßig grün (links). Erst eine zufällige Mutation, die Züchtern in den 1920er Jahren auffiel, verlieh ihnen die uniforme Färbung (rechts).
Makellose Schale: Auch wenn Tomaten reif sind, finden sich eigentlich noch helle Flecken (links) - es sei denn, sie tragen die Mutation, die sich heute bei den meisten Supermarkt-Tomaten findet.
Wilde Mischung: Manche Tomatensorten, vor allem welche, die zum Anbau im eigenen Garten verkauft werden, kommen ohne die Genveränderung aus. Die Folge: Farblich sind sie alles andere als uniform. Weil sie mehr Zucker und andere Pflanzenstoffe enthalten, sollten sie außerdem besser schmecken.
Grün ist nicht gleich grün: Tomaten ohne die Mutation (links) sind deutlich dunkler als ihre Verwandten. Der Grund: In der Frucht gibt es mehr Chloroplasten, kleine Zell-Organellen, in denen die Photosynthese stattfindet.
Raus aus dem Tomaten-Dilemma: Die Wissenschaftler hoffen, dass ihre Erkenntnis bald praktische Konsequenzen hat. "Es bietet sich die Möglichkeit, Qualitätsmerkmale, die unwissentlich aus Tomaten herausgezüchtet wurden, zurückzugewinnen", sagt Biochemikerin Ann Powell von der University of California, Davis.
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