Treibhaus-Rangliste 2008 Deutschland zum zweitbesten Klimaschützer gekürt

Deutschland rückt im globalen Klimaschutz-Index von Germanwatch zur Spitze auf - allerdings nicht weil nennenswert Treibhausgase reduziert wurden. Die Experten der Umweltorganisation stellen fest: Alle Industriestaaten sind noch viel zu zaghaft im Kampf gegen CO2.

Wer ist der Musterknabe in Sachen Klimaschutz? Wer der größte Sünder? Um es vorwegzunehmen: Im Ranking der Umweltschutzorganisation Germanwatch ist Deutschland nicht Erster geworden - und die USA nicht Letzter. Es hätte aber durchaus so ausgehen können. Wenn da nicht Schweden und Saudi-Arabien wären, die sich Platz eins und das Schlusslicht gesichert haben.

Die Experten haben insgesamt 56 Staaten verglichen, die zusammen für mehr als 90 Prozent der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich sind. Bei den Energieverbrauchs- und CO2-Statistiken griff die Organisation auf Daten der Internationalen Energieagentur (IEA) zurück. Überraschenderweise stehen auf den obersten Plätzen des Rankings (siehe Grafik) nicht nur hochentwickelte Staaten wie Schweden (Platz 1), Deutschland (2) und Island (3), sondern auch Länder wie Mexiko (4), Indien (5) und Brasilien (8). Ganz am Ende finden sich emissionsstarke Länder wie Russland (50), Australien (54) und die USA (55).

Auch Klimapolitik wird bewertet

Der Index beruht nicht allein auf dem CO2-Ausstoß und bereits erreichten Emissionsminderungen, sondern setzt sich aus drei Komponenten zusammen: dem Emissionstrend (Gewichtung 50 Prozent), dem aktuellen Niveau des CO2-Ausstoßes (30 Prozent) und der Klimapolitik (20 Prozent). Dass sich Deutschland seit dem vergangenen Jahr von Platz vier auf Rang zwei verbessern konnte, ist vor allem auf die gute Bewertung der Klimapolitik zurückzuführen. Hier erreicht es fast 95 von 100 Punkten - und liegt damit unter den zehn größten CO2-Verursachern klar vorn. Die Nächstplatzierten China und Großbritannien kommen auf weniger als 80 Punkte. Die USA haben weniger als 5 Punkte.

"Deutschland spielt seit Jahren eine wichtige Rolle im Klimaschutz, davon profitiert das Land nun in der Bewertung", heißt es in der Germanwatch-Studie. Besonders hervorgehoben werden die Bemühungen während der EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 - Kanzlerin Angela Merkel wird's freuen. Die Bundesregierung hat erst in dieser Woche ihr Energie- und Klimaprogramm beschlossen, das bis 2020 den CO2-Ausstoß um 40 Prozent gegenüber 1990 senken soll - allerdings bezweifelt Greenpeace, dass dieses Ziel erreicht werden kann.

Die Germanwatch-Experten fällen jedoch trotz einzelner Verbesserungen ein schlechtes Gesamturteil über die 56 Staaten: "Selbst Länder, die weit oben im Ranking stehen, haben keinen Grund, sich zurückzulehnen." Im Gegenteil: Selbst wenn alle Staaten so handelten wie die bestplatzierten, würden die Anstrengungen nicht ausreichen, um "einen gefährlichen Klimawandel" zu verhindern. "Wäre der Klimaschutz eine olympische Disziplin, dann hätte es niemand verdient, auf dem Siegertreppchen zu stehen."

Profiteure des Ostblock-Zusammenbruchs

"Besonders alarmierend" sei das schlechte Abschneiden der zehn größten CO2-Verursacher, die für mehr als 60 Prozent des weltweiten Ausstoßes verantwortlich sind. Ihre künftige Klimapolitik sei entscheidend für die Begrenzung der Folgen des Klimawandels, doch passiere dort zu wenig.

Ausdrücklich verweist die Studie darauf, dass ein Teil der bisherigen CO2-Reduktion allein auf den Zusammenbruch des Ostblocks und das Verschwinden seiner umweltschädlichen Industriebetriebe zurückzuführen ist. Von diesem Effekt profitiert auch Deutschland. Ohne die flächendeckende Deindustrialisierung im Osten nach 1990 wäre das Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu senken, völlig unrealistisch.

Ausdrücklich warnt Germanwatch vor einer intensiveren Nutzung der Kohle. Eine hohe Position im Ranking könne nicht gehalten werden, wenn Regierungen wegen steigender Gas- und Ölpreise verstärkt auf diese Energieform setzen - ein Seitenhieb gegen Deutschland. Die Energiekonzerne wollen hier in den kommenden Jahren mindestens 26 neue Kohlekraftwerke bauen.

China landet im Klimaschutz-Index auf Platz 40. Die boomende Wirtschaft des asiatischen Landes gilt als eine der großen Gefahren für das Weltklima, zumal in China derzeit im Schnitt jede Woche zwei neue 500-Megawatt-Kohlekraftwerke ans Netz gehen. Laut Germanwatch ist der chinesische Anteil an den weltweiten Treibhausgas-Emissionen und am Energieverbrauch im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Die Balance zwischen einem wirtschaftlichen Aufschwung und Klimaschutz wird auch die Experten und Politiker auf Bali beschäftigen, wo derzeit der Uno-Weltklimagipfel stattfindet.

hda

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