Treibhaus-Teufelskreis Klima-Rückkopplung kleiner als befürchtet

Die globale Erwärmung lässt in der Natur mehr Kohlendioxid frei werden - und verstärkt sich dadurch selbst: Diese Rückkopplung bereitet Forschern enorme Sorgen. Eine neue Studie besagt nun, dass der Effekt kleiner ist als bisher vermutet. Grund zur Entwarnung sehen die Experten aber nicht.
Abgase einer australischen Fabrik: Rückkopplungseffekte kleiner als bisher vermutet

Abgase einer australischen Fabrik: Rückkopplungseffekte kleiner als bisher vermutet

Foto: MICK TSIKAS/ REUTERS

Die globale Erwärmung ist nicht nur eine Folge menschlicher Aktivität - sie hat ihrerseits Folgen auf das natürliche Gleichgewicht zwischen den riesigen Kohlenstoffvorräten der Erde. Forscher haben oft die Befürchtung geäußert, dass Rückkopplungseffekte die Erwärmung dramatisch verschärfen könnten: Je wärmer es wird, desto mehr Treibhausgas entweicht aus natürlichen Speichern. Der Klimawandel könnte sich durch diesen Teufelskreis immer schneller selbst verstärken.

Forscher aus Deutschland, der Schweiz und Belgien haben den Zusammenhang zwischen Temperatur und dem Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre in mehr als 200.000 Varianten simuliert. Das Ergebnis: Der vom Menschen verursachte Klimawandel bewirke zwar eine zusätzliche Freisetzung von CO2 aus der Landbiosphäre und dem Ozean, doch der Effekt sei wesentlich kleiner als bisher vermutet.

Im Jahr 2008 lag der Kohlendioxidgehalt der Luft bei rund 385 Teilen pro Million (parts per million, kurz ppm). Bisherige Schätzungen hätten ergeben, dass der Wert mit jedem Grad Erwärmung um etwa 40 ppm steige, schreiben die Forscher um David Frank von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft im Fachblatt "Nature" . Ihre Berechnungen hätten jedoch nur eine Steigerung von 1,7 bis 21,4 ppm ergeben, mit einem sogenannten Medianwert  von knapp 8 ppm. Ein Anstieg um 40 ppm pro Grad Erwärmung könne man mit 95-prozentiger Sicherheit ausschließen.

Die Forscher hatten neun globale Temperaturrekonstruktionen mit Daten von drei Eisbohrkernen aus der Antarktis für die Zeit zwischen den Jahren 1050 bis 1800 analysiert. Die Wissenschaftler untersuchten Lufteinschlüsse in Eisbohrkernen aus der Antarktis und Jahresringe von Bäumen. Das Team konnte so beispielsweise quantifizieren, wie stark der CO2-Gehalt der Luft durch Klimaschwankungen in der vorindustriellen Periode beeinflusst wurde, erklärte Jan Esper vom Geographischen Institut der Universität Mainz, einer der beteiligten Forscher.

Weitere Studie: Klimawandel könnte stärker ausfallen als erwartet

Einer Entwarnung dürfte das allerdings nicht gleichkommen. Das liegt zum einen daran, dass die menschlichen CO2-Emissionen trotz aller Gegenmaßnahmen weiter steigen- ganz gleich, wie die Natur darauf reagiert. Zum anderen konnten Frank und seine Kollegen in ihren Simulationen keine Rückkopplungseffekte simulieren, die erst dann eintreten könnten, wenn die Temperaturen noch stärker schwanken als in den vergangenen 1000 Jahren. So befürchten Wissenschaftler etwa, dass ab einem bestimmten Schwellenwert gigantische Mengen bisher gefrorenen Methans aus Permafrost- und Meeresböden entweichen könnten. Das Gas ist etwa 20-mal klimawirksamer als Kohlendioxid.

Zudem legt eine weitere aktuelle Untersuchung nahe, dass das tatsächliche Ausmaß des zu erwartenden Klimawandels bislang deutlich unterschätzt wird. Forscher der Universität Kiel haben betrachtet, wie die CO2-Konzentration auf die Temperaturerhöhung wirkt - und zwar vor fünf Millionen Jahren. Im Pliozän habe es wesentlich höhere Temperaturen als heute gegeben, obwohl die CO2-Konzentrationen kaum höher gewesen seien, sagten die Klimaforscher Ralph Schneider und Birgit Schneider am Mittwoch in Kiel. Die Zusammenfassung weltweiter Studien zum Klima der Vergangenheit ist in der Fachzeitschrift "Nature Geoscience" veröffentlicht. Nicht nur die CO2-Konzentration, sondern auch andere, bisher eher vernachlässigte Komponenten spielen demnach eine Rolle für die Erderwärmung.

Der Blick in die Vergangenheit zeige, dass man sich nicht nur auf die Wirkungskette Temperatur-Kohlendioxid konzentrieren dürfe, betonte Schneider. Grund für das deutlich wärmere Klima im Pliozän seien Rückkopplungen zwischen einzelnen Komponenten des Klimasystems gewesen. Wichtig seien insbesondere das Grönlandeis und die Vegetation in den hohen Breiten und dem Ozean, die große Mengen Kohlenstoff speichern. Womöglich reiche schon eine atmosphärische CO2-Konzentration von 400 bis 500 ppm, damit sich der Prozess der Erderwärmung verselbständige, sagte Schneider.

mbe/dpa
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